Das „Haus der offenen Tür“
Binnen fünf Tagen sind insgesamt neun Häftlinge aus der JVA Plötzensee in Berlin geflohen. Besonders peinlich: Der grüne Justizsenator hatte nach dem ersten Ausbruch verstärkte Sicherheitsvorkehrungen angekündigt
Berlin Eine derartige Ausbruchsserie aus einem deutschen Gefängnis ist selten: Neun Gefangene verschwinden innerhalb von fünf Tagen aus dem Gefängnis Plötzensee im Nordwesten Berlins. Die Opposition spricht hämisch vom „Haus der offenen Tür“. Besonders peinlich für Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne): Nach dem spektakulären ersten Ausbruch von vier Männern am Donnerstag hatte er verstärkte Sicherheitsvorkehrungen angekündigt. Dann flohen direkt nach dem Ausbruch sowie am Samstag und Sonntag je ein Häftling aus demselben Gefängnis.
Am Montag kletterten zwei weitere aus dem Fenster einer Nachbarzelle. Diese letzten fünf geflohenen Häftlinge saßen allerdings im sogenannten offenen Vollzug mit genehmigtem Ausgang und weniger strengen Sicherheitsvorkehrungen. Oft gibt es keine Gitter vor den Fenstern und auch keine Zäune. Diese „Entweichungen“, wie die Justiz sie nennt, passieren häufiger.
Behrendt verwies darauf, dass in den vergangenen Jahren allein aus dem offenen Vollzug in Plötzensee jeweils zwischen zehn und 43 Häftlinge entwichen seien. Dabei ging es oft um Menschen, gegen die eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurde, weil sie eine Geldstra- fe nicht bezahlen konnten. Häufig seien das Schwarzfahrer und keineswegs Schwerkriminelle. Einer dieser Männer wurde von der Polizei gefasst. Auch von den ersten vier Ausbrechern stellte sich am Dienstag einer den Behörden, zusammen mit seinem Anwalt. Nach den sieben verbliebenen Männern fahndet die Polizei weiter.
Die Berliner Opposition aus CDU, AfD und FDP fordert den Rücktritt von Behrendt, der erst ein Jahr im Amt ist. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hielt sich aber zurück: „Der Justizsenator wird diesen Sachverhalt genau untersuchen. Wir erwarten im Senat seinen Bericht.“
Besonders der Ausbruch vom Donnerstag hatte bundesweit für Aufsehen und empörte Kommentare gesorgt. Die Männer zwischen 27 und 38 Jahren flohen aus einem Heizungsraum neben der Werkstatt, in der sie arbeiteten. Mit einem Hammer zertrümmerten sie einen Betonpfosten in einer Lüftungsöffnung. Dann sägten sie die Stahlverstärkung unter dem Beton mit einem Trennschleifer durch, zwängten sich ins Freie und krochen unter dem Zaun des Gefängnisses durch. Eine Kamera, die eine Eingangspforte überwacht, filmte zwar die Aktion. Trotzdem wurde zu spät Alarm ausgelöst.
In der JVA Plötzensee mit 360 Insassen herrscht eine mittlere Sicherheitsstufe. Die Ausbrecher waren wegen Diebstahl, räuberischer Erpressung und schwerer Körperverletzung eingesperrt. Mörder, Vergewaltiger und Serientäter sitzen dagegen in der JVA Tegel. Dort fand der letzte Ausbruch 1998 statt, als ein Mann sich mit einem Lieferwagen herausschmuggelte.