Wird die Sparkasse ihrer Verantwortung gerecht?
Der Landsberger Rainer Gottwald fordert: Die Sparkasse muss Gewinne an Kreis und Kommunen ausschütten. Thomas Schwarzbauer, Vorstandsvorsitzender der Dillinger Bank, sagt: Gottwald erzählt nur einen Teil der Geschichte
Landkreis Die Zahlen, mit denen der Landsberger Rainer Gottwald in seinen Vorträgen hantiert, wirken beeindruckend. Es geht um Millionen, um Geld, das die Sparkassen erwirtschaften und das sie – so erklärt er es – an ihre Träger, also die Kreise und Kommunen, ausschütten müssten. Gottwald war kürzlich auch im Landkreis zu Gast. Vor einem Publikum, das – je nachdem, wen man fragt – eine Größe zwischen zwölf und 25 Personen umfasste, legte er dar, wie unsozial sich die Dillinger Sparkasse seiner Meinung nach verhält.
Seine Rechnung geht folgendermaßen: 2016 hätten mehr als zwei Millionen Euro an die Träger ausgeschüttet werden können oder sogar müssen. Die Träger der Dillinger Kreis- und Stadtsparkasse sind der Landkreis, die vier Donaustädte und die Stadt Wertingen. Wenn die Sparkasse Geld ausschüttet, wird das an die Träger nach deren Anteilen verteilt. Für die Summe, die Gottwald errechnet hat, ergäbe das: An den Landkreis gingen rund 300 000 Euro, an die Stadt Dillingen etwa 570 000 Euro, an die Stadt Lauingen etwa 440 000 Euro, an die Stadt Gundelfingen etwa 440 000 Euro, an die Stadt Höchstädt etwa 350 000 Euro und an die Stadt Wertingen etwas mehr als 40 000 Euro. Eine Menge Geld, das die Kommunen gut brauchen könnten. Nun hat die Sparkasse kein Geld ausgeschüttet, sondern ihre Gewinne den Rücklagen zugeführt beziehungsweise in einen Fonds gesteckt, der für Risikofälle angelegt wurde. Obwohl es der Bank wirtschaftlich gut zu gehen scheint. Gottwalds Argumentation: Die Bank übertrifft die Vorgaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), deshalb sei es nicht nötig, weiteres Eigenkapital anzulegen.
Tatsächlich liegt die Dillinger Sparkasse über den BaFin-Vorgaben. Der entscheidende Wert ist das Verhältnis von Eigenkapital zu sogenannten risikogewichteten Aktiva – das sind Kredite, die mit weniger als 100 Prozent Sicherheit bewertet sind. Den nötigen Wert erhöht die BaFin momentan, aktuell liegt er bei etwa 13 Prozent. Die Dillinger Sparkasse übertrifft diesen Wert, sie liegt bei rund 15 Prozent. Gibt es also keinen Grund für die Sparkasse, weiteres Eigenkapital anzuhäufen?
Der Vorstandsvorsitzende der Bank, Thomas Schwarzbauer, hält es nicht nur für in Ordnung, sondern für existenziell wichtig, dass die Bank ihre Gewinne aktuell nicht ausschüttet. „Das Sparkassenrecht beschreibt, dass Gewinne ausgeschüttet werden können. Nirgends steht, dass sie ausgeschüttet werden müssen“, sagt er. Und: „Die Funktionsfähigkeit der Sparkasse steht immer im Vordergrund.“Gottwald vergesse schlicht, dass die 13 Prozent, auf die er sich bezieht, nicht mehr seien als „die Eintrittskarte“, um überhaupt als Bank arbeiten zu können. Es sei Säule I, aber das sei bei Weitem nicht alles.
Denn einmal jährlich wird jede Bank überprüft. Je nachdem, wie die Prüfung verläuft, kann die BaFin von der Bank fordern, zusätzliches Eigenkapital anzulegen. So könnte es jederzeit sein, dass die Bank plötzlich nicht mehr 13 Prozent, sondern 14 oder gar 15 Prozent nachweisen muss. Allein ein Prozent würde einer Summe entsprechen, für die die Dillinger Sparkasse jahrelang arbeiten müsste. Auf so einen Fall müsse die Sparkasse vorbereitet sein, erklärt Schwarzbauer.
