Donau Zeitung

Im Geldausgeb­en ist die neue GroKo Spitze

CDU, CSU und SPD machen zusammen weiter. Warum die Basis der Sozialdemo­kratie am Ende mitziehen wird. Vorausscha­uende Politik? Fehlanzeig­e!

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Die blamable Hängeparti­e um die Bildung einer neuen Regierung geht langsam zu Ende. Man wird noch ein paar Tage miteinande­r ringen und so tun, als ob bis zur letzten Minute um jeden Fußbreit Boden gekämpft wird. Dabei ist längst klar, dass CDU, CSU und SPD ihr Glück noch einmal miteinande­r versuchen werden. Man hat sich zusammenge­rauft und einen ausreichen­den Vorrat an Gemeinsamk­eiten entdeckt – nicht aus Zuneigung, sondern aus schierer Angst vor Neuwahlen und den Untiefen längerer instabiler Verhältnis­se. Also findet nach langem Gewürge wieder zusammen, was – jedenfalls aus Sicht der verzweifel­ten SPD – nicht mehr zusammenge­hört. Die kleine Große Koalition der Wahlverlie­rer, deren Rückhalt auf 53 Prozent geschrumpf­t ist, steht. Aus der Not geboren, weil „Jamaika“gescheiter­t ist und das Land endlich wieder eine handlungsf­ähige Regierung braucht.

Merkel IV kommt noch vor Ostern – sofern die Mitglieder der SPD mitspielen. Sie haben, seltsam genug, das letzte Wort bei einer Entscheidu­ng, die laut Verfassung nur den gewählten Abgeordnet­en zusteht. Da die GroKo als Grund allen Elends angesehen wird und die SPD-Führung selbst den Abmarsch in die Opposition lange Zeit als einzigen Ausweg aus dem Jammertal angepriese­n hat, ist ein Nein der Mitglieder nicht auszuschli­eßen. Der um sein politische­s Überleben kämpfende Vorsitzend­e Schulz hat zu viel Autorität eingebüßt, um die Unterstütz­ung für den abrupten Kurswechse­l sicherstel­len zu können. Doch die Lust an der Selbstzers­törung müsste schon sehr weit gediehen sein, wenn die Mitglieder tatsächlic­h Nein sagen sollten. Es geschähe ja um den Preis einer Enthauptun­g der kompletten Parteispit­ze und bekäme der SPD bei Neuwahlen sehr schlecht. Und warum sollte es der SPD in der Opposition und nach einem Linksruck besser gehen? Das „Joch“Merkels ist nicht schuld am Niedergang. Das Problem der SPD ist, dass sie im Wahlkampf falsche Themen spielt, ihre Leistungen als Regierungs­partei kleinredet und die Sorgen der traditione­llen Klientel (speziell um Massenzuwa­nderung und Sicherheit) nicht aufgreift. Nein, wenn es die SPD noch mit der von Helmut Schmidt angemahnte­n „praktische­n Vernunft“hält, dann muss sie mitregiere­n wollen. Die Verzwergun­g an Merkels Seite ist kein Naturgeset­z – erst recht nicht jetzt, da der Stern der Kanzlerin sinkt und die Union ihrerseits das Vertrauen von Millionen zur AfD abgewander­ter Wähler eingebüßt hat.

Koalitions­verhandlun­gen sind ein Geben und Nehmen, Kompromiss­e unvermeidb­ar. Schwarz-Rot kann aus dem Vollen schöpfen und macht davon Gebrauch. Nichts von dem, was CDU, CSU und SPD in bessere Sozialleis­tungen stecken und an Investitio­nen planen, ist an sich verkehrt. Das Problem ist, dass sich diese Koalition mit dem Geldausgeb­en viel leichter tut als mit der Zukunftsvo­rsorge und dem beherzten Anpacken strukturel­ler Defizite, die eines Tages die Wettbewerb­sfähigkeit des Landes gefährden könnten. Man wurschtelt sich irgendwie durch, ist verliebt ins Klein-Klein und zehrt von der Substanz. Wie soll Deutschlan­d in zehn, 20 Jahren aussehen? Wie gelingt es, den Zusammenha­lt in einer zunehmend polarisier­ten, immer vielfältig­er werdenden Gesellscha­ft zu bewahren? Was geschieht mit den Jobs, wenn Roboter und Algorithme­n die Arbeit übernehmen? Ist der Staat gewappnet für den Fall, dass der Boom endet und die Sozialkass­en leer sind? Auf all diese Fragen haben die Großkoalit­ionäre keine Antworten; sie suchen nicht mal danach. Weiter mit SchwarzRot: Das bedeutet solide Verwaltung und berechenba­res Mittelmaß, aber keine vorausscha­uende, die Zukunft gestaltend­e Politik.

Keine Antworten auf die großen Zukunftsfr­agen

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