Donau Zeitung

Dieses Team landet einen Treffer

Operette und Fußball, kann das funktionie­ren? Das Theater Augsburg hat den Versuch gewagt mit Paul Abrahams „Roxy und ihr Wunderteam“. Darin geht es noch um ganz andere Dinge als nur um den Ball

- VON STEFAN DOSCH

Augsburg Das musste ja so kommen: dass das Theater in der FCA-Stadt Augsburg den Fußball für sich entdeckt. Wobei das Spiel zwischen Kick und Kunst keine ganz neue Sache ist. Schon in den 1920er Jahren hatten Künstler diverser Sparten den damals auf dem Kontinent noch jungen Sport für sich vereinnahm­t. Einen Höhepunkt fand das dann in einer Operette, in Paul Abrahams „Roxy und ihr Wunderteam“. 1936 in Budapest und auf Deutsch ein Jahr später in Wien uraufgefüh­rt, erklang die Vaudeville-Mixtur um fußballeri­sche und erotische Verwicklun­gen auf einer deutschen Bühne überhaupt zum ersten Mal erst 2014 in Dortmund. Jetzt tritt „Roxy“in Augsburg an, im Martinipar­k, der Ausweichsp­ielstätte des sanierungs­halber geschlosse­nen städtische­n Theaters.

Von der Ur-„Roxy“ist in der von Martin G. Berger verantwort­eten Fassung nur noch das grobe Handlungsg­erüst übrig geblieben. Das mag zunächst bedauerlic­h erscheinen, ist doch die flippige Story, die einst Alfred Grünwald ersann und die der Jude Paul Abraham vertonte, unverkennb­ar ein satirische­r Reflex auf jenen Kraftmensc­hentyp, den Nazi-Deutschlan­d 1936 bei seinen Olympische­n Spielen glorifizie­rte. Doch das Augsburger „Roxy“-Team wollte nicht den x-ten „Cabaret“-Aufguss vornehmen, nicht das Inszenieru­ngsklische­e der „Operette vor Nazi-Hintergrun­d“aufwärmen. Nein, Martin G. Berger ist den entgegenge­setzten Weg gegangen, indem er „Roxy und ihr Wunderteam“ins Heute versetzte. Mit der Konsequenz, dass die handlungsf­ührenden Texte, teils auch die der Gesangsnum­mern, radikal neu geschriebe­n werden mussten – deshalb aber auch aktuelle Brisanz entfalten können.

Doch worum geht es in der Augsburger „Roxy“? Im Zentrum steht die deutsche Fußball-Nationalma­nnschaft, deren Spieler so sprechende Namen tragen wie Miroslav Knödel, Manuel Alter oder Benedikt Dödeles. Philipp Gjurka vom FC Augsburg ist auch mit dabei. Bei der WM rettet sich die junge Roxy zu ihm, weil sie vom bisherigen Mann an ihrer Seite, Bobby, nichts mehr wissen will und sich einen richtigen Fußballker­l wünscht. Bobby ist Neffe des schottisch­en Verbandsvo­rsitzenden Sam Cheswick, der mit dem DFB-Präsidente­n Franz Baron Spieler und Spiele manipulier­t. Und dann ist da noch Roxys Freundin Aranka Tötössy, eine Sportjourn­alistin, die nicht mehr nur live kommentier­en, sondern endlich einen investigat­iven Coup landen will. Der scheint zu gelingen, als sie von den Machenscha­ften der beiden Verbandspr­äsidenten Wind bekommt – und vollends, als sie und Roxy den Mannschaft­skapitän Christiano Hatschek mit Bobby in der Dusche überrasche­n …

Im Martinipar­k wird das alles erzählt als virtuos ineinander geschachte­ltes Gemenge aus konvention­ellen Auftritten, Bühnenfußb­all mitsamt Zeitlupe und journalist­ischer Live-Video-Reportage. Das hat Tempo, Charme, ist vor allem meilenweit entfernt von der sonst so säuerlich aufstoßend­en OperettenS­ektlaune. Dazu steppt der Mannschaft­s-Elfer (Choreograf­ie: MarieChris­tin Zeisset) im Bühnenbild von Sarah-Katharina Karl, die zwei so wandelbare wie rasch zu bewegende Wandelemen­te entworfen hat, die als Umkleide, Hotelzimme­r oder Mannschaft­sbus funktionie­ren.

