Donau Zeitung

Die Kunst des Wartens

- VON ERICH PAWLU redaktion@donau zeitung.de

Der Komponist Walter Kollo hat schon einmal versucht, unser Volk für die Kunst des Wartens zu begeistern, als er den Text „Warte, warte nur ein Weilchen, bald kommt auch das Glück zu dir!“vertonte. Zwar trällerten Tausende das Liedchen, aber die ersehnte Fähigkeit, mit Schafsgedu­ld, Nägelbeiße­n und Daumenluts­chen die Zukunft abzuwarten, setzte sich nicht durch.

Jetzt endlich haben Angela Merkel und Martin Schulz die Idee erneut aufgegriff­en, den ständig aktiven deutschen Menschen in einen Geduldseng­el zu verzaubern. Mit wochenlang­en Sondierung­s- und Abtastgesp­rächen verwandeln sie ganz Deutschlan­d in einen großen Wartesaal. Und das Wahlvolk bemüht sich redlich, die bisher vernachläs­sigte Kunst des Wartens doch noch zu erlernen.

Aber das ist mühevoll. Denn bei diesem Programm hilft nicht einmal die Literatur. Schon Samuel Beckett hat Wladimir und Estragon in „Warten auf Godot“vergeblich auf eine Lichtgesta­lt warten lassen. Auch aktuelle Bücher mit Titeln wie „Warten wir die Zukunft ab“, „Und nebenan warten die Sterne“oder „Warten auf die Barbaren“sind kein Heilmittel gegen die wachsende Ungeduld.

Große Nervosität erfasst sogar viele Anwärter auf künftige Ministerpo­sten. Davor wollte wohl schon Franz Kafka warnen. In seinem Roman „Das Schloß“prophezeit­e er, „daß Anwärter für Stellungen während der überlangen Wartezeit ohnmächtig oder verwirrt werden und dann verloren sind, wenn nicht Freunde für sie sorgen“.

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