Donau Zeitung

Er brachte die erste Pizza nach Wertingen

Mit dem Tod von Filippo Di Stefano verliert die Zusamstadt eine markante Persönlich­keit und ein Stück italienisc­he Geschichte. Vor vier Jahrzehnte­n wirbelte er die schwäbisch­e Küche mit mediterran­en Gerichten auf

- VON BÄRBEL SCHOEN

Wertingen „Dolce Vita“– schon der Begriff lässt deutsche Seelen dahinschme­lzen. In Wertingen war es Filippo Di Stefano, der Ende der 1970er-Jahre einen ersten Hauch von „Bella Italia“in das Zentrum brachte. Seinen Pizzaofen installier­te er ausgerechn­et in einem urschwäbis­chen Gebäude mit altem Fachwerk – im einstigen Lebensmitt­elgroßhand­el Seiler (neben Drogerie Müller). Seit dieser Zeit verwöhnte „Filippo“, wie ihn die Gäste gerne riefen, die Einwohner mit Pizza und Pasta. Nun ist Wertingens erster Pizzabäcke­r im Alter von 67 Jahren gestorben. Mit seinem Tod verliert Wertingen ein Stück Geschichte.

Es ist die Geschichte einer ewigen Liebe zwischen zwei Kulturen. In der Zusamstadt schlug die Eröffnung der ersten italienisc­hen Pizzeria neben dem früheren Gasthaus „Zum weißen Ross“hohe Wellen. Alfred Sigg, der damalige Zweite Bürgermeis­ter, erinnert sich, als wäre es gestern geschehen: „Der gesamte Stadtrat war zur Eröffnung eingeladen.“Endlich seien auch die Wertinger in den Genuss von Pizza und Spaghetti gekommen. „Es war fast eine aufsehener­regende Geschichte.“Endlich mussten Sigg und die Zusamstädt­er nicht mehr in die Nachbarstä­dte Dillingen und Augsburg fahren, um Köstlichke­iten aus der „Cucina d’ Italia“zu bekommen. Die Gastronomi­e erlebte mit der neu eröffneten „Pizzeria Romana“eine echte Bereicheru­ng. „Der Zulauf war riesengroß, denn neben Schweinsbr­atwürstche­n gab’s jetzt noch etwas anderes“, erzählt Alfred Sigg. Für ihn selbst liegt das Glück in der langen, dünnen Nudel: „Bis heute liebe ich Spaghetti mit ganz viel Knoblauch.“

Filippo Di Stefano war bereits 1964 als 14-Jähriger nach Deutschlan­d gekommen. Er stammte aus Mirabella-Imbaccari im sizilianis­chen Hochland. „Ich kam in eine für mich völlig andere Welt“, er- zählte er einmal in der WZ. Der Sizilianer war jung und wollte raus aus der Enge der zehnköpfig­en Familie, etwas erleben. Zunächst zog es ihn nach Giengen an der Brenz zu seiner älteren Schwester. Anfangs arbeitet er bei der Firma Bosch am Fließband und hilft abends in einer Pizzeria aus. Er versteht kein Wort Deutsch. Von seinem verdienten Geld richtet er sich Mitte der 70erJahre in Giengen seine erste eigene Pizzeria ein. Im November 1978 zieht er mit seiner Frau Ute, die er in Giengen kennengele­rnt hat, und mit der erstgebore­nen Tochter Giusi nach Wertingen, um hier sein „Ristorante“zu eröffnen.

Zu jener Zeit leben hier nur wenig Ausländer, ein Jugoslawe und zwei Türken sowie ein weiterer Italiener in der Zusamstadt. „Es muss damals kalt gewesen sein“, erinnerte er sich später. Die Liebe zu seiner Frau Ute half ihm damals, die Sprache zu erlernen und im Städtle Fuß zu fassen.

Als Ausländer habe er sich nie gefühlt, erzählt Giusi Di StefanoSch­wendemann heute. Die Wertinger hatten den Sizilianer herzlich aufgenomme­n. Und auch die Jugend kehrte gern bei „Filippo“ein. „Er liebte Kinder über alles“, so die Tochter. Mittags holten sich viele gern noch eine Pizza, bevor sie mit dem Bus nach Hause fuhren. Dabei gab’s stets ein charmantes „Ciao“und sein spitzbübis­ches Lächeln. Nach 23 Jahren im Fachwerkha­us musste Filippo 2001 in das Gasthaus „Zum Schwanen“umziehen. Dort blieb er bis 2015, um sich dann zur Ruhe zu setzen. Allerdings nur kurz. „Mein Vater ohne Pizzeria, das ging gar nicht“, schildert Tochter Giusi. Fast das ganze Familienle­ben habe in der Pizzeria stattgefun­den. So wagte er vor einem Jahr noch einmal mit „Oliviera“einen Neuanfang. Ein Mal jährlich zog es den Sizilianer in den Süden zu seiner Familie. Doch Wertingen wurde ihm letztendli­ch zur Heimat, sagt Tochter Giusi. Deshalb soll Filippo Di Stefano auf dem Wertinger Friedhof seine letzte Ruhe finden. Vor einer Woche ist er im Augsburger Klinikum nach längerer Krankheit gestorben. In zwei Monaten wäre der Pizzabäcke­r zum ersten Mal Großvater geworden. „Er wäre ein cooler Opa gewesen“, bedauert die Familie den frühen Tod. Am Freitag wurde Filippo Di Stefano in Wertingen zu Grabe getragen.

„Der Zulauf war riesengroß, denn neben Schweinsbr­at würstchen gab es jetzt auch Pizza und Pasta.“Alfred Sigg, damaliger Zweiter Bürgermeis­ter

 ??  ??
 ?? Fotos: Stadtarchi­v/Familie Di Stefano ?? So kannten ihn die Wertinger: Filippo Di Stefano, erster Pizzabäcke­r. Die Anfänge reichen bis ins Jahr 1978 zurück. Damals er öffnete der Sizilianer unter großem Aufsehen die erste Pizzeria (schwarz weiße Bilder) im Geschäftsh­aus des ehemaligen Lebens...
Fotos: Stadtarchi­v/Familie Di Stefano So kannten ihn die Wertinger: Filippo Di Stefano, erster Pizzabäcke­r. Die Anfänge reichen bis ins Jahr 1978 zurück. Damals er öffnete der Sizilianer unter großem Aufsehen die erste Pizzeria (schwarz weiße Bilder) im Geschäftsh­aus des ehemaligen Lebens...
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany