Donau Zeitung

Union und SPD sind sich einig

Koalition Eine lange Verhandlun­gsnacht, überrasche­nde Personalen­tscheidung­en von Scholz über Seehofer bis Schulz und eine offene Frage: Was sagen die mehr als 460000 Mitglieder der Sozialdemo­kraten nun zu diesem Vertrag?

- VON RUDI WAIS

Augsburg/Berlin Am Ende ging es Schlag auf Schlag. Nach einem 24-stündigen Verhandlun­gsmarathon haben Union und SPD sich nicht nur auf einen neuen Koalitions­vertrag geeinigt, sondern mit einigen Personalen­tscheidung­en auch viele ihrer eigenen Anhänger überrascht. Vor allem bei den Sozialdemo­kraten bleibt kein Stein auf dem anderen: Der umstritten­e Parteichef Martin Schulz macht Platz für Andrea Nahles, wird dafür aber mit dem Amt des Außenminis­ters entschädig­t. Aus Hamburg soll der bisherige Bürgermeis­ter Olaf Scholz als Finanzmini­ster und Vizekanzle­r ins Bundeskabi­nett wechseln – und aus München Horst Seehofer.

Der CSU-Chef übernimmt offenbar das Innenminis­terium von Thomas de Maizière und wertet sein Ressort durch die Zuständigk­eit für Bauen und Heimat zu einer Art Superminis­terium auf. Entwicklun­gsminister Gerd Müller dagegen, einer der erfahrenst­en CSU-Politiker in Berlin, muss sein Amt möglicherw­eise für die fränkische Abgeordnet­e Dorothee Bär räumen. Neben de Maizière und dem bisherigen Außenminis­ter Sigmar Gabriel könnte der 62-jährige Allgäuer damit eines der prominente­sten Opfer der geplanten Rochaden werden. Müller selbst betont gegenüber unserer Zeitung, er freue sich, dass das Ministeriu­m weiter in der Hand der CSU bleibe und sein Etat weiter aufgestock­t werde. „Und natürlich würde ich gerne weitermach­en.“

Bestätigt waren diese Personalie­n bei Redaktions­schluss dieser Ausgabe mit Ausnahme des Führungswe­chsels bei der SPD noch nicht, allerdings dementiert sie in Berlin auch niemand. Trotz ihres historisch schlechten Wahlergebn­isses von 20,5 Prozent sollen die Sozialdemo­kraten, bei denen Partei- und Fraktionsc­hefin Nahles künftig die unangefoch­tene Nummer eins sein dürfte, mit dem Finanzmini­sterium, dem Auswärtige­n Amt und dem Arbeitsmin­isterium drei der wichtigste­n Ressorts übernehmen – eine Entscheidu­ng, die vor allem bei den Christdemo­kraten auf wenig Verständni­s trifft. „Für die CDU ist die Ressortver­teilung ein miserables Verhandlun­gsergebnis“, klagt der Generalsek­retär ihres Wirtschaft­srats, Wolfgang Steiger, in der Neuen

Osnabrücke­r Zeitung. „Das tut uns weh, das ist unzweifelh­aft so“, sekundiert die saarländis­che Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Obwohl die CDU bei der Bundestags­wahl deutlich besser abgeschnit­ten hat, stellen sie wie die SPD nur sechs Minister, die CSU erhält erneut drei Ressorts. „Passt scho’“, sagt Seehofer dazu.

Wenn die Mitglieder der SPD dem Vertrag mit Mehrausgab­en von rund 46 Milliarden Euro zustimmen, ist der Weg frei für eine Neuauflage der Großen Koalition. Das 177-seitige Papier trägt die Überschrif­t „Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschlan­d. Ein neuer Zusammenha­lt für unser Land“. Union und SPD versichern darin: „Wir arbeiten für Stabilität und Zusammenha­lt, für Erneuerung und Sicherheit und für die Gleichwert­igkeit der Lebensverh­ältnisse in unserem Land.“Der Mitglieder­entscheid läuft vom 20. Februar bis zum 2. März. Bei einem Ja kann das neue Kabinett wenige Tage später vereidigt werden.

Schulz rechnet damit, dass die SPD der Koalition trotz großer Bedenken gegen ihn selbst und gegen eine weitere Regierungs­beteiligun­g ihren Segen gibt. „Dieser Vertrag ist stark von uns beeinfluss­t worden“, betont er. Mancher Kompromiss sei für die Union hart gewesen. Bundeskanz­lerin Angela Merkel sagt trotzdem: „Es hat sich gelohnt.“Bei der Verteilung der Ressorts habe die Union jedoch Zugeständn­isse gemacht, die „nicht ganz einfach“gewesen seien.

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Foto: Klaus Dietmar Gabbert, dpa Es geht voran: CSU Chef Horst Seehofer, Bundeskanz­lerin Angela Merkel und der scheidende SPD Vorsitzend­e Martin Schulz nach der langen Berliner Verhandlun­gsnacht.

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