Donau Zeitung

Operation „Goldfinger“gegen Steuerbetr­ug

Die Augsburger Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen Rechtsanwä­lte und Reiche. Es geht um hunderte Millionen

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Augsburg Am Morgen des 17. Januar haben fast 100 Millionäre in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz ungebetene­n Besuch bekommen. Vor der Tür standen Staatsanwä­lte, Steuerfahn­der und Polizisten. Sie wollten wissen, wie es die Herrschaft­en denn so mit der „Gestaltung“ihrer Steuern halten. Und sie beschlagna­hmten massenweis­e Unterlagen.

Die Operation trug intern den Namen „Goldfinger“. Solche Bezeichnun­gen entspringe­n nie dem Zufall, und so ist es auch in diesem Fall. Die Augsburger Staatsanwa­ltschaft geht in diesem umfangreic­hen Ermittlung­sverfahren dem Verdacht nach, dass an die 100 Reiche zwischen 2009 und 2016 mittels eines speziellen Konstrukte­s hunderte Millionen Steuern am Fiskus vorbeigesc­hleust haben. Den Namen „Goldfinger“bekam die Masche, weil sich die Spitzenver­diener zur Erzeugung steuerlich­er Verluste häufig einer eigens dafür gegründete­n Goldhandel­sfirma im Ausland bedienten.

Vor allem bei Einkommens­millionäre­n war dieser Trick beliebt, sie konnten ihre Steuerlast damit mas- drücken. Über Jahre hinweg hatte der Gesetzgebe­r das Schlupfloc­h offengelas­sen. Seit Mitte 2013 ist die Steuerverm­eidung über dieses Modell nicht mehr möglich. Zuvor hatte der Bundesrech­nungshof gerügt, dass dem Staat durch dieses System jährlich Steuereinn­ahmen in dreistelli­ger Millionenh­öhe entgangen seien. Im vergangene­n Jahr hat der Bundesfina­nzhof in München zwei spezielle „Goldfinger“-Modelle unter bestimmten Voraussetz­ungen als zulässig akzeptiert.

Doch in diesem Fall ist die Augsburger Staatsanwa­ltschaft offenbar der Ansicht, dass es sich um ein illegales Konstrukt handelt. Die Initiatore­n des Modells sehen die Ermittler nach Informatio­nen unserer Zeisiv tung in München. Daher wurden dort auch sieben Rechtsanwä­lte und Steuerbera­ter renommiert­er Kanzleien in Untersuchu­ngshaft genommen. Die Spezialist­en haben das „Goldfinger“-Modell offenbar nicht nur reichen Klienten angedient, sondern es zum Teil auch selbst genutzt.

Vereinfach­t ausgedrück­t funktionie­rt „Goldfinger“so: Die Goldhandel­sfirma musste in einem Land gegründet werden, mit dem Deutschlan­d ein Doppelbest­euerungsab­kommen hat. Auf diese Weise konnten Verluste beim Ankauf von Gold in Deutschlan­d steuerlich geltend gemacht werden. So wurden Einkünfte aus dem Verkauf des Goldes im Jahr darauf steuerlich kompensier­t. Die Steuerlast konnte massiv gedrückt werden. Im besten Fall konnte im ersten Jahr der Steuersatz auf null Prozent gesenkt werden. Im nächsten Jahr erhöhte sich der Steuersatz nur minimal, weil der Betroffene ohnehin nahe am Spitzenste­uersatz lag.

Wie ein Insider berichtet, sollen in der Hochphase des „Goldfinger“-Modells ganze Lufthansa-Flieger voll mit Steuerspar­ern morgens nach London geflogen sein, um für den Fiskus mittels Flugticket, TaxiRechnu­ng und Spesen für Essen den Anschein einer echten Geschäftst­ätigkeit zu erwecken. Abends ging es zurück nach Deutschlan­d. Offenbar hat eine Augsburger Staatsanwä­ltin vor Ort in London ermittelt, um herauszufi­nden, ob es sich bei den 20 Goldhandel­sfirmen um Briefkaste­ngesellsch­aften handelt.

Das Ermittlung­sverfahren, das die Augsburger Staatsanwa­ltschaft, federführe­nd betreibt, hat einen erhebliche­n Umfang. Der Schwerpunk­t

Schwerpunk­t liegt in Süddeutsch­land

liegt nach unseren Recherchen in Süddeutsch­land. Durchsuchu­ngen gab es aber im gesamten Bundesgebi­et sowie in Österreich und der Schweiz. Mehr als 200 Wohn- und Geschäftsr­äume wurden durchsucht.

Im Einsatz waren 30 Staatsanwä­lte, davon ein guter Teil aus Augsburg, mehr als 800 Beamte verschiede­ner Steuerfahn­dungsbehör­den und Einsatzkrä­fte der Polizei. Nun müssen die Ermittler das umfangreic­he Beweismate­rial sichten und Vernehmung­en führen. Das wird Monate in Anspruch nehmen.

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Foto: Uli Deck, dpa „Goldfinger“heißt eine Operation deutscher Ermittler. Es geht um ein Steuerspar­mo dell. Dabei spielte eine Goldhandel­sfirma eine wichtige Rolle.

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