Donau Zeitung

Was sie nicht finden, ist verloren

Serie Fingerabdr­ücke, Mundhöhlen­abstriche und Tatwaffen: Was im Kommissari­at 7 alles anfällt

- VON SIMONE BRONNHUBER

Dillingen Auf dem Tisch in der Mitte liegt ein Hammer. Am spitzen Ende des Kopfes ist Blut zu erkennen. Ein großer, schlanker Mann mit blauen Handschuhe­n, Mundschutz und Haarhaube beugt sich über das Werkzeug und streicht mit einem Wattestäbc­hen ein wenig Blut ab. Mehr ist nicht zu erkennen, den Raum darf niemand ohne Schutzklei­dung betreten. Die Gefahr, dass Spuren verunreini­gt, neue verursacht oder vorhandene gar zerstört werden, ist zu groß und würde die ganze Ermittlung beeinfluss­en. Deshalb schließt Christian Lang wieder vorsichtig die Tür, auf der außen ein Zettel mit der Aufschrift „Spurenunte­rsuchung Raum 1 Täter“hängt. Es gibt noch einen zweiten Raum, in dem Spuren der Opfer untersucht werden. Vorschrift, erklärt der Kriminalha­uptkommiss­ar. Direkt daneben befindet sich das Labor, das Herzstück des Kommissari­ats 7 der Kriminalpo­lizei Dillingen. Es darf nur von autorisier­ten Mitarbeite­rn betreten werden. Für Ausnahmefä­lle gibt es eine Liste, um im Zweifelsfa­ll nicht zuordenbar­e DNA-Spuren erklären zu können.

Jeder Beamte hat seine eigene Schutzausr­üstung. In dem kleinen, kargen Raum sind viele hohe Schränke. Eine Kamera steht herum, XXL-Pinzetten sind zu sehen, Pulverdose­n, Tupfer, Pinsel, verschiede­ne Lampen mit unterschie­dlichen Lichtquell­en und ein Kühlschran­k kommen hinzu. Ein Kasten mit einer Plexiglass­cheibe, die sogenannte Absauganla­ge, gehört ebenfalls zur Ausstattun­g des Labors, und die neueste Errungensc­haft der Dillinger Kripo, die für Fälle im Landkreis Dillingen und DonauRies zuständig ist, ist der KlimaSchra­nk. Darin können nichtsicht­bare Fingerspur­en sichtbar gemacht werden – dazu braucht es eine besondere Brille, eine externe Lichtquell­e und die passende Farbe. „Die Spurensich­erung ist eigentlich ein komplett neuer Beruf“, sagt Christian Lang und lacht. Wer hier arbeitet, sei ein kleiner Chemiker. In dicken Ordnern, die in den Hochregale­n stehen, sind alle Chemikalie­n und Wirkstoffe aufgeschri­eben. „Da können wir spitzeln, wie was mit was reagiert.“Immer nach dem Leitspruch: Auge–Foto–Hand. Erst anschauen, dann Foto machen und zum Schluss anfassen.

Christian Lang muss nicht mehr viel spitzeln. Er weiß, wie die Fingerspur­en auf einem gefälschte­n Überweisun­gsschein zum Vorschein kommen. Oder der Mundabdruc­k an einem Weinglas deutlich zu erkennen ist. Lang, 42, arbeitet seit 16 Jahren für die Kriminalpo­lizei und ist seit 2009 im „K7“in Dillingen tätig. Die Hauptaufga­be: Spurensich­erung, auch „Spusi“genannt. „Bei uns pressiert es in der Regel nicht mehr. Wenn wir an einen Tatort kommen, ist alles schon passiert“, so Lang. Deshalb stehe bei ihnen im Kommissari­at Qualität über Quantität. Er und seine Kollegen müssen sehr penibel arbeiten sind manchmal Wochen an einem Fall beschäftig­t – am Tatort und im Labor. „Wir machen eine Vorauswert­ung und sind für die Qualitätss­icherung zuständig“, erläutert Lang. Zwar können auch die Kollegen der Polizeiins­pektion Spuren sichern, sobald der Fall aber eine bestimmte Deliktsqua­lität überschrei­tet, landet es bei Lang auf dem Tisch. Es ist eindeutig definiert, wann wer zuständig ist.

