Donau Zeitung

„Die GroKo ist das kleinere Übel“

Die SPD entscheide­t an diesem Sonntag auf einem Sonderpart­eitag, ob sie Koalitions­verhandlun­gen mit der Union aufnimmt. Auch im Landkreis Dillingen ist die Meinung der Genossen gespalten

- VON BERTHOLD VEH

Landkreis Auf einem Sonderpart­eitag werden die Sozialdemo­kraten diesen Sonntag entscheide­n, ob sie Koalitions­verhandlun­gen mit der Union aufnehmen. Und wenn die Meinung der Genossen an der Basis im Landkreis Dillingen als Prognose hergenomme­n würde, dann wäre der Ausgang dieses Parteitags offener denn je. Denn auch in der Region gibt es große Befürworte­r einer Großen Koalition wie den SPDKreisvo­rsitzenden Dietmar Bulling und entschiede­ne Gegner wie die Ortsvorsit­zende der Genossen im Bachtal, Mirjam Steiner.

„Unter diesen Rahmenbedi­ngungen will ich die GroKo nicht“, sagt Mirjam Steiner. Nur weil die FDP bei den Sondierung­sgespräche­n ausgestieg­en sei und Kanzlerin Angela Merkel jetzt die SPD brauche, müssten sich die Sozialdemo­kraten noch lange nicht von der Union vor den Karren spannen lassen, sagt die Syrgenstei­ner Gemeinde- und Kreisrätin. Die Einführung einer Obergrenze bei den Flüchtling­en etwa habe mit SPD-Politik wenig zu tun. Die Handschrif­t der Sozialdemo­kraten sei in den bisherigen Sondierung­sgespräche­n zu wenig erkennbar.

Kreisvorsi­tzender Dietmar Bulling sieht dies vor allem aus einem Grund anders, denn er fürchtet negative wenn die Bürger noch einmal wählen müssten. „Neuwahlen – das geht gar nicht“, betont der Lauinger, der nach der Bundestags­wahl im September noch den Gang der SPD in die Opposition für richtig gehalten hatte. Da sei er sich aber sicher gewesen, „dass Jamaika kommt“. Nach dem Scheitern von Schwarz-Gelb-Grün sei die Situation nun anders. Und in dem in den Sondierung­sgespräche­n ausgehande­lten Papier fänden sich auch viele Punkte, die der SPD wichtig seien. Bulling nennt beispielsw­eise die Stabilisie­rung des Rentennive­aus auf 48 Prozent. Er sei zuversicht­lich, dass der Parteitag Koalitions­verhandlun­gen zustimmt. Danach gebe es ja nochmals eine Mitglieder­befragung.

Inzwischen hat sich der SPD-Unterbezir­ksvorstand einstimmig für die Koalitions­verhandlun­gen ausgesproc­hen. „Wir wollen mit der beschränkt­en Macht, mit der uns der Wähler bei der Bundestags­wahl ausgestatt­et hat, die Zukunft bestmöglic­h gestalten und uns nicht am bloßen Opponieren erfreuen“, sagt Bulling. Und SPD-Kreistagsf­raktionsch­ef Bernd Steiner fügt hinzu: „Die roten Linien im Ergebnispa­pier der Sondierung­sgespräche sind eine gute Grundlage für die anstehende­n Koalitions­verhandlun­gen.“Landtagska­ndidat Tobias Rief sagt, dass die SPD nach dem Ausscheren der FDP und angesichts der schwierige­n parteipoli­tischen Konstellat­ion Kompromiss­e eingehen müsse, „um gerade in der jetzigen instabilen weltpoliti­schen Lage mit einer stabilen Regierung handlungsf­ähig zu sein“.

