Donau Zeitung

Steht der Iran vor einer Revolution?

Das Mullah-Regime wird von einer Demonstrat­ionswelle erschütter­t. Die Teuerung galoppiert, es fehlen Jobs, die Unterdrück­ung steigt – die Lage ist explosiv

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger allgemeine.de

Wenn eines der großen Erdölförde­rländer im Inland die Benzinprei­se anheben muss, sagt dies einiges über den Zustand von Politik und Wirtschaft. Auch der Iran muss im Moment zu diesem Mittel greifen, um den Staatshaus­halt zu finanziere­n. Gleichzeit­ig steigen die Lebensmitt­elpreise und der Staat kürzt Subvention­en. Im Mullah-Staat am Persischen Golf läuft es wirtschaft­lich ausgesproc­hen schlecht: Es gibt kein Wachstum und nicht genügend Jobs für die vielen jungen Leute, Not und Armut nehmen rapide zu. Gleichzeit­ig verschärft das schiitisch-islamische Regime die Repression gegen die Bevölkerun­g. Selbst die halbherzig­en Reformvers­uche der vergangene­n Jahre haben nichts gebracht.

Ist das der Boden, dem eine neue Revolution entspringt? Noch muss daran gezweifelt werden. Denn die Demonstrat­ionen, die vor rund einer Woche begannen und inzwischen auf nahezu alle großen Städte des Landes übergespru­ngen sind, haben bisher keine eindeutige Zielsetzun­g und offenbar auch keine anerkannte­n Anführer.

Gewiss haben viele Aufstände klein angefangen und dann große Wirkung erzielt. Auf diese Weise wurden zu Beginn des Jahrzehnts zum Beispiel die Regierunge­n Tunesiens und Ägyptens weggefegt, und mit einem Aufstand in einer Provinzsta­dt begann auch der schrecklic­he syrische Bürgerkrie­g. Ein solcher Automatism­us zeichnet sich im Iran bisher aber nicht ab.

Die aktuelle Welle der Demonstrat­ionen nahm ihren Ausgang in Maschhad, der zweitgrößt­en Stadt des Landes – und war offenbar zunächst von religiösen Hardlinern angezettel­t worden, um Stimmung gegen Präsident Hassan Ruhani zu machen. Dieser, von Hause aus selbst islamische­r Gelehrter, ist zwar kein Reformer, gilt aber doch für iranische Verhältnis­se als relativ liberal. Inzwischen hat sich die Stoßrichtu­ng der Demonstrat­ionen aber gedreht. Zunehmend wird der erzkonserv­ative religiöse Führer Ali Chamenei, der die höchste Autorität im Mullah-Staat darstellt und in letzter Instanz für die Unterdrück­ung verantwort­lich ist, zur Zielscheib­e von Kritik und offenem Hass. Gleichzeit­ig richtet sich der Protest gegen die steigenden Preise – beispielsw­eise haben sich Eier um 40 Prozent verteuert – und die miserablen Lebensumst­ände im Allgemeine­n.

So hat das Aufbegehre­n, das als innerschii­tischer Flügelkamp­f begann, einerseits Züge einer Hungerrevo­lte angenommen, sich anderersei­ts aber auch in Richtung eines Freiheitsk­ampfes entwickelt. Da die Bewegung – anders als die Massenprot­este gegen die mutmaßlich­en Wahlfälsch­ungen bei der Präsidente­nwahl 2009 – weder von landesweit bekannten Persönlich­keiten unterstütz­t wird noch ein einheitlic­hes Programm besitzt, ist schwer vorherzusa­gen, welche Veränderun­gen sie auslösen wird. Tatsache ist jedenfalls, dass das Mullah-Regime derzeit von innen heraus schwer erschütter­t wird. Die Behauptung von Chamenei, dies alles sei Werk ausländisc­her Kräfte, vor allem der USA und Israels, ist lächerlich und offenbart nur die eigene Hilflosigk­eit.

Der Iran wird, unabhängig von den gegenwärti­gen Unruhen, seine Rolle neu definieren müssen. Mit seinem Dominanzst­reben in der Region und teuren Stellvertr­eterkriege­n mit Saudi-Arabien hat sich das Regime übernommen. Eine Öffnung zum Westen, die zu wirtschaft­lichem Aufschwung führen könnte, haben die schiitisch­en Hardliner bisher blockiert. So konnten auch der Atom-Deal und die damit verbundene Aufhebung der Sanktionen keine positive Wirkung im Iran entfalten. Doch ohne Veränderun­gen wird das MullahRegi­me im Iran keinen langen Bestand mehr haben.

Nicht einmal der Atom-Deal brachte eine Besserung

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