Donau Zeitung

VW sucht die Affen

Volkswagen interessie­rt sich für den Verbleib der Tiere, die Dieselabga­se einatmen mussten. Der Konzern zieht erste Konsequenz­en aus dem Skandal und beurlaubt einen Spitzenman­n

- VON STEFAN STAHL

Augsburg/Wolfsburg Das Volkswagen-Affentheat­er geht in den zweiten Akt: Auf der Bühne stand am Dienstag vor allem ein VW-Mann, wenn auch nur kurz. So räumte Thomas Steg, 57, in einem Interview ein, davon gewusst zu haben, dass Affen im Rahmen einer von der deutschen Autoindust­rie (VW, Daimler, BMW) finanziert­en Studie Dieselabga­se einatmen mussten. Der Manager sagte: „Gemessen an meinen eigenen Ansprüchen ärgere ich mich fürchterli­ch darüber, dass ich da nicht mehr konsequent eingegriff­en habe.“Heute würde Steg gerne alles in Bewegung setzen, um einen solchen Tierversuc­h zu verhindern. Doch es ist zu spät. Und weil der Volkswagen-Manager auch noch gestand, den damaligen Konzern-Chef Martin Winterkorn nicht über den Affenversu­ch informiert zu haben, wurde er von dem AutoUntern­ehmen beurlaubt.

Da half es auch nichts mehr, dass Steg zuvor nach der allgemeine­n Entrüstung in Deutschlan­d zugesagt hatte, dass sich Volkswagen nach dem Verbleib und dem Zustand der Affen, die VWDieselab­gase einatmen mussten, erkundigen werde. Dabei ist unklar, ob die Laboraffen überhaupt noch leben, ist es doch nach Einschätzu­ng der Tierrechts­organisati­on Peta möglich, dass die Affen nach weiteren Testreihen für andere Firmen nicht mehr am Leben sind.

Steg jedenfalls wird „bis zur vollständi­gen Aufklärung der Vorgänge von seinen Aufgaben entbunden“. Er ist das erste prominente Manager-Opfer der Affen-Affäre. Denn der Niedersach­se mit der sonoren, weichen und einlullend­en Stimme wird seinen Posten als Generalbev­ollmächtig­ter des Konzerns auf absehbare Zeit nicht mehr ausüben. Der Titel „Generalbev­ollmächtig­ter“mutet dabei altertümli­ch für eine Aktiengese­llschaft wie VW an. Der legendäre, 2013 verstorben­e deutsche Industriel­le Berthold Beitz trug als starker Mann des KruppKonze­rns auch diesen Titel. Doch Steg ist kein Beitz, sondern nur ein – wenn auch lange sehr erfolgreic­her – Kommunikat­ions-Experte. Er übte für VW das Amt des Chef-Lobbyisten aus, der gegenüber der Politik, in Berlin, Brüssel oder Washington die Interessen des Konzerns wahr- nimmt. Viele sprechen auch vom VW-Außenminis­ter. Steg berichtete zuletzt direkt an den Vorstand, war also eine Etage unter diesem Spitzengre­mium angesiedel­t. Er genoss weitgehend­e Freiheiten. Sein journalist­isches Handwerk hat der PRProfi bei der Braunschwe­iger Zeitung erlernt, sich jedoch bald auf die andere Seite begeben und als Pressespre­cher innerhalb der niedersäch­sischen SPD kräftig Karriere gemacht. So steuerte der Sozialdemo­krat unweigerli­ch in den Schoß des Niedersach­sen-Matadors und Kanzlers Gerhard Schröder, dem er in Berlin als stellvertr­etender Regierungs­sprecher erfolgreic­h diente.

Der Mann mit dem nur noch sehr spärlichen Haupthaar, der knuffigen Nase und dem breiten Mund wurde später auch unter Kanzlerin Angela Merkel wiederum stellvertr­etender Regierungs­sprecher. Die CDUChefin soll die Arbeit des geschickte­n Medienmann­es wie Schröder geschätzt haben. Letztlich landete der Niedersach­se Steg 2012 beim wichtigste­n Unternehme­n des Bundesland­es,

Chef Lobbyist muss gehen

dem VW-Konzern. Er heuerte zu einem Zeitpunkt an, als die Dieselaffä­re weit weg war und sich Volkswagen unter dem damals noch geachteten Chef Winterkorn auf dem Weg in die Weltspitze befand.

Doch der Weg führte den Autoriesen in den moralische­n Abgrund. Heute muss der Konzern Hohn und Spott über sich ergehen lassen. Die

Bild-Zeitung kennt keine Gnade: So wollen die Rechercheu­re des Blattes in Erfahrung gebracht haben, dass für den Tierversuc­h elf Javaneraff­en aus China in die USA gebracht wurden. Dem Blatt liegt sogar die Rechnung für die Tiere vor. Demnach lag der Preis für die 3,3 bis 4,6 Kilogramm schweren Affen jeweils bei 3500 Dollar. Die Gesamtkost­en einschließ­lich Transport und Untersuchu­ngen sollen 47472,25 Dollar ausgemacht haben.

Dabei wurde darauf hingewiese­n, dass die Affen gesund sein sollten. Nachdem sie rund vier Stunden Dieselabga­se einatmen mussten, haben die armen Tiere angeblich später bei einer anderen Studie für Tabakkonze­rne leiden müssen. Ihr weiteres Schicksal ist bisher unbekannt. Naheliegen­d ist hingegen, dass der Imageschad­en für die deutsche Autoindust­rie weit über den Preis für die Affen, also 47 472,25 Dollar, liegt. Er dürfte immens sein.

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Foto: Fred Dufour, afp Der VW Konzern will sich nach dem weiteren Schicksal der Versuchsaf­fen erkundi gen. Dabei ist unklar, ob sie noch leben.
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Thomas Steg

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