Was sie nicht finden, ist verloren
Serie Fingerabdrücke, Mundhöhlenabstriche und Tatwaffen: Was im Kommissariat 7 alles anfällt
Dillingen Auf dem Tisch in der Mitte liegt ein Hammer. Am spitzen Ende des Kopfes ist Blut zu erkennen. Ein großer, schlanker Mann mit blauen Handschuhen, Mundschutz und Haarhaube beugt sich über das Werkzeug und streicht mit einem Wattestäbchen ein wenig Blut ab. Mehr ist nicht zu erkennen, den Raum darf niemand ohne Schutzkleidung betreten. Die Gefahr, dass Spuren verunreinigt, neue verursacht oder vorhandene gar zerstört werden, ist zu groß und würde die ganze Ermittlung beeinflussen. Deshalb schließt Christian Lang wieder vorsichtig die Tür, auf der außen ein Zettel mit der Aufschrift „Spurenuntersuchung Raum 1 Täter“hängt. Es gibt noch einen zweiten Raum, in dem Spuren der Opfer untersucht werden. Vorschrift, erklärt der Kriminalhauptkommissar. Direkt daneben befindet sich das Labor, das Herzstück des Kommissariats 7 der Kriminalpolizei Dillingen. Es darf nur von autorisierten Mitarbeitern betreten werden. Für Ausnahmefälle gibt es eine Liste, um im Zweifelsfall nicht zuordenbare DNA-Spuren erklären zu können.
Jeder Beamte hat seine eigene Schutzausrüstung. In dem kleinen, kargen Raum sind viele hohe Schränke. Eine Kamera steht herum, XXL-Pinzetten sind zu sehen, Pulverdosen, Tupfer, Pinsel, verschiedene Lampen mit unterschiedlichen Lichtquellen und ein Kühlschrank kommen hinzu. Ein Kasten mit einer Plexiglasscheibe, die sogenannte Absauganlage, gehört ebenfalls zur Ausstattung des Labors, und die neueste Errungenschaft der Dillinger Kripo, die für Fälle im Landkreis Dillingen und DonauRies zuständig ist, ist der KlimaSchrank. Darin können nichtsichtbare Fingerspuren sichtbar gemacht werden – dazu braucht es eine besondere Brille, eine externe Lichtquelle und die passende Farbe. „Die Spurensicherung ist eigentlich ein komplett neuer Beruf“, sagt Christian Lang und lacht. Wer hier arbeitet, sei ein kleiner Chemiker. In dicken Ordnern, die in den Hochregalen stehen, sind alle Chemikalien und Wirkstoffe aufgeschrieben. „Da können wir spitzeln, wie was mit was reagiert.“Immer nach dem Leitspruch: Auge–Foto–Hand. Erst anschauen, dann Foto machen und zum Schluss anfassen.
Christian Lang muss nicht mehr viel spitzeln. Er weiß, wie die Fingerspuren auf einem gefälschten Überweisungsschein zum Vorschein kommen. Oder der Mundabdruck an einem Weinglas deutlich zu erkennen ist. Lang, 42, arbeitet seit 16 Jahren für die Kriminalpolizei und ist seit 2009 im „K7“in Dillingen tätig. Die Hauptaufgabe: Spurensicherung, auch „Spusi“genannt. „Bei uns pressiert es in der Regel nicht mehr. Wenn wir an einen Tatort kommen, ist alles schon passiert“, so Lang. Deshalb stehe bei ihnen im Kommissariat Qualität über Quantität. Er und seine Kollegen müssen sehr penibel arbeiten sind manchmal Wochen an einem Fall beschäftigt – am Tatort und im Labor. „Wir machen eine Vorauswertung und sind für die Qualitätssicherung zuständig“, erläutert Lang. Zwar können auch die Kollegen der Polizeiinspektion Spuren sichern, sobald der Fall aber eine bestimmte Deliktsqualität überschreitet, landet es bei Lang auf dem Tisch. Es ist eindeutig definiert, wann wer zuständig ist.
