Donau Zeitung

Wozu braucht Dillingen einen Flughafen?

Der wichtigste Gast schaffte es pünktlich von den Koalitions­verhandlun­gen in Berlin zum Stadtsaal

- VON CORDULA HOMANN

Dillingen Bis Mittwochmo­rgen 3 Uhr nahm Barbara Stamm an den Koalitions­verhandlun­gen teil. Dann fuhr die bayerische Landtagspr­äsidentin zum Berliner Flughafen und schrieb ihrem Parteivors­itzenden noch eine SMS. „Darf ich jetzt ins Flugzeug steigen?“Die Antwort: „Ok.“Neun Stunden später marschiert Barbara Stamm durch den vollen Dillinger Stadtsaal. Rund 400 Landfrauen füllen die Reihen.

Kreisobman­n Klaus Beyrer hält noch eine feurige Rede auf die „geballte Kraft der Weiblichke­it“, die ihm gegenüber sitzt. Die Bäuerinnen seien aufgrund der Entwicklun­g in der Landwirtsc­haft inzwischen Mitunterne­hmerinnen ihres Betriebes. Manche gehen dazu noch arbeiten, Teilzeit oder Vollzeit. Von der Schublade mit den drei „K“– „Kinder, Kuhstall, Kittelschü­rze“habe sich der Alltag der Bäuerin komplett verabschie­det.

Landtagspr­äsidentin Barbara Stamm freut sich, endlich wieder in der Heimat angekommen zu sein. Heimat ist das Jahresthem­a der Landfrauen in Bayern. Um dieses Thema dreht sich auch Stamms Vortrag. Im Zuge der Globalisie­rung habe man gedacht: Heimat braucht man nicht mehr. Doch die Menschen würden wissen wollen, wo sie hingehören. Selbst die junge Generation, die im Beruf mobil sein muss, sei irgendwo verwurzelt. Heimat sei aber kein Museum, sondern müsse aktiv gestaltet werden. Dazu gehören laut Stamm Themen wie die Digitalisi­erung, öffentlich­er Personenna­hverkehr, die Unterstütz­ung junger Familien, die wohnortnah­e Versorgung von Senioren, Entbürokra­tisierung. Auch im ländlichen Raum, denn: „Wenn das Land aufhört zu atmen, ersticken die Städte.“

Deswegen müssten gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse die Richtschnu­r sein. Die Politik gebe dafür den Rahmen. „Aber wir brauchen auch Menschen dafür. Wir brauchen auch die, die sich engagieren.“So wie zum Beispiel die Landfrauen, die im vergangene­n Jahr unter anderem 1500 Kinder auf 30 Betrieben gezeigt haben, wie dort gearbeitet wird. Das hatte Kreisbäuer­in Annett Jung eingangs gesagt.

Seit einem Jahr ist die Sonderheim­erin im Amt. Weil sie nicht wusste, wann und ob Barbara Stamm überhaupt nach Dillingen kommt, schrieb sie nachts noch eine lange Rede, um eine mögliche Pause zu überbrücke­n, befreite ihre Vorredner von jeglichem Zeitlimit und fragte sich, warum Dillingen eigentlich keinen Flughafen hat.

Das greift Dillingens Oberbürger­meister Frank Kunz auf und verweist auf den bereits vorhandene­n Hubschraub­erlandepla­tz in der Großen Kreisstadt. „An einem Flugplatz arbeiten wir“, verspricht er augenzwink­ernd. Dann gratuliert er den Landfrauen zum 70-jährigen Bestehen. Sie würden die bäuerliche Tradition pflegen, die die Region erst zu dem gemacht habe, was sie heute ist. Kunz erinnert daran, dass alles, was die Kunden wollen – regionale, saisonale, nachhaltig­e und gesunde Lebensmitt­el – die Landwirte herstellen.

Die Flughafen-Idee spinnt Landrat Leo Schrell gleich weiter und sinniert über eine vierspurig­e B 16 als Landebahn. In seinem Grußwort lobt er die Landfrauen dafür, dass sie nicht nur sehr verantwort­lich auf ihrem Hof arbeiten, sondern sich auch in vielen Funktionen und Ämtern ehrenamtli­ch engagieren. Durch ihr Engagement würden sie das kulturelle Leben in den Gemeinden und den sozialen Standard der Bürgergese­llschaft bereichern. Dabei verweist er auf den Landfrauen­chor. Dieser hatte zusammen mit Dillingens Stadtpfarr­er Wolfgang Schneck und Pfarrer Manuel Kleiner eine Andacht zum Beginn des Tages gestaltet. Der Chor feiert in diesem Jahr sein 40-jähriges Bestehen.

Auch Thomas Schwarzbau­er, Vorstandsv­orsitzende­r der Dillinger Sparkasse, träumt hinter dem Rednerpult von einem Flughafen. Klaus Beyrer solle dafür noch eine Cargohalle bauen – „und wir finanziere­n sie“. Die finanziell­e Unterstütz­ung für den Landfrauen­tag wurde dieses Mal überwiesen, Schwarzbau­er gibt bedauernd zu, er habe kein Geld dabei.

Als dann tatsächlic­h und zur spürbaren Erleichter­ung aller die Landtagspr­äsidentin hereinkomm­t, lässt Kreisbäuer­in Annett Jung kurzerhand ihre Rede sausen. „Die hört Ihr dann ein anderes Mal.“

Nach dem Mittagesse­n gibt es im Dillinger Stadtsaal noch eine kleine Zeitreise: Die Frauen präsentier­en Mode aus den vergangene­n 70 Jahren. Wunderschö­ne Dirndl, Hüte, Jacken, Mäntel und mehr werden gezeigt. Und dann kann Annett Jung noch einen weiteren besonderen Gast präsentier­en: die amtierende bayerische Waldprinze­ssin Maria Sinning aus Hettlingen. Zusammen führen die beiden Frauen noch ein Interview, bevor der Tag mit vielen Gesprächen untereinan­der ausklingt.

Denn auch das hat Barbara Stamm dem Publikum mit auf den Weg gegeben: „Das Schönste, was wir uns schenken können, ist die Zeit. Es gibt kein schöneres Geschenk. Lassen Sie sich diese Zeit nicht nehmen.“

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Foto: Homann Beim Landfrauen­tag ist der Dillinger Stadtsaal jedes Jahr voll. im Bild von links Dillingens Oberbürger­meister Frank Kunz, Landrat Leo Schrell, Kreisbäuer­in Annett Jung, Landtagspr­äsidentin Barbara Stamm, Thomas Schwarzbau­er, Vorstandsv­orsitzende­r der...

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