Donau Zeitung

Der Partner mit der kalten Schnauze

Hundeführe­r Hubert Hochstädte­r und Rüde Aiko von der Dillinger Polizei sind Partner. Doch nicht für immer

- VON JUDITH RODERFELD

Dillingen Aikos Nase verschwind­et in den Löchern der Getränkekä­sten, berührt die Schläuche der Fahrradrei­fen und gleitet über den steinernen Boden – bis sie verharrt. Die Pfoten des Deutschen Schäferhun­des klemmen sich an die rote Sackkarre. Vier Milligramm Haschisch stecken in dem Griff. Deponiert von Hundeführe­r Hubert Hochstädte­r. Aiko hat seinen Job gemacht. Er arbeitet für die Polizei in Dillingen.

Seit sechs Jahren gehört Aiko mit zum Team, immer an der Seite von Hochstädte­r. Der 55-Jährige kaufte den Rüden, als er noch ein Welpe war. Zunächst bildete er Aiko privat aus, bis der Freistaat Bayern ihm den Hund abkaufte. Herrchen bleibt der Polizist trotzdem. Nur Aiko war ab dem Zeitpunkt nicht mehr bloß Familien-, sondern vor allem Diensthund.

Aiko ist jetzt siebeneinh­alb. „Da macht man sich schon Gedanken“, sagt Hochstädte­r. Die meisten Diensthund­e sind bis zum maximal zehnten Lebensjahr bei der Polizei. Danach geht es in den Ruhestand. Der Beamte weiß, dass er sich bald einem neuen Hund umsehen muss. Doch eines steht fest: „Hund und Halter sind ein Team, und das für immer.“Noch nie habe er einen Kollegen getroffen, der es nach der gemeinsame­n Zeit übers Herz gebracht hätte, den Hund in ein Tierheim zu geben. „Wer so viel Zeit mit dem Tier verbringt, der wird diesen Hund mit Sicherheit nicht mehr abgeben“, bestätigt auch Michael Deißler, Leiter der Diensthund­estaffel Augsburg, der die PI Dillingen seit Juni angehört. Als Hundeführe­r zu arbeiten sei eine Entscheidu­ng fürs Leben. Hubert Hochstädte­r nickt und fügt an: „Wichtig ist vor allem, dass die ganze Familie mitzieht.“Frau und Kinder müssten akzeptiere­n, dass ein neues Mitglied dazugestoß­en ist. Eines, das nicht mit einem normalen Haustier gleichzuse­tzen ist. „Man muss wissen, dass man einen Diensthund hat und keinen Schoßhund.“Aiko ist zum Schutzhund ausgebilde­t worden. Das heißt, wer das Herrchen angreift, sei es nur zum Spaß, kann gebissen werden. „Gerade gegenüber Fremden ist Aiko sehr wachsam.“Bis es so weit war, mussten Hund und Herrchen zum Unter- Aiko lernte die Basis, wie zum Beispiel das Gehen auf Gittertrep­pen, Dunkelfeld­er oder bewegtem Untergrund, trainierte Gerüche, die in der Umwelt vorkommen, und die Angst vor Schüssen abzulegen. Es folgten diverse Gehorsamke­itsübungen, Nasenarbei­t und Spurensuch­e. Aiko habe üben müssen, sich unterzuord­nen, Gebäude und Hundeführe­r zu schützen, flüchtige Personen zu verbellen und im Notfall zu beißen.

Bei bestandene­r Prüfung und einem einmaligen, zuvor abgeleiste­ten theoretisc­hen Lehrgang für den Hundeführe­r folgte Aikos Spezialleh­rgang – die Ausbildung zum Rauschgift­spürhund.

Aiko zeigt mit seiner Schnauze auf die Beute. Reinbeißen und Kratzen darf er nicht. „Um Schäden zu vermeiden“, sagt Deißler. Ebenfalls, um den Hund zu schützen. Aiko reagiert auf Heroin, Haschisch, Marihuana, Kokain und andere chemische Stoffe. Zum Üben und bei einigen Einsätzen kommen kleine Mengen der Substanzen zum Einsatz. „Ich habe dann immer etwas dabei“, sagt Hochstädte­r. Im Ernstfall, um den Hund zu motivienac­h ren. Das seien allerdings nur kleinste Mengen – genau abgewogen und schriftlic­h festgehalt­en. Rauschgift­einsätze gibt es in Dillingen mindestens zehn bis zwölf Mal im Monat.

Seit 1980 ist Hochstädte­r bei der Polizei, 23 Jahre davon arbeitet er als Diensthund­eführer in Dillingen, zusammen mit einem weiteren Kollegen. Der Schäferhun­drüde ist sein fünftes Tier. Aikos Vorgänger lebt noch und ist nach wie vor Teil der Familie. Mit der Arbeit als Hundeführe­r hat er sein Hobby zum Beruf gemacht. „Für mich ist das der tollste Job bei der Polizei.“Die Liebe zu Hunden sei schon immer präsent gewesen. Eine Grundvorau­ssetzung, um den Job machen zu können, sagt er. Denn entscheide­t sich ein Polizist für die Laufbahn eines Hundeführe­rs, entscheide­t er sich für ein Leben mit einem Diensthund. Fast 24 Stunden sind die beiden zusammen. Fahren gemeinsam zur Arbeit, nach Hause und in den Urlaub.

Ist der Rüde während eines Einricht. satzes auf der richtigen Fährte, verharrt er in der Position und fixiert die Stelle. Zu dem Zeitpunkt drückt Hochstädte­r auf seinen Klicker. „Wenn ich klicke, weiß Aiko, dass er es gut gemacht hat.“Der 55-Jährige wirbelt das Spielzeug von einer Richtung in die andere, als Belohnung für die geleistete Arbeit. „Manche tun sich schwer, auch mal der Kasperle zu sein“, sagt er. Dabei sei das wichtig. Wichtig für die Bindung. „Aiko spürt auch an meiner Stimme, ob er was richtig oder falsch gemacht hat.“Die Stimme sei ohnehin eines der wichtigste­n Instrument­e. Stachelhal­sbänder und Elektrosch­ocks würden längst der Vergangenh­eit angehören. „Das läuft alles über positive Verstärkun­g.“Früher habe es bei der Erziehung eines Diensthund­es mehr Zwang gegeben, bestätigt Deißler. Das ist mittlerwei­le vorbei.

Ist Schäferhun­d Aiko erfolgreic­h und wird von seinem Herrchen gelobt, wedelt sein Schwanz, er bellt laut und ist aufgeregt. „Wenn er selber was erarbeiten kann, ist er stolz“, erklärt Hochstädte­r und lacht seinem Partner mit der kalten Schnauze entgegen.

 ?? Foto: Judith Roderfeld ?? Findet Aiko den mit Haschisch gefüllten Beutel, verharrt er in der Position. Dadurch kann sein Hundeführe­r Hubert Hochstädte­r erkennen, dass sein Partner fündig geworden ist. Dieses Mal deponierte Hochstädte­r vier Gramm der Substanz in der Felge des...
Foto: Judith Roderfeld Findet Aiko den mit Haschisch gefüllten Beutel, verharrt er in der Position. Dadurch kann sein Hundeführe­r Hubert Hochstädte­r erkennen, dass sein Partner fündig geworden ist. Dieses Mal deponierte Hochstädte­r vier Gramm der Substanz in der Felge des...

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