VW sucht die Affen
Volkswagen interessiert sich für den Verbleib der Tiere, die Dieselabgase einatmen mussten. Der Konzern zieht erste Konsequenzen aus dem Skandal und beurlaubt einen Spitzenmann
Augsburg/Wolfsburg Das Volkswagen-Affentheater geht in den zweiten Akt: Auf der Bühne stand am Dienstag vor allem ein VW-Mann, wenn auch nur kurz. So räumte Thomas Steg, 57, in einem Interview ein, davon gewusst zu haben, dass Affen im Rahmen einer von der deutschen Autoindustrie (VW, Daimler, BMW) finanzierten Studie Dieselabgase einatmen mussten. Der Manager sagte: „Gemessen an meinen eigenen Ansprüchen ärgere ich mich fürchterlich darüber, dass ich da nicht mehr konsequent eingegriffen habe.“Heute würde Steg gerne alles in Bewegung setzen, um einen solchen Tierversuch zu verhindern. Doch es ist zu spät. Und weil der Volkswagen-Manager auch noch gestand, den damaligen Konzern-Chef Martin Winterkorn nicht über den Affenversuch informiert zu haben, wurde er von dem AutoUnternehmen beurlaubt.
Da half es auch nichts mehr, dass Steg zuvor nach der allgemeinen Entrüstung in Deutschland zugesagt hatte, dass sich Volkswagen nach dem Verbleib und dem Zustand der Affen, die VWDieselabgase einatmen mussten, erkundigen werde. Dabei ist unklar, ob die Laboraffen überhaupt noch leben, ist es doch nach Einschätzung der Tierrechtsorganisation Peta möglich, dass die Affen nach weiteren Testreihen für andere Firmen nicht mehr am Leben sind.
Steg jedenfalls wird „bis zur vollständigen Aufklärung der Vorgänge von seinen Aufgaben entbunden“. Er ist das erste prominente Manager-Opfer der Affen-Affäre. Denn der Niedersachse mit der sonoren, weichen und einlullenden Stimme wird seinen Posten als Generalbevollmächtigter des Konzerns auf absehbare Zeit nicht mehr ausüben. Der Titel „Generalbevollmächtigter“mutet dabei altertümlich für eine Aktiengesellschaft wie VW an. Der legendäre, 2013 verstorbene deutsche Industrielle Berthold Beitz trug als starker Mann des KruppKonzerns auch diesen Titel. Doch Steg ist kein Beitz, sondern nur ein – wenn auch lange sehr erfolgreicher – Kommunikations-Experte. Er übte für VW das Amt des Chef-Lobbyisten aus, der gegenüber der Politik, in Berlin, Brüssel oder Washington die Interessen des Konzerns wahr- nimmt. Viele sprechen auch vom VW-Außenminister. Steg berichtete zuletzt direkt an den Vorstand, war also eine Etage unter diesem Spitzengremium angesiedelt. Er genoss weitgehende Freiheiten. Sein journalistisches Handwerk hat der PRProfi bei der Braunschweiger Zeitung erlernt, sich jedoch bald auf die andere Seite begeben und als Pressesprecher innerhalb der niedersächsischen SPD kräftig Karriere gemacht. So steuerte der Sozialdemokrat unweigerlich in den Schoß des Niedersachsen-Matadors und Kanzlers Gerhard Schröder, dem er in Berlin als stellvertretender Regierungssprecher erfolgreich diente.
Der Mann mit dem nur noch sehr spärlichen Haupthaar, der knuffigen Nase und dem breiten Mund wurde später auch unter Kanzlerin Angela Merkel wiederum stellvertretender Regierungssprecher. Die CDUChefin soll die Arbeit des geschickten Medienmannes wie Schröder geschätzt haben. Letztlich landete der Niedersachse Steg 2012 beim wichtigsten Unternehmen des Bundeslandes,
Chef Lobbyist muss gehen
dem VW-Konzern. Er heuerte zu einem Zeitpunkt an, als die Dieselaffäre weit weg war und sich Volkswagen unter dem damals noch geachteten Chef Winterkorn auf dem Weg in die Weltspitze befand.
Doch der Weg führte den Autoriesen in den moralischen Abgrund. Heute muss der Konzern Hohn und Spott über sich ergehen lassen. Die
Bild-Zeitung kennt keine Gnade: So wollen die Rechercheure des Blattes in Erfahrung gebracht haben, dass für den Tierversuch elf Javaneraffen aus China in die USA gebracht wurden. Dem Blatt liegt sogar die Rechnung für die Tiere vor. Demnach lag der Preis für die 3,3 bis 4,6 Kilogramm schweren Affen jeweils bei 3500 Dollar. Die Gesamtkosten einschließlich Transport und Untersuchungen sollen 47472,25 Dollar ausgemacht haben.
Dabei wurde darauf hingewiesen, dass die Affen gesund sein sollten. Nachdem sie rund vier Stunden Dieselabgase einatmen mussten, haben die armen Tiere angeblich später bei einer anderen Studie für Tabakkonzerne leiden müssen. Ihr weiteres Schicksal ist bisher unbekannt. Naheliegend ist hingegen, dass der Imageschaden für die deutsche Autoindustrie weit über den Preis für die Affen, also 47 472,25 Dollar, liegt. Er dürfte immens sein.