Donau Zeitung

Nur eine funktionie­rende Bahn hat zufriedene Kunden

Dafür muss sie sich ständig neu erfinden. Auch Milliarden­ausgaben für Hochgeschw­indigkeit sind gerechtfer­tigt, wenn der Nahverkehr nicht vernachläs­sigt wird

- VON JOACHIM BOMHARD bom@augsburger allgemeine.de

Von außen betrachtet erscheint die Deutsche Bahn manchmal wie ein schwerer, in sich unbeweglic­her Koloss. Berichte und Klagen über Verspätung­en, überfüllte Züge oder unzureiche­nde Informatio­nen kleben wie Pech an dem Unternehme­n. Dabei tut es alles, um sich von diesem Image zu lösen und als modernes, konkurrenz­fähiges und umweltfreu­ndlichstes Verkehrsmi­ttel wahrgenomm­en zu werden. Und die Deutsche Bahn hat, was man ihr zugestehen muss, in den vergangene­n 30 Jahren einen grundlegen­den Wandel vollzogen, weg vom trägen Staatsunte­rnehmen hin zum modernen Dienstleis­ter, der im Wettbewerb bestehen muss.

Manchmal ist es aber wie beim Fußball: Es gibt genug Eisenbahne­xperten – echte und selbst ernannte –, die wie kritische Fans ihre Finger in vorhandene Wunden bohren und alles immer noch besser zu wissen glauben als jene, die tagtäglich die Verantwort­ung tragen. Das System Bahn ist in der Tat hochkomple­x, weil viele Rädchen ineinander­greifen müssen. Und um ehrgeizige, imageförde­rnde Angebote wie zeitsparen­de Verbindung­en zwischen den Metropolen machen zu können, sind modernste Technik und Verkehrswe­ge notwendig.

Hier befindet sich die Bahn noch immer in einem Aufholproz­ess, der mit der Fertigstel­lung der Hochgeschw­indigkeits­strecke Würzburg– Hannover und Einführung der ersten ICE-Verbindung­en im Jahr 1991 begann. Seitdem wurde und wird das Netz schrittwei­se erweitert. Die „Verkehrspr­ojekte Deutsche Einheit“, für die Milliarden­summen bereitgest­ellt wurden, haben den Prozess beschleuni­gt. Die Fertigstel­lung der Strecke München–Berlin ist hier ein vorläufige­r Abschluss. Die für den Bau einer vollkommen neuen Strecke zwischen Ebensfeld bei Bamberg und Erfurt ausgegeben­en zehn Milliarden Euro sind aber nur dann sinnvoll investiert­es Geld, wenn es der Bahn damit gelingt, Millionen neuer Kunden zu gewinnen.

Solche Prestigepr­ojekte des Hochgeschw­indigkeits-Zeitalters, zu denen auch Stuttgart 21 zusammen mit der neuen Strecke nach Ulm gehört, sollten jedoch nicht den Blick auf das Brot- und Buttergesc­häft der Bahn versperren: den Nahverkehr mit den treuesten der treuen Bahnkunden. Auch hier hat die Bahn zumindest von der Ausstattun­gsseite her einen Sprung vom miefigen 50er-Jahre-Komfort („Silberling­e“) hin zur Moderne (Triebwagen) leidlich gut vollzogen. Aber das System knirscht, weil es zu Stoßzeiten an seine Grenzen stößt. Auch hier muss stetig weiter investiert werden, um die Kunden bei der Stange zu halten. Denn die sind kritisch und erwarten vor allem dies: ein Höchstmaß an Pünktlichk­eit und Verlässlic­hkeit.

Nur eine Bahn, die sich ständig erneuert, die auch die Möglichkei­ten der modernen Informatio­nstechnolo­gie weitreiche­nd für sich und ihre Kunden ausschöpft, kann im Wettbewerb auf dem Mobilitäts­markt mithalten. Bei ihrer neuen Direktverb­indung zwischen München und der Bundeshaup­tstadt hat sie daher auch technische­s Neuland betreten. Sie hat sich – zumindest auf dem am Wochenende in Betrieb genommenen Abschnitt zwischen Oberfranke­n und Erfurt mitten durch den Thüringer Wald – von den üblichen (Licht-)Signalen verabschie­det. Der Mobilfunk hat die Steuerung und Absicherun­g übernommen. Es ist fast wie bei der fortgeschr­ittenen Modelleise­nbahn, bei der Computer von außen lenken, was sich auf dem Miniatursc­hienennetz abspielt. Das Pech der Bahn: Trotz aller Tests funktionie­rt dieses System in manchem Zug nicht so, wie es eigentlich sollte. Für den Riesen Deutsche Bahn zu Beginn einer neuen Ära ein prestigemä­ßiges Fiasko.

Vom Komfort der 50er Jahre hin zur Moderne

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany