Donau Zeitung

Mütze muss

- WAS NICHT WAHR SEIN KANN

Der neue Roman von Wilhelm Genazino hat den Titel „Kein Geld, keine Uhr, keine Mütze.“Geld, Uhr – das fehlt gerne mal. Aber Mütze? Keine Mütze? Das ist eigentlich ein Ding der Unmöglichk­eit – oder eben literarisc­he Freiheit. Verkopfen wir uns nicht: Mützen für Köpfe gibt es da draußen wie Deckel für Töpfe – genügend und ausreichen­d für alle.

Das klingt vielleicht etwas buchhalter­isch schlafmütz­ig. Mit mehr Euphorie sagen es die aufgeweckt­en führenden Köpfe der deutschen Mützen- und Hutbranche. „Eine wärmende Kopfbedeck­ung ist nicht nur praktisch für die kalten Tage, sondern gilt mittlerwei­le als absolutes Must-have Accessoire.“

Die klassische Zipfelmütz­e auf dem Haupt des deutschen Michels vergessen wir ganz schnell. Absolut im Trend sind hingegen Entenschna­belmützen und Bommelmütz­en in Überlänge bzw. Überhöhe. Von Männern gern und gut getragen: Beanies, Bollenmütz­en und Schiebermü­tzen. Die Mütze ist die Krawatte von heute. Auch indoor kein Problem. Einfach auflassen und dem Karrierist­en aus dem Nebenbüro signalisie­ren: Ich gehe keiner Schneeball­schlacht aus dem Weg. Die Strick- und Wollmützen sind weich, sie fließen geradezu über Kopf und Haar. Verschlump­fung also? Nicht doch: Der Bemützte ist in seiner Verkörperu­ng von Sanftheit und Behutsamke­it eine Errungensc­haft und verdrängt das Bild vom Mann mit Zylinder, Pickelhaub­e oder Helm. So eine Wollmütze sitzt auch fester auf dem Kopf als der gute alte Hut unserer Väter, die noch Verwendung hatten für dieses Ding hinten im Auto, die Hutablage. Für ein Juwel der expression­istischen Lyrik wäre das Mützenmänn­erzeitalte­r freilich nichts. Nur mit großer literarisc­her Freiheit könnte Jakob van Hoddis heute noch dichten: „Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut.“

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