Wiener Operettenseligkeit in Dillingen
Musikverein Mertingen, Bona-Voce-Chor und Solisten präsentieren die „Fledermaus“
Dillingen Seit Jahrzehnten gilt es in progressiven Kreisen als schick, Grabreden auf die Wiener Operettenseligkeit zu halten. Aber im Dillinger Stadtsaal konnte das Publikum sicher sein, dass die „Fledermaus“-Musik von Johann Strauß aus dem Jahre 1874 auch die Smartphone-Epoche mühelos überleben wird.
Denn dort bewiesen professionelle Gesangssolisten, der Bona-VoceSchulchor des Bonaventura-Gymnasiums Dillingen und das Blasorchester des Musikvereins Mertingen, dass der musikalische Esprit der „Fledermaus“-Operette sogar in einer konzertanten Fassung für Blasorchester erhalten bleibt. Dafür sorgte Vasyl Zakopets, ein renommierter, aus Lemberg stammender Dirigent, der mit seinen Aktivitäten auch in der heimischen Region bewiesen hat, dass künstlerischer Glanz nicht nur mit großen Namen erreicht werden kann. Unter seiner Leitung vereinigten sich Solisten, Chor und Blasorchester zu einem Ensemble, das mit Präzision, sinfonischer Geschlossenheit und spürbarer Lust an der ungewöhnlichen Herausforderung alle Schwierigkeiten der Partitur meisterte. Wer befürchtet hatte, dass im Stadtsaal nur ein blechbläserischer Abglanz der Operette geboten werden könne, sah sich von dieser Besorgnis schnell erlöst. Als nach den Anfangstakten der Ouvertüre die Oboe das erste Thema in schönster Sensibilität ankündigte, zauberten die Instrumentalisten anschließend jenen Geist in den Saal, der weltweit mit Charme der goldenen Wiener Ära verknüpft wird. Da war es auch richtig, dass der Dirigent sich nicht auf jene Wettrennen einließ, die bei der Tempowahl vor allem der GaloppPassagen im heutigen Theaterbetrieb üblich geworden sind.
Gestrichen wurden für diese zweieinhalbstündige Aufführung konsequenterweise viele Textpassagen – so auch die schwipsgesteuerte Philosophie des Gefängnisaufsehers Frosch aus dem dritten Akt. Aber die vier Gesangprofis, die zumeist mit der Bayerischen Staatsoper in Verbindung stehen, sicherten allen vokalen Zugnummern uneingeschränkte Wirkung. Susanne Pemmerl, Susanne Grobholz, Sang-Eun Shim und Tobias Neumann gaben den Figuren der Operette jenes Profil, das die Heiterkeit, aber auch die musikalische Originalität der späten K.-u.-k.-Monarchie beschwor. Koloratur und Sentiment, CsárdásRhythmen und Walzerschwung, ironischer Spaß und musikalische Koketterie kamen werkgetreu und mit sängerischer Brillanz zur Geltung. Besondere Bewunderung löste Susanne Pemmerl mit den mühelosen Spaziergängen ihrer Stimme zu Melodiengipfeln aus. Und viel Applaus erhielt auch Sang-Eun Shim für seine Fähigkeit, selbst nur überleitende Abschnitte in seinen Auftritten zu einem Hörerlebnis zu machen.
Der Bona-Voce-Chor, auf den Konzertabend eingestellt von Michael Finck, bereicherte in den Szenen der Orlofsky-Party den Gesamteindruck mit bewundernswerter
Harmonie und uneingeschränktem Wohlklang.
Über den Ablauf der kapriziösen Operettenhandlung informierte zwischen den einzelnen Abschnitten Josef Köber als Moderator. Die vielen Operettenfreunde, zu Beginn begrüßt von Musikvereinsvorstand Josef Brunner, feierten Solisten, Chor und Blasorchester mit kräftigem Schlussbeifall. Und sie taten mit ihrem Besuch auch etwas Gutes, denn ein Teil des Erlöses geht an die
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