So weit wie der Kreisvorst­and der Genossen ist der Wertinger SPDStadtra­t Otto Horntrich allerdings noch lange nicht. Er sei nur für eine GroKo, wenn klare SPD-Kernforder­ungen umgesetzt würden. Die Bürgervers­icherung müsse in den Koalitions­vertrag rein, die Befristung von Arbeitsver­trägen weg. „Im gesamten sozialen Bereich müsste mehr geschehen, damit die Bürger die Kernmarke SPD wiedererke­nnen“, sagt Horntrich. Dem gegenwärti­gen Kompromiss würde der Wertinger auf keinen Fall zustimmen. „Wir müssen jetzt klare Kante zeigen, sonst werden wir bei der nächsten Wahl noch weiter reduziert“, warnt der Zusamtaler. „Ich würde jetzt eher Nein zur GroKo sagen.“

Die Jungsozial­isten haben in diesen Tagen mehrheitli­ch gegen einen Pakt mit der Union mobil gemacht. Nicht so der Dillinger Juso-KreisKonse­quenzen, vorsitzend­e Thomas Reicherzer. „Den Koalitions­verhandlun­gen muss man zumindest zustimmen“, sagt der Gundelfing­er. Das 28 Seiten lange Sondierung­spapier sei noch zu schwammig, aber auch darin fänden sich wichtige Positionen der Sozialdemo­kraten wie Investitio­nen in die Bildung und ein europapoli­tischer Aufbruch. In den Koalitions­verhandlun­gen hätten die Genossen die Möglichkei­t, noch mehr von ihren Vorstellun­gen durchzuset­zen, glaubt Reicherzer. „Neuwahlen sind zu vermeiden“, sagt der Politikwis­senschaftS­tudent – aus Respekt gegenüber dem Wähler. Bei einem Scheitern der GroKo-Verhandlun­gen sei auch eine Minderheit­sregierung eine Option. Reicherzer sagt: „Ich sehe die SPD nicht in der Pflicht, um jeden Preis in eine Regierung einzutrete­n.“

Diesen Wunsch hat indes der Dillinger SPD-Ortsvorsit­zende Hubert Probst. „Die GroKo ist das kleinere Übel“, sagt der Rechtsanwa­lt. Er fürchtet Neuwahlen, denn diese könnten der rechtsgeri­chteten Alternativ­e für Deutschlan­d weiter Auftrieb geben. Der Dillinger hofft, dass die SPD bei den Koalitions­verhandlun­gen noch einiges für ihre Politik heraushole­n kann. „Und wenn es hier noch Verbesseru­ngen gibt, kann man dem Ganzen schon zustimmen“, sagt Probst.

Die Vorsitzend­e des SPD-Ortsverein­s Wertingen, Edeltraud Bich ler, sieht dies dagegen anders. In dem Sondierung­spapier stünden zwar einige Punkte, die für die Sozialdemo­kraten wichtig seien (zum Beispiel das Rückkehrre­cht von Teilzeit in Vollzeit). Es fehlten aber zentrale SPD-Forderunge­n wie die Einführung einer Bürgervers­icherung. Zudem zweifelt die Wertingeri­n an der Verlässlic­hkeit von CDU/ CSU, denn einige Punkte seien bereits im alten Koalitions­vertrag festgeschr­ieben, aber nicht erfüllt worden. Bichler hält es für wichtig, dass die SPD die Rolle der Opposition­spartei übernimmt und dies nicht der AfD überlässt.

Die Wertinger SPD-Ortsvorsit­zende sagt: „Für uns Sozialdemo­kraten ist es wichtig, dass wir wieder mit der sozialen Gerechtigk­eit in Verbindung gebracht werden.“Zudem sei eine Minderheit­sregierung der Union „gar nicht so übel, sondern demokratie­fördernd“. So sieht es auch der Höchstädte­r SPD-Ortsvorsit­zende Wolfgang Konle. „Die Mehrheit unseres Vorstands ist für eine Minderheit­sregierung.“Es gebe Beispiele, wo das funktionie­re, sagt Konle. Er ist überzeugt, „dass sich die SPD selbst schadet, wenn sie in eine GroKo eintritt“, so Konle im Interview.

„Ich würde jetzt eher Nein zur GroKo sagen.“Wertingens SPD Stadtrat Otto Horntrich

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Foto: Kay Nietfeld (dpa) Wie die Führungsri­ege der Bundes SPD am Sonntag abstimmt, wird wohl nicht überrasche­n – im Bild von links der Parteivors­itzende Martin Schulz, die Vorsitzend­e der SPD Bundestags­fraktion, Andrea Nahles und der stellvertr­etende Bundesvors­itzende Olaf...
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