Darüber hinaus gibt es die Säule II. Es geht um Geld, das im Falle eines noch unwahrscheinlicheren Risikos vorhanden sein muss. Dafür ist der sogenannte Fonds für allgemeine Bankrisiken nötig, den die Sparkasse seit Jahren aufbaut.
„Wir haben nichts zu verstecken“, sagt Schwarzbauer. Die Zahlen, auf die Gottwald sich bezieht, sind öffentlich. Und die Entscheidung, ob letztendlich Geld ausgeschüttet wird oder nicht, trifft nicht der Vorstand, sondern der Verwaltungsrat. Dessen Vorsitzender ist Landrat Leo Schrell, außerdem sit- zen in dem Gremium die Bürgermeister der Trägerstädte. Schwarzbauer sagt: „Wir können nur eines nicht: Gewinne doppelt verwenden.“Eigenkapital aufstocken, um sich abzusichern, und gleichzeitig Geld ausschütten, das gehe nicht. Es sei auch nicht so, als tue die Sparkasse nichts fürs Allgemeinwohl. Rund 250000 Euro im Jahr spende die Bank für gemeinnützige Zwecke.
Die eingangs erwähnten Zahlen von Gottwald vermitteln laut Schwarzbauer ebenfalls ein falsches Bild. Der Sparkassenvorstand und der Sparkassenkritiker rechnen mit unterschiedlichen Werten. Es geht wieder um das Verhältnis von Eigenkapital zu Risikoaktiva. Dieser Wert entscheidet laut Sparkassenordnung darüber, wie viel Prozent des Gewinns ausgezahlt werden könnten. Gottwald rechnet hier mit den zuvor erwähnten 15 Prozent. Schwarzbauer allerdings mit einem Wert von 9,9 Prozent. Dieser kommt zustande, weil Schwarzbauer hier nur die Rücklagen als Eigenkapital in die Rechnung aufnimmt,
Die Sparkasse will ihr Eigenkapital erhöhen
Gottwald aber zusätzlich das Geld, das die Bank im Fonds für Bankenrisiken angelegt hat. Schwarzbauer erklärt, warum der Fonds in diesem Fall keine Rolle spiele: Anders als beim von der BaFin geforderten Kapital ist hier nicht mehr das Bankenaufsichtsgesetz entscheidend. Die Ausschüttungsregelungen sind in der Sparkassenordnung festgeschrieben. Dafür gelten laut Schwarzbauer einzig und allein Rücklagen, nicht der Fonds.
Durch die verschiedenen Berechnungen unterscheidet sich der Anteil des Gewinns, der ausgeschüttet werden kann. Laut Gottwald sind es 75 Prozent, so kommt er auf seine Summe von rund zwei Millionen Euro. Laut Schwarzbauer sind es nur 25 Prozent – rund 700 000 Euro. Hinzu komme, dass die Kommunen auf die Ausschüttungen etwa 30 Prozent Steuern zahlen müssten. Für den anteilsmäßig größten Träger, die Stadt Dillingen, würden sich noch rund 150000 Euro ergeben. Bei Wertingen wären es etwa 10 000 Euro. Gottwald schreibt dazu: „Die Auslegung des Sparkassenverbands ist rechtlich falsch.“Auch der Betrag des Fonds sei ausschüttungsfähig. In seinen Vorträgen geht er auch auf Steuern ein, die auf Ausschüttungen anfallen. Er schreibt, es seien lediglich rund 20 Prozent. Gottwald fordert von der Bundespolitik, auf Ausschüttungen keine Steuer zu erheben, wie es bis in die 1970er-Jahre bereits der Fall war.
Doch egal, wie hoch die Ausschüttungen wären: Gottwald ist der Meinung, dass die Sparkassen nicht die Wahl haben, mit ihrem Gewinn das Eigenkapital zu stärken, sondern den Gesetzen nach ausschütten müssten. Er hat in allen Regierungsbezirken Bayerns Beschwerde eingelegt – denn das, was die Dillinger Sparkasse tut, ist gängige Praxis. Als Erstes reagierte die Regierung von Niederbayern – und bescheinigte den Sparkassen, richtig gehandelt zu haben. Eigenkapital aufzubauen sei wünschenswert und notwendig. Über die Reaktion der Regierung von Niederbayern zeigte sich Gottwald damals entsetzt.