Wenn die Untersuchung im K7 fertig ist, werden die Ergebnisse zum Landeskriminalamt oder einer anderen externen Stelle weitergeschickt. Die auswertbaren Spuren, die Daten aus den erkennungsdienstlichen Behandlungen und den DNA-Maßnahmen, gelangen in Datenbanken, wo sie dann recherchiert werden können. Ferner werden nach einer Straftat die gesicherten Spuren mit den berechtigten Spu- renlegern abgeglichen und unmittelbar nach dem Abgleich wieder gelöscht. „Tötungsdelikte sind in unserem Zuständigkeitsbereich Gott sei Dank die Ausnahmen. Häufiger sind Eigentumskriminalität wie beispielsweise Einbrüche, Raub sowie Brandermittlung“, sagt der Kripo-Beamte. Nach dem schweren Brand im Kloster Maria Medingen waren er und seine Kollegen beispielsweise zusammen mit den Spezialisten vom Landeskriminalamt auch vor Ort. „Jeder Tatort ist anders, aber unsere Abläufe immer gleich.“Und dazu gehört, ein wenig wie ein Täter zu denken. Zumindest, so schildert es der erfahrene Beamte, überlege er sich immer, wo Spuren sein könnten, bevor er mit Klebestempel, Klebeband, Gips, Pinsel, Pulver, Foto und Abformmasse loslegt. „Mit den Jahren weiß man, wo man fündig werden kann.“Wichtig: Jede Veränderung am Tatort muss dokumentiert werden, und alle, die zum Tatort Zugang haben, sind in einer extra angelegten Mitarund beiter-Datenbank hinterlegt – um entsprechende Spuren gleich auszuschließen. „Unser Ziel muss es natürlich immer sein, keine eigenen Spuren am Tatort zu hinterlassen, was durch das Tragen einer Vollschutzausrüstung an entsprechenden Tatorten erreicht werden soll. Dass die Arbeit im Vollschutz gerade in den Sommermonaten unangenehm ist, versteht sich wohl von selbst, ist aber unabdingbar, um Kontaminationen am Tatort zu vermeiden.“Vor allem, wenn Zentimeter für Zentimeter eines jeden Tatorts genauestens unter die Lupe genommen werden muss. „Was wir übersehen, kommt möglicherweise nie wieder zum Vorschein“, sagt er.
Glücklicherweise seien bei der Kripo in Dillingen nur wenige große, brisante Fälle ungeklärt. „Aber auch wir können nicht jeden Fall lösen. Oft gibt es einfach keine tatoder täterrelevanten, zuordenbare Spuren.“Trotzdem werden immer wieder auch alte, ungelöste Fälle neu recherchiert. Denn, so Lang, die Spurensicherung hat sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt. Fingerabdrücke werden beispielsweise mithilfe eines Computerprogramms detailliert aufgenommen und gespeichert. Denn neben der Spurensicherung ist auch die Sicherung von Vergleichsmaterial Aufgabe des Erkennungsdienstes. Im Klartext: Bei einer erkennungsdienstlichen Behandlung werden von Wiederholungstätern Fingerund Handflächenabdrücke, Fotos und detaillierte Beschreibungen gefertigt und eventuell auch DNAMaterial erhoben. Auch Gegenüberstellungen gehören zum Alltag von Christian Lang. Alles mit einem Ziel: den oder die Täter schnappen. „Manche Fälle lassen einen nicht los. Man will sie lösen oder zumindest mit seiner Arbeit alles dazu beitragen“, sagt Lang. Denn nicht immer ist der Fall so klar wie der mit dem blutverschmierten Hammer, den Kollege Paul Trennheuser bearbeitet. „Beziehungstat. Frau gegen Mann. Scheinbar schnell gelöst.“