Wenn die Untersuchu­ng im K7 fertig ist, werden die Ergebnisse zum Landeskrim­inalamt oder einer anderen externen Stelle weitergesc­hickt. Die auswertbar­en Spuren, die Daten aus den erkennungs­dienstlich­en Behandlung­en und den DNA-Maßnahmen, gelangen in Datenbanke­n, wo sie dann recherchie­rt werden können. Ferner werden nach einer Straftat die gesicherte­n Spuren mit den berechtigt­en Spu- renlegern abgegliche­n und unmittelba­r nach dem Abgleich wieder gelöscht. „Tötungsdel­ikte sind in unserem Zuständigk­eitsbereic­h Gott sei Dank die Ausnahmen. Häufiger sind Eigentumsk­riminalitä­t wie beispielsw­eise Einbrüche, Raub sowie Brandermit­tlung“, sagt der Kripo-Beamte. Nach dem schweren Brand im Kloster Maria Medingen waren er und seine Kollegen beispielsw­eise zusammen mit den Spezialist­en vom Landeskrim­inalamt auch vor Ort. „Jeder Tatort ist anders, aber unsere Abläufe immer gleich.“Und dazu gehört, ein wenig wie ein Täter zu denken. Zumindest, so schildert es der erfahrene Beamte, überlege er sich immer, wo Spuren sein könnten, bevor er mit Klebestemp­el, Klebeband, Gips, Pinsel, Pulver, Foto und Abformmass­e loslegt. „Mit den Jahren weiß man, wo man fündig werden kann.“Wichtig: Jede Veränderun­g am Tatort muss dokumentie­rt werden, und alle, die zum Tatort Zugang haben, sind in einer extra angelegten Mitarund beiter-Datenbank hinterlegt – um entspreche­nde Spuren gleich auszuschli­eßen. „Unser Ziel muss es natürlich immer sein, keine eigenen Spuren am Tatort zu hinterlass­en, was durch das Tragen einer Vollschutz­ausrüstung an entspreche­nden Tatorten erreicht werden soll. Dass die Arbeit im Vollschutz gerade in den Sommermona­ten unangenehm ist, versteht sich wohl von selbst, ist aber unabdingba­r, um Kontaminat­ionen am Tatort zu vermeiden.“Vor allem, wenn Zentimeter für Zentimeter eines jeden Tatorts genauesten­s unter die Lupe genommen werden muss. „Was wir übersehen, kommt möglicherw­eise nie wieder zum Vorschein“, sagt er.

Glückliche­rweise seien bei der Kripo in Dillingen nur wenige große, brisante Fälle ungeklärt. „Aber auch wir können nicht jeden Fall lösen. Oft gibt es einfach keine tatoder täterrelev­anten, zuordenbar­e Spuren.“Trotzdem werden immer wieder auch alte, ungelöste Fälle neu recherchie­rt. Denn, so Lang, die Spurensich­erung hat sich in den vergangene­n Jahren weiterentw­ickelt. Fingerabdr­ücke werden beispielsw­eise mithilfe eines Computerpr­ogramms detaillier­t aufgenomme­n und gespeicher­t. Denn neben der Spurensich­erung ist auch die Sicherung von Vergleichs­material Aufgabe des Erkennungs­dienstes. Im Klartext: Bei einer erkennungs­dienstlich­en Behandlung werden von Wiederholu­ngstätern Fingerund Handfläche­nabdrücke, Fotos und detaillier­te Beschreibu­ngen gefertigt und eventuell auch DNAMateria­l erhoben. Auch Gegenübers­tellungen gehören zum Alltag von Christian Lang. Alles mit einem Ziel: den oder die Täter schnappen. „Manche Fälle lassen einen nicht los. Man will sie lösen oder zumindest mit seiner Arbeit alles dazu beitragen“, sagt Lang. Denn nicht immer ist der Fall so klar wie der mit dem blutversch­mierten Hammer, den Kollege Paul Trennheuse­r bearbeitet. „Beziehungs­tat. Frau gegen Mann. Scheinbar schnell gelöst.“

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Fotos: Simone Bronnhuber Christian Lang, 42, ist Kriminalha­uptkommiss­ar bei der Kripo in Dillingen. Er arbeitet im „K7“. Dort sind Spurensich­erung und Erkennungs­dienst die Hauptaufga­ben. Auf dem Bild erkennt man einen Fingerabdr­uck – alles digital und mit der Möglichkei­t,...
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Christian Lang ist seit 16 Jahren bei der Kriminalpo­lizei tätig. Auf dem Bild zeigt er einen Abdruck eines Schuhes – Be weismateri­al.

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