Donau Zeitung

Darin liegt die Audi Tragik

Warum die Ermittler wieder gegen das Unternehme­n vorgehen. Zwei Auto-Experten warnen vor der Dauerkrise

- VON STEFAN STAHL Handelsbla­tt

Augsburg Dass die Staatsanwa­ltschaft München bei Audi nicht nachgibt, lässt sich in dem komplizier­ten Verfahren einfach erklären: Nachdem am 15. März 2017 – und das parallel zur Jahrespres­sekonferen­z des Autoherste­llers – Büroräume des Unternehme­ns durchsucht und Unterlagen beschlagna­hmt wurden, konnten reichlich Schriftstü­cke und Datenträge­r ausgewerte­t werden. So sind die Ermittler immer tiefer in die Materie um manipulier­te Abgaswerte von Dieselmoto­ren eingedrung­en. Infolgedes­sen hat sich die Zahl der Beschuldig­ten von einst vier auf nunmehr 13 erhöht.

So kam es am Mittwoch zu neuen Razzien. Es wurden Wohnungen von sechs früheren und heutigen Audi-Motorentec­hnikern durchsucht. Darauf verwies am Donnerstag Karin Jung, stellvertr­etende Pressespre­cherin der Staatsanwa­ltschaft München II, gegenüber unserer Zeitung. Die Staatsanwä­lte ermitteln im Fall Audi wegen Betrugsver­dachts und unlauterer Werbung. Managern wird vorgeworfe­n, bewusst Motoren so manipulier­t zu haben, dass sie auf dem Prüfstand einen geringeren Ausstoß an ge- Stickoxide­n aufweisen als im Normalbetr­ieb auf der Straße. Letztlich will die Staatsanwa­ltschaft natürlich wie in anderen spektakulä­ren Münchner Wirtschaft­sverfahren (Siemens, MAN, Hypo Real Estate) prüfen, ob Vorstände in die Machenscha­ften verwickelt waren, ja die Abgasmanip­u- lationen sogar von ihnen ausgingen. Dafür gibt es im Fall Audi bislang noch keine Beweise. Angesichts des enormen Umfangs des bei den Razzien sichergest­ellten Materials ist es nach wie vor ungewiss, wann die Münchner Staatsanwä­lte ihre Ermittlung­en beenden werden.

Ulrich Weiß, Ex-Leiter der Audi-Diesel-Motorenent­wicklung in Neckarsulm, hat den einstigen Vorstand des Autobauers belastet. Audi-Chef Rupert Stadler sitzt nach Informatio­nen unserer Zeitung aber weiter fest im Sattel. Die VW-Großaktion­ärs-Familien Porsche und Piëch stehen demnach unveränder­t zu ihm, auf alle Fälle solange die Justiz den Bayern nicht schwer belastet. An der Treue der Mitinhaber des Audi-Mutterkonz­erns rüttelt auch nicht der Umstand, dass unlängst das titelte, der Autobauer sei unter Druck, weil nicht nur das wichtige Modell A4, sondern auch andere Fahrzeugty­pen schlechter als geplant liefen.

Doch zwei renommiert­e, von unserer Zeitung befragte deutsche Ausundheit­sgefährlic­hen tomobil-Experten, sind zunehmend besorgt über die Verfassung der vom Diesel-Skandal betroffene­n heimischen Fahrzeughe­rsteller. So sagt Professor Stefan Bratzel auch zum Verhalten führender Volkswagen­und Audi-Manager: „Darin liegt eine gewisse Tragik.“Den Branchenke­nner stört, dass die Unternehme­nslenker keinen Mut hätten, „einen Strich unter die alte Zeit zu ziehen“. Ihm missfällt also die mangelnde Bereitscha­ft, die DieselAffä­re aufzukläre­n.

„Hier läuft etwas schief“, beklagt Bratzel. Ohne Transparen­z, also Offenheit, würden die Konzerne nicht den Weg aus der Dauerkrise finden. Für das zurückhalt­ende Verhalten der Unternehme­n, das zu immer neuen Durchsuchu­ngsaktione­n führe, hat der Experte eine Erklärung: „Sie fürchten, dass sie sonst weiteren Schadeners­atzzahlung­en ausgesetzt sind.“Daher seien immer wieder neue negative Nachrichte­n wie jetzt durch die Razzia bei Audi programmie­rt. „Dabei müssten die Hersteller nach vorne schauen und eine rationale Diskussion über den Antrieb der Zukunft führen“, fordert Bratzel. Hier sollte auch der Diesel neben Elektromot­oren nach wie vor eine wichtige Rolle spielen.

Auch Professor Ferdinand Dudenhöffe­r geht der „Affenzirku­s“in der Automobili­ndustrie auf den Geist. In Richtung Audi & Co sagt er: „Wir müssen endlich überlegen, wie wir die durch Diesel-Abgase hervorgeru­fene Stickoxidb­elastung verringern.“Doch auch die Bundesregi­erung mache keinen Druck.

Derweil müssten tausende Menschen unter den hohen Schadstoff­werten leiden. Hier finde täglich ein

Die Piëchs und Porsches halten zu Stadler

Fachmann: Das Eis unter Stadler wird dicker

Versuch an Frauen und Männern statt, meint Dudenhöffe­r zur Empörung über das Schicksal der Affen, die im Auftrag der Autoindust­rie Abgase einatmen mussten. In Bezug auf die Ermittlung­en der Münchner Staatsanwa­ltschaft spricht er von einer „Razzia der Hilflosigk­eit“. Damit meint der Professor, dass die Ermittler gegen Stadler nicht genug in der Hand hätten. Dudenhöffe­r: „Das Eis unter dem Audi-Chef wird von Monat zu Monat dicker.“Die Zeit heile doch manchmal Wunden. Für den bekannten Auto-Experten gibt es keine Anzeichen, dass Stadler seinen Posten räumen müsse.

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Foto: U. Wagner Audi Chef Stadler scheint nach wie vor fest im Sattel zu sitzen.

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