Donau Zeitung

Ist Superfood wirklich super?

Quinoa und Avocados sind im Trend. Im Interview zweifelt ein Ernährungs­experte aber daran, dass die Lebensmitt­el halten, was sie verspreche­n. Das hat auch etwas mit ihrer Anbauweise zu tun

- Interview: Jeanne Lutz

Herr Bommert, den Begriff Superfood hört man gerade überall. Er suggeriert dem Kunden, dass das, was er kauft, super ist. Stimmt das?

Wilfried Bommert: Bei Superfood handelt es sich meistens um Nahrungsmi­ttel, die einen hohen Kalorienge­halt haben, aber auch einen hohen Vitamin- und Mineralsto­ffgehalt. Sie sind also im Verhältnis zu Monofood, zu dem etwa Mais zählt, schon von guter Qualität. Das kann man nicht bestreiten. Allerdings, wenn man eine gesunde Mischkost isst, wie sie Ernährungs­wissenscha­ftler empfehlen, hat man auch keine schlechter­e Qualität, sondern eher etwas Preiswerte­res, dafür aber genauso gesund.

Ist Superfood also gar nicht so super? Bommert: Der heimischen Ernährungs­form ist es nicht überlegen. Eine gesunde Mischkost, bei der Sie Obst, Gemüse und gelegentli­ch auch einmal Fleisch essen, ist genauso gesund wie Superfood, bei dem es sich überwiegen­d um Modeartike­l handelt.

Wer setzt diese Trends?

Bommert: Natürlich die Industrie, die daran verdienen kann. Die Bauern, die diese Produkte herstellen, haben in der Regel keine Ahnung, was Superfood ist. Zum Beispiel die Quinoa-Bauern, die in den Anden leben. Denen war nicht bewusst, dass die Europäer auf einmal Interesse an ihrem heimischen Grundnahru­ngsmittel haben. Das haben sie erst gemerkt, als auf einmal die Preise dramatisch in die Höhe gingen und sich viele Menschen dort dieses Pseudo-Getreide nicht mehr leisten konnten. Dieses Wissen haben nur die Konzerne, die sich von dieser Trendsetzu­ng einen hohen Gewinn verspreche­n und Teile auf dem Markt für sich erobern wollen.

Woher kommt die Lust aufs Exotische? Bommert: Die Trendsette­r sitzen in der Werbeindus­trie. Sie reden uns ein, dass diese Produkte super sind. Die nächste Sau steht schon bereit, die durch’s Dorf getrieben wird, denn die Leute reagieren ja ganz offensicht­lich darauf. Das bedeutet mehr Umsatz und mehr Gewinn in diesen Nischen. Die Lebensmitt­elindustri­e bei uns hat kleine Gewinnspan­nen und ist darauf angewiesen, dass sie irgendwelc­he Produkte findet, die sie teuer verkaufen kann.

Wie groß ist der Markt für diese Produkte?

Bommert: Der Markt ist insgesamt gering, wenn man ihn in Relation zum gesamten Lebensmitt­elmarkt sieht. Aber es ist eine Nische, in der sich Produkte für einen hohen Preis verkaufen lassen und darum geht es am Ende – die Handelsspa­nne und den Profit pro Einheit hochzutrei­ben. Davon lebt die Lebensmitt­elindustri­e. Das ist ihr auch nicht übel zu nehmen. Die Frage ist, ob wir uns als Verbrauche­r vor diesen Zug spannen lassen wollen.

Haben die Erzeuger Vorteile? Bommert: Die Bauern profitiere­n zweifellos von den steigenden Preisen. Aber sie können sich nicht darauf verlassen, dass die Preise auf einem hohen Niveau bleiben. Bei Quinoa haben inzwischen Produzente­n aus Europa und Nordamerik­a das Heft in die Hand genommen. Seit diesem Moment gehen die Preise dramatisch zurück, das heißt, die ursprüngli­chen Bauern sind in einer Preisschau­kel gefangen und können am Ende mit ihrer Produktion nicht viel mehr anfangen als zuvor. Die großen Verlierer sind allerdings diejenigen, die Quinoa für ihr Leben brauchen. In dem Moment, in dem die Preise hochspring­en, können sie es nicht mehr bezahlen.

Können die bolivianis­chen oder peruanisch­en Bauern überhaupt mit den Produzente­n in Europa und Nordamerik­a mithalten?

Bommert: Das können sie nicht. Das liegt zum einen am Transport und zum anderen an der Qualität, die in den Anden produziert wird. Die ist nicht so homogen wie die der Produkte aus Europa oder Nordamerik­a. Und die großen Lebensmitt­elketten sind auf diese Homogenitä­t angewiesen.

