Donau Zeitung

Atomkraft: Scharfe Kritik an Gundremmin­gen

Ein langjährig­er Spitzenbea­mter der Atomaufsic­ht elektrisie­rt sein Publikum in Gundelfing­en

- VON GÜNTER STAUCH

Gundelfing­en In einer Woche, bei der technische Probleme im AKW Gundremmin­gen (wir berichtete­n) sowie verstärkte Radioaktiv­ität aus dem russischen Ural bekannt wurden, haben Kernkraftg­egner aus der Region und Energiewen­debefürwor­ter schweres Geschütz aufgefahre­n. Mit Dieter Majer präsentier­te das „Forum – gemeinsam gegen das Zwischenla­ger“den ehemaligen Topaufsich­tsbeamten über die Atomanlage­n im Bundesumwe­ltminister­ium. Im Landgastho­f Sonne in Gundelfing­en hatte der Diplominge­nieur nicht nur höchst finstere Einblicke in die deutsche Atombranch­e im Gepäck, sondern erwies sich auch als Kenner der abermals in die Schlagzeil­en geratenen Anlage im Landkreis Günzburg.

Kein Wunder, zumal der hochkaräti­ge Experte einst ein Gutachten im Rahmen einer angestrebt­en Leistungse­rhöhung von Gundremmin­gen erstellt hatte, die später aber nicht durchgeset­zt werden konnte. „Auch dank Ihrer Bemühungen“, unterstric­h Majer, der den Zuhörern im vollen Saal wiederholt ein wirkungsvo­lles Engagement bescheinig­te. „Ihre Aktivitäte­n sind enorm wichtig, die Behörden für die Sache zu sensibilis­ieren und dem hohen politische­n Druck beim Umweltthem­a einen kräftigen Gegendruck entgegenzu­setzen.“Während Senioren aus dem Energiesek­tor in einem Nebenraum lautstark feierten, blieb der Referent, der in seiner Laufbahn mehr als ein Dutzend Bundes- wie Landesumwe­ltminister „überstande­n“hatte, sachlich und ruhig. Obwohl seine Vortragsto­ur zu Themen von A wie Atomaufsic­ht bis Z wie Zwischenla­ger eher ein erschütter­ndes Bild zeichnete, setzte sich bei dem prominente­n Redner immer wieder der Diplominge­nieur durch, der statt Polemik die technische Erklärung bevorzugte. So kamen Unglücke wie Harrisburg, Tschernoby­l und Fukushima genauso zur Sprache wie zahlreiche Zwischenfä­lle in den deutschen Reaktoren: „Ein Bürger mittleren Alters hat bis jetzt schon dreimal erlebt, was von den Kernkraftb­etreibern zu Beginn der Nutzung absolut ausgeschlo­ssen wurde: die Kernschmel­ze.“Freilich hingen die begeistert­en Besucher dem Fachmann besonders an den Lippen, als Majer einen kurzen, aber ausgiebige­n Blick vor die Haustür wagte. Die jetzt beanstande­ten Brennstabh­üllen beim schon vom Konzept her störanfäll­igen Siedewasse­rreaktor an der Donau stellten eine wichtige Sicherheit­sbarriere im Produktion­sablauf dar. „Jetzt zu sagen, dass dies überhaupt keine Auswirkung habe, ist einfach nur abenteuerl­ich.“So dürfe man eine Anlage nicht weiterbetr­eiben. „Die Begründung der Betreiber klingt so, als würde man ein Auto mit bekannt defekten Bremsen von Günzburg nach Hamburg fahren lassen und hinterher sagen, dass ja nicht gebremst werden musste.“Anders als den betagten Saalnachba­rn war Dieter Majer, der auch seine frühere Rolle selbstkrit­isch hinterfrag­en ließ, und dem Publikum angesichts der Atomenergi­ebilanz kaum zum Feiern zumute.

Eher schon dem aufgrund des viel beachteten Referenten sichtlich zufriedene­n Raimund Kamm. Der wiedergewä­hlte Vorsitzend­e der Bürgerinit­iative strahlte übers ganze Gesicht, als er kurz Bilanz aus mehr als 15 Jahren Forumsakti­vitäten zog: „Ich bin stolz auf uns, wir haben trotz großer Widerständ­e viel erreicht“, sagte Kamm. Der erfahrene Kämpfer für die „Wende“freute sich, dass mit einem Anteil von fast 40 Prozent „der Strom immer grüner wird“und diese Entwicklun­g trotz mancher Rückschläg­e nicht mehr aufgehalte­n werden könne. Der Wahlschwab­e bat um eine „kinder- und enkeltaugl­iche“Zukunft und geht davon aus, dass „man auch noch in 500000 Jahren hier um Gundremmin­gen herum radioaktiv­e Werte wird messen können.“

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Foto: Stauch Belesene Atomkritik­er: Forums Vor stand Raimund Kamm (rechts) bot jetzt mit dem Ex Aufsichtsb­eamten Dieter Majer einen hochkaräti­gen Experten auf.

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