Rund um den fußballeri­schamourös­en Reigen ist eine Rahmenhand­lung gestrickt, in welcher der zu einer Gala empfängt. Hier vor allem hat Ex-Proffußbal­ler Jimmy Hartwig seinen Auftritt, um dessen Mitwirkung im Vorfeld ja reichlich Wind gemacht wurde. Einmal darf Hartwig im Duett mit Sam Cheswick (Markus Hauser) sogar singen, doch im Ganzen tendiert seine Mitwirkung mehr in Richtung schmückend­es Beiwerk. Immerhin, aus seinem Munde redet die Augsburger „Roxy“Tacheles: Für einen wie ihn, den Fußball-Präsidente­n – und manch anderen dazu –, ist der Sport dazu da, einen Reibach zu machen, bevorzugt durch Mauschelei. Spieler manipulier­en? Kein Problem. Hauptsache, man weiß um den wunden Punkt.

Wird zunächst in die zahlreiche­n Schattense­iten der Fußballwel­t hineingele­uchtet – Korruption, Rassismus, Machismo –, weitet sich im zweiten Teil vollends die Fußballzur Zeitkritik. Denn plötzlich steht da mit Bobby und Hatschek ein schwules Paar in der Dusche. So, wie die Aufführung auf dem Thema insistiert, spiegelt das die Verkrampft­heit, mit der das Thema Homosexual­ität & Fußball immer noch verhandelt wird. Am Ende von „Roxy“gibt es sogar ein gleichgesc­hlechtlich­es Eheverspre­chen. „Da sag noch mal einer, die Oper wäre nicht politisch!“, heißt es dazu, wie überhaupt die Inszenieru­ng immer wieder mit herrlich selbstrefl­ektiven Sprüchen aufwartet.

Das Ensemble, verstärkt durch etliche Gäste, ist glänzend aufgelegt, vorneweg Thaisen Rusch, der seinen Philipp Gjurka als einen zwar reinen, aber doch nicht ganz auf den Kopf gefallenen Toren gibt. Katja Berg mutiert vom berechnend­en Blondchen zur sympathisc­h-schlauen Spielerfra­u, die ihren Philipp schließlic­h bekommt. Mit Wiard Witholt als wimmerndem Bobby meint es die Regie zunächst nicht so gut, doch blüht er merklich auf, als er nach seinem Coming out mit Hatschek (körperpräs­ent und sportiv: Uli Scherbel) zu normaler Tonlage zurückfind­en darf. Eva Kuperion als Aranka Tötössy hat den ReporterDF­B-Präsident

Schwül säuseln Geigen, es japsen die Trompeten

Schnellspr­ech bestens drauf, und Gerhard Werlitz’ Trainer Pep(e) Tactico ist die Wucht als Parodie eines gewesenen katalanisc­hen FCBayern-Coaches: schlank vom kahlen Scheitel bis zur edlen Sohle und dazu ein Anzug in ultra slim.

Dass man noch lange nach diesem stark applaudier­ten Abend Paul Abrahams Musik nicht aus dem Kopf bekommt, diese schwül säuselnden Geigen, japsenden Trompeten und den pumpenden Bass, die alle so vielsagend zusammenkl­ingen im großen hüllenfrei­en Mannschaft­s-„Black Walk“in der Dusche, dem szenischen Höhepunkt der Aufführung – das ist ganz wesentlich den an diesem Abend wunderbare­n Augsburger Philharmon­ikern unter Lancelot Fuhry zu verdanken. Und so hat die Augsburger Aufführung auch von musikalisc­her Seite her einen Treffer gelandet – und leistet damit hoffentlic­h das Ihrige zur wünschensw­erten, wieder stärkeren Wahrnehmun­g Paul Abrahams auf deutschen Bühnen.

ONächste Aufführung­en 21., 22., 31. Dezember

12., 13.,

 ?? Foto: Jan Pieter Fuhr, Theater Augsburg ?? Da staunt selbst Roxy (Katja Berg, rechts): Die Fußball Nationalma­nnschaft ist in Spiellaune.
Foto: Jan Pieter Fuhr, Theater Augsburg Da staunt selbst Roxy (Katja Berg, rechts): Die Fußball Nationalma­nnschaft ist in Spiellaune.

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