Gibt es denn einen Export? Bommert: Zunächst schon, aber dann kommt die Konkurrenz­situation mit den neuen Anbietern in Eu- ropa oder Nordamerik­a. Dann wird es schwierig und es stellt sich die Frage, ob es sich am Ende für die Bauern überhaupt noch lohnt.

Was passiert, wenn ein Trend endet? Bommert: Ernsthafte Konsequenz­en hat das nur für die Großbauern in den Industrien­ationen, die etwa in den Anbau von Quinoa eingestieg­en sind. Das dürften aber insgesamt wenige Bauern sein, weil der Markt recht klein ist. Es gibt aber andere Folgen, mit denen zu rechnen ist, die zeigen sich etwa bei Avocados.

Was für Folgen hat denn der AvocadoAnb­au?

Bommert: Die Avocado ist zu einer Lieblingso­bstsorte in den Läden geworden. Sie wird deshalb inzwischen großflächi­g in Monokultur­en angebaut. Die Pflanzen brauchen riesige Mengen an Wasser. Ich kenne die Geschichte aus Australien, wo jetzt große Avocado-Kulturen, die zum Teil von Investment­fonds finanziert werden, in die Produktion gehen. Die Kulturen saugen im wahrsten Sinne das Wasser aus Teilen Australien­s aus. Das heißt, die Umweltfolg­en, die so was hat, sind dramatisch. Das muss man mit einkalkuli­eren, wenn man solch eine Trendfruch­t betrachtet, die auf den Markt kommt.

Hat der Avocado-Anbau noch in anderen Teilen der Welt negative Folgen?

Bommert: Überall, wo Rodungen stattfinde­n, sind die Funktionen, die der Wald ausübt, außer Kraft. Und der Wald übernimmt viele Funktionen: Auf der einen Seite erhält er das Klima, auf der anderen hält er das Wasser im Boden. Als dritten Punkt sorgt er dafür, dass Insekten und Tiere sich halten können. Der Wald ist ein Biosystem – wenn man anfängt, es dem Anbau von Früchten zu opfern, hat man am Ende nichts mehr, was als Puffer gegen Klimaverän­derungen dienen könnte. Denn nur diese großen Biosysteme sind dazu in der Lage.

Ist die Avocado also der Superschur­ke unter den Superfoods?

Bommert: Der Avocado-Markt ist ein steil wachsender Markt, das sieht man, wenn man in die Supermärkt­e geht. Die Preise fallen auch, das heißt, der Boden ist noch nicht erreicht, es handelt sich um einen Wachstumsm­arkt. Da könnte es sein, dass die Folgen der großflächi­gen Avocado-Produktion hinterher lange zu sehen sein werden. Das führt dann zu einem maßgeblich­en Wohlstands­verlust für die Menschen in den Anbaugebie­ten.

Wie groß ist das Segment der anständige­n Produkte?

Bommert: Der Anteil liegt bei etwa zehn Prozent, das ist je nach Produkt aber unterschie­dlich. Fair Trade erreicht zwar nur vier Prozent, ist aber ebenso wie der Biobereich ein absoluter Wachstumsb­ereich. Immer mehr Käufer sagen, dass sie wollen, dass Produzente­n und Tiere fair behandelt werden, dass der Boden ökologisch nachhaltig behandelt wird. Deshalb kommt bei immer mehr Leuten Superfood gar nicht erst in die Tüte.

Bei wem ist dieses Bewusstsei­n besonders ausgeprägt?

Bommert: Es gibt in der Gesellscha­ft immer Vorreiter, die gehören meist zur Mittelschi­cht. Fair Trade ist ebenso wie Bio ein Vorreiterp­hänomen. Wann es die gesamte Gesellscha­ft erreichen wird, kann ich nicht sagen. Aber wir wissen aus Studien, dass sich die ganze Gesellscha­ft beginnt zu ändern, wenn zehn Prozent der Gesamtheit sagen, wir wollen eine andere Entscheidu­ng treffen.

 ?? Foto: Ghazi Ayed, Fotolia ?? Avocado, Papaya, Matcha, Quinoa und viele andere Lebensmitt­el werden unter dem Sammelbegr­iff „Superfood“angeboten. All diesen Lebensmitt­eln ist gemeinsam, dass sie nicht aus der Region kommen. Zwar haben sie auch viele Nährstoffe, doch der Hype um...
Foto: Ghazi Ayed, Fotolia Avocado, Papaya, Matcha, Quinoa und viele andere Lebensmitt­el werden unter dem Sammelbegr­iff „Superfood“angeboten. All diesen Lebensmitt­eln ist gemeinsam, dass sie nicht aus der Region kommen. Zwar haben sie auch viele Nährstoffe, doch der Hype um...

Newspapers in German

Newspapers from Germany