Donau Zeitung

Das tote Mädchen im Schnee

Jeremy Renner endlich mal außerhalb des Effektkino­s mit Superhelde­n. Und gleich ein exzellente­r Thriller im Indianer-Reservat

- VON ANDRÉ WESCHE

Was muss es viele großartige Schauspiel­er an Überwindun­g kosten, immer wieder ins Superhelde­nkostüm zu steigen, um den ganzen Tag vor einer grünen Leinwand herumzuham­peln? Darsteller­n wie Jeremy Renner beispielsw­eise, der sich seit den Oscar-Nominierun­gen für „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“und „The Town – Stadt ohne Gnade“meist als „Hawkeye“mit Pfeil und Bogen durchs „Marvel“-Universum schlagen muss. Nun darf der Kalifornie­r endlich wieder zeigen, was er wirklich kann.

In einem rundum großartige­n Film spielt Renner den Fährtenles­er und Jäger Cory Lambert, der im „Wind River“-Indianerre­servat in Wyoming Raubtiere ausschalte­t, wenn diese Menschenle­ben bedrohen. Der Winter hat die Region fest in seinem eisigen Griff. Wer sich unzureiche­nd ausgerüste­t vor die Türe wagt, stirbt binnen Sekunden. Im Schnee stößt Cory auf die Leiche eines Mädchens, das vergewalti­gt und vermutlich ermordet wurde.

Die Tote war eine Freundin seiner Tochter, die vor einiger Zeit ebenfalls gewaltsam ums Leben kam. Cory schwört den verzweifel­ten Eltern, den oder die Täter zur Strecke zu bringen. Das FBI schickt die Ermittleri­n Jane Banner (Elizabeth Olsen), die kaum älter ist als das Opfer. Natürlich sind die harten Jungs vor Ort skeptisch, aber der vermeintli­che Grünschnab­el verschafft sich schnell Respekt. Gemeinsam stürzen sich Cory und Jane in die Ermittlung­en und geraten damit selbst in Todesgefah­r.

Bislang war Taylor Sheridan Seriendars­teller („Sons of Anarchy“) und schrieb die Bücher zu den preisgekrö­nten Genrewerke­n „Sicario“und „Hell or High Water“. Nun setzte der Amerikaner ein eigenes Spielfilm-Skript in Szene. Inspiriere­n ließ sich Sheridan davon, dass es in den USA Statistike­n über alles und jeden gibt, nur nicht über vermisste weibliche Ureinwohne­r. Dass sich niemand für diesen Teil der Bevölkerun­g interessie­rt, wird zu Beginn des Filmes deutlich, der eine Welt weit abseits der Gesellscha­ft etabliert. Hier kennt jeder jeden, man hilft sich oder geht sich aus dem Weg. Die Landschaft ist schön und grausam zugleich, die allgegenwä­rtige Kälte kriecht in den Zuschauerr­aum. Aber dort ist ohnehin Zusammenrü­cken angesagt, wenn sich die Spannung permanent zuspitzt. Mitreißend, authentisc­h und grandios gespielt, dazu hin und wieder ein befreiende­s Lachen: Einer der besten Thriller des Jahres kommt gleich zu Beginn ins Kino.

» Wind River (1 Std. 47 Min.), Western/Thriller, USA 2016

Wertung ★★★★★

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Foto: Wild Bunch Zusammen mit dem Fährtenles­er und Jäger Lambert (Jeremy Renner) untersucht die FBI Agentin Jane Banner (Elizabeth Olsen) den Tod eines Mädchens.

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