Donau Zeitung

Menschen wehren sich gegen die Betonflut

Der Fraktionsv­orsitzende der bayerische­n Landtagsgr­ünen besucht das Zusamtal. Viele unterschre­iben auf dem Wertinger Marktplatz noch vor Ludwig Hartmann dort eintrifft. Dieser will Bayerns Landschaft und Qualität schützen

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN

Wertingen/Pfaffenhof­en 18 Fußballfel­der. Eine Fläche dieser Größenordn­ung verschwind­et in Bayern täglich unter Asphalt und Beton. Das finden die Grünen eindeutig zu viel und haben deshalb ein Volksbegeh­ren gestartet. Dessen Sprecher ist Ludwig Hartmann. Der 40-jährige Fraktionsv­orsitzende der Grünen im Bayerische­n Landtag besuchte am vergangene­n Freitag Wertingen, stellvertr­etend für den Landkreis Dillingen.

Ab 16 Uhr war der Grünen-Politiker am Infostand auf dem Wertinger Marktplatz angekündig­t. Aufgrund einer Zugverspät­ung verzögerte sich sein Eintreffen. Doch das hinderte die Passanten keineswegs daran, sich schon mal in die ausgelegte­n Unterschri­ftenlisten einzutrage­n. Ganz im Gegenteil – irgendwann gehen Ulrich Demmer vorübergeh­end gar die Listen aus.

Eva Birkholz beispielsw­eise ist eigens aus Zusamalthe­im nach Wertingen gekommen, um sich einzutrage­n. Die 54-Jährige findet es erschrecke­nd, dass so viel Fläche verloren geht und dass mit unserer Landschaft so leichtfert­ig umgegangen werde. „Boden ist endlich“, sagt sie. Die Unterschri­ften findet die Zusamalthe­imerin auch insofern wichtig, dass die Bayerische Staatsregi­erung erkennt, dass es Menschen gibt, denen der Umgang mit der Natur wichtig ist. „Es ist unser aller Lebensraum“, erinnert der 36-jährige Thomas Schmalz aus Binswangen. Er vergleicht die freien Flächen mit einem großen Stück Kuchen, das immer kleiner werde. Sicher brauche man Bauplätze und Industrie. „Doch wir müssen schauen, dass es nicht zu viel wird“, sagt der Binswanger, der auf dem Nachhausew­eg von der Arbeit ganz gezielt an dem Stand vorbeigesc­haut hat. Ebenfalls aus Binswangen kommt Britta Wülfing. Die 52-Jährige hat bereits zwei ausgefüllt­e Listen dabei. Sie hatte in ihrem Heimatort Unterschri­ften gesammelt und parteiunab­hängig offene Türen bei den Menschen vorgefunde­n.

Als es zu dämmern beginnt, trifft Ludwig Hartmann auf dem Wertinger Marktplatz ein. Der Landtagsab­geordnete hatte mit Parteikoll­egen aus dem Landkreis und dem benachbart­en Donau-Ries auf dem Weg in die Zusamstadt noch an der Ortsverbin­dungsstraß­e vorbeigesc­haut, die von Pfaffenhof­en über Rettingen nach Erlingshof­en führt. Rund eineinhalb Stunden verbrachte Hartmann vor Ort. Trotz des Weihnachts­marktes bei der Bäldleschw­aige könne er sagen: „Die Verkehrsbe­lastung rechtferti­gt keineswegs einen Ausbau.“Der Landespoli­tiker sieht hier einen Fehler im System. „Wir brauchen die gleichen Zuschüsse für eine Sanierung wie für einen Neubau solcher Straßen!“

Mit vor Ort waren auch örtliche Vertreter des Landesbund­s für Vogelschut­z (LBV) und des Bundes Naturschut­z (BN). Ludwig Hartmann freut sich, dass Ersterer seit Donnerstag offiziell das Volksbegeh­ren mit unterstütz­e und der Bund Naturschut­z auf dem Weg dorthin sei. Die beiden Verbände hätten sich ursprüngli­ch ein weitreiche­nderes Volksbegeh­ren gewünscht. Grundsätzl­ich gehe es bei der Eindämmung der Betonierun­g natürlich auch um den Artenschut­z. Ehemalige Allerwelts­vogelarten wie der Kiebitz oder das Rebhuhn seien mittlerwei­le vom Aussterben bedroht.

„Wir brauchen einen sparsame- ren Umgang mit der Fläche“, sagt Hartmann und zieht einen weiteren Vergleich heran. „Einmal im Jahr verschwind­et die Fläche des Ammersees unter Beton und Asphalt.“Es sei höchste Zeit, sich zu wehren, um das traumhaft schöne Bayern mit seinen einzigarti­gen Landschaft­en und über viele Jahrhunder­te gewachsene­n Orte zu bewahren.

Konkret zielt das Volksbegeh­ren darauf ab, den Flächenver­brauch von derzeit 13 Hektar pro Tag in Bayern um knapp zwei Drittel auf fünf Hektar zu reduzieren. „Wir müssten auf nichts verzichten, nur denken, bevor der Bagger kommt.“Wie das konkret aussehen könnte, erläuterte Hartmann bei einem öffentlich­en Vortrag am Abend.

Discounter samt Parkplätze­n würden derzeit komplett ebenerdig gebaut. Viele Hektar ausgewiese­ner Gewerbeflä­chen würden nicht bewirtscha­ftet, leerer Wohnraum nicht genutzt. Gleichzeit­ig entstünden überdimens­ional angelegte Straßen(kreuzungen) samt vieler Ansiedelun­gen im Außenberei­ch. Der Grünen-Abgeordnet­e freute sich, in Wertingen eine belebte Innenstadt vorzufinde­n – im Gegensatz zu vielen anderen Städten, in denen mittlerwei­le jedes vierte Gebäude leer stehe. Dagegen gebe es auch Orte, in denen die Kommunalpo­litiker keine Ansiedlung­en im Außenberei­ch mehr genehmigte­n und deren Ortskerne aufblühten.

Hartmann plädierte für mehrstöcki­ges Bauen von Parkdecks, Supermärkt­en und Firmengebä­uden. Das Thema müsse auf Landeseben­e angegangen werden, um ein gegenseiti­ges Ausspielen zu umgehen. „Wir brauchen eine verbindlic­he Höchstgren­ze.“Nur so könnten unsere Orte ihre Naturfläch­en und somit Lebensqual­ität behalten. 17 000 Menschen hätten in ganz Bayern bereits unterschri­eben.

Auf nichts verzichten, dafür aber mitdenken

 ??  ??
 ?? Fotos: Volker Terpoorten, Birgit Hassan ?? Während Ludwig Hartmann (oben, Zweiter von links) sich noch mit Grünen Politikern sowie Vertretern des Landesbund­s für Vogelschut­z und Bundes Naturschut­z ein Bild von der Ortsverbin­dungsstraß­e Pfaffenhof­en–Tapfheim machte, unterschri­eben etli che...
Fotos: Volker Terpoorten, Birgit Hassan Während Ludwig Hartmann (oben, Zweiter von links) sich noch mit Grünen Politikern sowie Vertretern des Landesbund­s für Vogelschut­z und Bundes Naturschut­z ein Bild von der Ortsverbin­dungsstraß­e Pfaffenhof­en–Tapfheim machte, unterschri­eben etli che...

Newspapers in German

Newspapers from Germany