Donau Zeitung

Schluss mit dem Theater!

- VON MICHAEL STIFTER msti@augsburger allgemeine.de

Heute sind es übrigens 132 Tage. Seit der Bundestags­wahl erleben wir Politik in Zeitlupe. Und nicht nur das: Es wird ja auch noch dauernd zurückgesp­ult. Oder wir bekommen sogar die Wiederholu­ng alter Episoden vorgesetzt. Zugegeben, die ersten Folgen waren ja ganz spannend: Am Wahlabend verlässt mit Martin Schulz einer der Hauptdarst­eller ebenso überrasche­nd wie fluchtarti­g die Bühne. Regisseuri­n Angela Merkel muss sich nach einer neuen Besetzung umschauen. Sie lädt Liberale und Grüne zum Vorspreche­n ein und nennt das Ganze Sondierung. Das Publikum hofft auf einen Neuanfang. Es kommt anders.

Die Folge „Jamaika“gerät zur Seifenoper. Nach ein paar herzergrei­fenden Szenen auf einem Berliner Balkon streiten sich die Nebenrolle­n-Darsteller von CSU, FDP und Grünen hinter den Kulissen so lange um den Text des gemeinsame­n Stückes, bis die einstigen liberalen Publikumsl­ieblinge nicht mehr mitspielen wollen. Spätestens, als der Abspann der Episode „Lieber nicht regieren als falsch“läuft, sucht das ermüdete Publikum verzweifel­t nach der Fernbedien­ung. Hilft aber nichts. The Show must go on.

Die SPD, die ja eigentlich nur noch im Publikum sitzen und ab und zu mal buhen wollte, muss doch wieder ran. Aber das sozialdemo­kratische Ensemble will sich nicht mit der zugedachte­n Rolle abfinden. In der Folge „Verhandeln, bis es quietscht“fordert es mehr Bühnenpräs­enz. An der Regisseuri­n würde das nicht scheitern. Doch da sind ja noch die Volksschau­spieler aus Bayern – und die wehren sich lautstark gegen jeden Versuch, das Drehbuch zu ändern.

Unter den Zuschauern macht sich Unruhe breit. Sie haben immer weniger Verständni­s für die langatmige Inszenieru­ng. Die ersten verlassen entnervt ihre Plätze oder schalten auf eine vermeintli­che „Alternativ­e“um. Es wird Zeit für den Schlussakt des Großen Koalitions-Theaters – so oder so.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany