Bedroht die Digitalisierung Jobs?
Nach einer Untersuchung könnten in den kommenden fünf Jahren 3,4 Millionen Stellen wegfallen. Doch so dramatisch ist die Situation nicht. Was auf die Region zukommt
Augsburg Es besteht kein Zweifel daran, dass die Arbeitswelt immer digitaler wird. Zahntechniker erstellen Prothesen mit dem 3D-Drucker. Zimmerer vermessen Räume mit Lasertechnik und erstellen im PC digitale Modelle. Das alles ist längst Wirklichkeit. Und doch ist die Digitalisierung für viele ein Schreckensgespenst. Denn viele Menschen können nur schwer einschätzen, wie sich ihre eigenen Arbeitsplätze durch die voranschreitende Technisierung verändern werden. Die größte Sorge vieler ist, dass ihre Arbeit irgendwann überflüssig wird, weil der Job von einem Roboter oder einem Computerprogramm erledigt wird.
Nun heißt es, dass in den nächsten fünf Jahren 3,4 Millionen Arbeitsplätze wegfallen werden. Das wirkt bedrohlich. Diese Zahl stammt aus einer Studie des Branchenverbands Bitkom. Der Verband hat 500 Unternehmen ab 20 Mitarbeitern in Deutschland in einer repräsentative Umfrage befragt. Das Ergebnis: 25 Prozent der Betriebe sehen ihre Existenz von der Digitalisierung bedroht. Bei diesen Firmen arbeiten 3,4 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Die Stellen wären also nur dann gefährdet, wenn die Digitalisierung diese Betriebe wirklich zerstören würden. Aber ist das wahrscheinlich? Und wenn nicht, welche Folgen hat Digitalisierung dann?
Um eine Antwort auf diese Fragen zu finden, sei noch eine andere Zahl aus der Bitkom-Umfrage genannt: Darin heißt es, dass 86 Prozent der befragten Unternehmen die Digitalisierung als Chance sehen. Etwas Ähnliches wollte auch die Handwerkskammer für Schwaben (HWK) unlängst von ihren Mitgliedsbetrieben wissen. Sie fragte die Unternehmen nach der Bedeutung der Digitalisierung in ihrem Betrieb. Zwei Drittel sagten, sie spiele eine sehr große Rolle. Eine andere Studie hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gemacht. Die Nürnberger haben sich mit der Auswirkung der Digitalisierung auf die Arbeitsplätze be- fasst. Die Forscher sagen: Ja, die Digitalisierung wird die Arbeitswelt verändern. Ja, es werden Berufe wegfallen. Vor allem Tätigkeiten, für die es eine geringere Qualifikation brauche, lassen sich durch Maschinen oder automatisierte Prozesse ersetzen. Schon 2013 hätten 15 Prozent der Beschäftigten in einem Beruf gearbeitet, in dem über 70 Prozent der Tätigkeiten bereits vom Computer erledigt werden könnten. Aber: „Es ist wenig wahrscheinlich, dass Berufe ganz verschwinden. Vielmehr werden sich bestehende Berufe mehr oder weniger stark verändern.“
So sehen es auch die Wirtschaftsverbände in der Region. Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, sagt: „Die Digitalisierung wird im Handwerk Spuren hinterlassen – positive wie negative. Da das Gros der Arbeiten im Handwerk individuell ist, wird unser Wirtschaftszweig aber eher unterdurchschnittlich von einem Arbeitsplatzwegfall betroffen sein.“Die Handwerker erhoffen sich dagegen von der Digitalisierung eher eine Arbeitserleichterung. Etwa weil Maschinen anstrengende Tätigkeiten übernehmen. Aber Wagner fügt auch an, dass sich die Anforderungen an die Handwerker verändern werden. So müssen sie zum Beispiel lernen, mit IT-Systemen umzugehen.
Bei der Industrie- und Handelskammer sieht man die Situation ähnlich. „Die Ängste, dass technische Innovationen Arbeitsplätze vernichten, ist nicht neu“, sagt Peter Lintner, der für die Standortpolitik zuständig ist. Schon in der Industrialisierung hätten die Menschen solche Sorgen gehabt. „Es wird einen Strukturwandel geben“, sagt er. IT-Kenntnisse würden immer stärker auch in traditionellen Berufen benötigt. Doch er weiß auch, wie die Firmen das meistern können: durch Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter. Darauf hinzuweisen war auch das Ziel der Bitkom-Studie. „Die Digitalisierung wird Gewinner und Verlierer hervorbringen“, sagt ein Sprecher des Verbandes. „Wir müssen schauen, dass wir zu den Gewinnern zählen.“