Donau Zeitung

Die Wünsche einer jungen Witwe

Hayat Eliyas aus Äthiopien hat zwei Kinder, lebt in Wertingen und lernt in Höchstädt. Damit könnte es bald vorbei sein

- VON LARISSA TORRES DE MEDEIROS

Wertingen Beinahe jede Woche eine neue Frisur, die Kleidung immer modisch, das Make-up auf den Rest des Outfits abgestimmt und dabei stets ein Lächeln im Gesicht – so kennen die Leute Hayat Eliyas, die 21-jährige Asylbewerb­erin, die im ehemaligen Augsburger Hof lebt. Ihr Äußeres ist für die junge Äthiopieri­n eine Hilfe, triste Tage etwas aufzuhelle­n und fröhlicher zu machen. „Ich kann nicht still sitzen“, beschreibt sie ihren Unruhezust­and.

Sie müsse sich immer mit irgendwelc­hen Dingen beschäftig­en, um die Ungeduld und Nervosität vor dem endgültige­n Ausgang ihres Asylverfah­rens zu vertreiben. Ihr früheres Leben in Afrika, die erlittene Genitalver­stümmelung, die Ermordung ihres Ehemanns und die traumatisc­hen Erlebnisse auf der Flucht sind Faktoren, die bei der jungen Frau Depression­en auslösten. Wie Hayat Eliyas denken viele Flüchtling­e, dass sich mit der Ankunft in Deutschlan­d ihre Probleme in Luft auflösen würden. Was ihnen jedoch noch bevorsteht, ist der Gang durch ein langwierig­es und oft komplizier­tes Asylverfah­ren, einhergehe­nd mit wechselnde­n Wohnorten. Deshalb empfindet Hayat Eliyas ihre derzeitige Situation als sehr belastend. Mit ihrem Faible für Frisuren und Mode versucht sie, ihren Gemütszust­and zu kaschieren.

Was passiert mit der psychische­n Gesundheit während des Asylverfah­rens? Die Angst vor einer Ablehnung oder wieder in ein unsicheres Zuhause geschickt zu werden sowie die Menge an Schicksals­schlägen, die man wegstecken kann, ist bei jedem begrenzt, und Hilfe ist vonnöten. So wie auch bei der jungen Äthiopieri­n.

Hayat Eliyas wurde in der äthiopisch­en Stadt Bishoftu geboren. Die junge Afrikaneri­n und Mutter von zwei Kindern wird derzeit mithilfe einer Psychologi­n wegen einer Depression behandelt, nachdem sie schon einige Zeit starke Antidepres­siva eingenomme­n hat. Vor einigen Monaten wurde ihr Asylantrag ab- Sie weiß, dass sie mit ihren Kindern voraussich­tlich nicht in Deutschlan­d bleiben kann. Zurück möchte sie nicht mehr, denn mit ihrem Heimatland verbindet sie dunkle Erinnerung­en.

Im Alter von sechs Jahren wurde sie auf grausame Weise beschnitte­n, mit 13 Jahren verheirate­t und ein Jahr später Mutter. Bis zur neunten Klasse hatte sie eine Schule besucht und im Anschluss daran als Frisörin in einem Schönheits­salon gearbeitet. Das Leben hatte sich eingespiel­t. Sie bekam ihr zweites Kind. Zuletzt waren beide Kinder zur Schule gegangen, der Ehemann zur Arbeit. Bis zu jenem verhängnis­vollen Tag im Januar 2016: „Mein Mann wurde auf dem Weg zur Arbeit erschossen.“Hayat Eliyas fand einige Ungereimth­eiten bei ihren Nachforsch­ungen. Bekannte hatten erzählt, dass die Regierung ihren Mann der Spionage verdächtig­te. „Mein Mann war Eritreer“, erzählt sie. Äthiopisch­e Polizisten gehen davon aus, dass jeder Eritreer ein Sicherheit­srisiko darstellt. Nach dem Tod ihres Mannes bekam die junge Witwe es mit der Angst zu tun. Sie packte ihre Kinder und floh mit ihnen zunächst in den Sudan. Von dort ging es nach Libyen und weiter über das Mittelmeer nach Europa. Über Italien und die Schweiz erreichte sie im Dezemgeleh­nt. ber vorigen Jahres Deutschlan­d. „Wenn ich in den Spiegel schaue, versuche ich, eine neue Hayat zu sehen. Ich hätte gerne ein bunteres Leben mit mehr Schönheit“, lächelt die 21-Jährige. Mitbewohne­r und Bekannte sehen immer ein Lächeln im Gesicht der jungen Äthiopieri­n. Auch während sie hilft, das Haus auf Hochglanz zu bringen und die Blumen im Garten zu pflegen. Oft lädt sie Frauen in der Asylunterk­unft auf einen Tee ein, oder sie zaubert ein Abendessen in ihrem Zimmer. „Ich muss mich immer ablenken“, sagt sie und zuckt mit den Achseln. Denn wenn sie allein ist, lauere die Angst. Derzeit besucht die junge Frau die Berufsschu­le in Höchstädt, und sie kümmert sich um ihre beiden Söhne Surafel (acht Jahre) und den vierjährig­en Kaleab. Trotz ihres Ablehnungs­bescheides ist sie zuversicht­lich, in Wertingen eine neue Heimat zu finden. Ihren Lebensunte­rhalt möchte sie als Altenpfleg­erin verdienen. Rückblicke­nd könnte man sagen, dass Hayat drei Mal geflohen ist: vor ihrer traumatisc­hen Kindheit, der bedrohlich­en Situation nach dem Tod ihres Ehemanns und jetzt vor ihren Depression­en. Aber sie wird die Hoffnung nicht aufgeben.

 ?? Foto: Larissa Torres ?? Die beiden Brüder Kaleab (links) und Surafel mit ihrer Mutter Hayat Eliyas. Als ihr Ehemann in Äthiopien erschossen wurde, floh die heute 21 Jährige mit ihren beiden Söh nen. Inzwischen wohnt das Trio in Wertingen. Die Mutter möchte in der Altenpfleg­e...
Foto: Larissa Torres Die beiden Brüder Kaleab (links) und Surafel mit ihrer Mutter Hayat Eliyas. Als ihr Ehemann in Äthiopien erschossen wurde, floh die heute 21 Jährige mit ihren beiden Söh nen. Inzwischen wohnt das Trio in Wertingen. Die Mutter möchte in der Altenpfleg­e...

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