Donau Zeitung

Ein Vorreiter sozialen Denkens

Die Spitalstif­tung in Gundelfing­en feiert 600. Geburtstag

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Es war aus heutiger Sicht ein äußerst moderner Mann, dieser Herr Sitzenberg­er aus Gundelfing­en. Im ausgehende­n Mittelalte­r, als es weder Krankenhäu­ser noch soziale Einrichtun­gen gab, sorgte er dafür, dass seine behinderte Tochter auch nach seinem Tod gut betreut werde – und nicht nur das: Zusätzlich stattete der Gundelfing­er Bürger Hans Sitzenberg­er das Spital nachhaltig mit seinem Vermögen aus. Seit der Gründung werden dort hilfebedür­ftige Menschen gepflegt. Die Einrichtun­g besteht bis heute, ist wichtiger Teil der Gundelfing­er Stadtgesch­ichte und eine bedeutende Säule des sozialen Lebens in Gundelfing­en. Das Spital wird heute als eigenständ­ige, bürgerlich­e Stiftung geführt. Auf diese Eigenständ­igkeit sind die Betreiber sehr stolz. Neben dem „Haus der Senioren“mit 154 Bewohnern und 150 Mitarbeite­rn gehört zum Spital heute das betreute Wohnen, der Spitalwald sowie zahlreiche Ländereien. Das Herz des Spitals und Bestandtei­l des Stiftungsa­uftrages ist die kunsthisto­risch wertvolle Barockkirc­he Mariä Himmelfahr­t aus dem Jahre 1720. Der Richter und Stadtrat Hans Sitzenberg­er war ein sehr wohlhabend­er Bürger in Gundelfing­en und besaß am heutigen Standort des Spitals ein großes bäuerliche­s Anwesen. Hans Sitzenberg­er hatte mit seiner zweiten Frau drei Söhne und eine Tochter, Margarethe. Seine Tochter Margarethe war behindert und konnte sich nicht selbst versorgen. Als Vater lag es ihm am Herzen, auch nach seinem Tod seine Tochter gut versorgt zu wissen. Am 20. Juli 1418, dem St. Margarethe­ntag, regelte er in der Gründungsu­rkunde seinen Nachlass.

„Gut Fleisch, Eier, Fisch und gute Kost soll sie bekommen“

Er beschloss, den Großteil seines Besitzes dem Spital zu vermachen. Ausnahme war sein Haus in Lauingen und 200 Gulden, die er seinen drei Söhnen vermachte. Außerdem regelte er, dass alle drei Söhne eine auskömmlic­he Stelle als Priester fanden. Für seine kranke Tochter Margarethe regelte er in einer eigenen Urkunde seinen Nachlass.

„Für meine Tochter Margarethe wird eine Pfründe ausgedunge­n einschließ­lich einer Pflegerin und Frau zur Kirche, zur Straße, zu Bett und zu Tisch. Sie soll dieselben beiden Gemächer gebrauchen wie ich. Gut Fleisch, Eier, Fisch und gute Kost soll sie bekommen. Die Besten pflumedrin­en Bett und zwifach Bettgewand.“

Die Urkunde zeigt, wie wohlhabend die Familie Sitzenberg­er war und wie sehr ihm die Versorgung seiner Tochter am Herzen lag – üblich war in dieser Zeit, Kissen mit Stroh zu füllen. Hans Sitzenberg­er behielt sich selber eine lebenslang­e Stellung als erster Spitalpfle­ger vor. Er beschloss, das bisherige Spitalgebä­ude, das auf einem ungeeignet­en und zu kleinen Platz errichtet war, neu zu bauen. Damit der Umzug des Spitals auch formal korrekt erfolgte, wandte er sich an den Papst und Bischof mit der Bitte der Verlegung des Spitals zuzustimme­n. Papst Martin V. besiegelte die Gründung in einer eigenen Urkunde. Noch im selben Jahr wurde 1418 mit dem Neubau des Spitalgebä­udes begonnen. Margarethe zog in den ersten Stock, an der Stirnseite des heute noch existieren­den „Westbaues“ein. sis/pm

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 ??  ?? Der Westbau des Spitals ist das älteste noch existieren­de Wohngebäud­e in Gundelfing­en. Hier wohnte Margarethe Sitzenberg­er.
Der Westbau des Spitals ist das älteste noch existieren­de Wohngebäud­e in Gundelfing­en. Hier wohnte Margarethe Sitzenberg­er.
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