Ohrwürmer begeisterten im Festsaal des Dillinger Schlosses
Die Wagner-Stipendiaten präsentieren bekannte, aber anspruchsvolle Kompositionen
Dillingen Seit der Ohrwurm nicht nur in der Biologie, sondern auch in die Musik zu Hause ist, quält oder erfreut er das Ohr von Millionen Menschen. Beim „Ohrwurm“-Konzert des Kulturrings im Festsaal des Dillinger Schlosses sorgte das magische Geschöpf für pure Freude.
Als die vier Stipendiaten des Richard-Wagner-Verbandes Ulm/ Neu-Ulm vierzehn Ohrwürmer aus aller Welt zu neuem Leben erweckt hatten, sorgten die Besucher im restlos besetzten Saal für südländischen Jubel. Das war nur konsequent. Denn der Vortrag berühmter Kompositionen verknüpfte hohen Kunstgenuss mit der Freude des Wiedererkennens. Dabei setzte das Künstlerteam nicht auf die flache Faszination von Gassenhauern. Die Ohrwürmer des Programms kamen vor allem aus dem Milieu des Konzerts und der Oper. Die Dillinger Sopranistin Miriam Galonska, die luxemburgische Cellistin Anne Schumacher, der aus Ulm stammende Bariton Konstantin Krimmel demonstrierten, am Klavier begleitet vom neuseeländischen Pianisten Marcus McLaren, dass der Ohrwurm ein anspruchsvolles Wesen sein kann.
Besonders gefeiert wurden verständlicherweise die Auftritte Miriam Galonskas. Die Dillinger Diplom-Konzertsängerin hat, gefördert von Carmen Hanganu, inzwischen umfassende Bühnen- und Konzerterfahrungen gesammelt. Mit der „Habanera“aus Bizets „Carmen“verdeutlichte sie die Fä- das beeindruckende Volumen ihrer Stimme mit viel Charme und Esprit zu verbinden. Die eigenwillige Kompositionsstruktur in Gershwins „Summertime“interpretierte sie als das Tongemälde einer verträumten Seele. Und mit Lehárs „Giuditta“-Lied „Meine Lippen, sie küssen so heiß“zeigte Miriam Galonska, dass sie den von Anna Netrebko in Baden-Baden geschaffenen Konkurrenzohrwurm nicht fürchten musste.
Einen starken Eindruck von der Kultur, der Vehemenz und der Sensibilität seiner Stimme hinterließ auch der Bariton Konstantin Krimmel. Schon der Programmauftakt der Goethe-Ballade „Prometheus“wurde zu einem besonderen Hörhigkeit, erlebnis, weil Krimmel die Gefühlsbreite dieses Sturm-und-Drang-Gedichts in der romantisierenden Schubert-Vertonung als ein Kontrastgebilde aus donnerndem Protest und empfindsamem Selbstmitleid deutete. Mit differenzierendem Lautstärkewechsel sicherte der Bariton dem Heine-Gedicht „Belsazar“in der musikalischen Fassung von Robert Schumann einen hochdramatischen Charakter.
Die Cellistin Anne Schumacher demonstrierte ihre Kunst beispielsweise mit Edward Elgars „Salut d’amour“. Ohne jede Sentimentalität verlieh sie dem Werk schon deshalb ein Höchstmaß an melodiöser Schönheit, weil der Gegensatz von Höhen und Tiefen, von Forte und Piano den romantisierenden Code von der großen Liebe meisterhaft wiedergab. Und den berühmten „Czardas“von Monti servierte das Cello Anne Schumachers als Studie tänzerisch geäußerter Mentalität, die in Wildheit und Melancholie traditionsgemäß den ungarischen Volkscharakter schildert und im ausklingenden Flageolett überhöht wird. Allen Programmnummern gab Marcus McLaren das pianistische Gewand. Seine absolute Sicherheit koordinierte das oftmals dialektische Zusammenspiel mit Sängerin, Sänger und Cello. Frappierend wirkte seine Kunst, durch Anschlag, Pedaleinsatz, Tempo und Kolorit die Unterschiedlichkeit der einzelnen Stücke schon in Einleitungen hörbar zu machen.
Der „Ohrwürmer“-Abend wurde von den Firmen Marquardt, Vogt, Reichardt, Kimmerle, HKM und Galonska mitgesponsert. Den begeisterten Musikfreunden, die von Kulturring-Leiter Werner Bosch begrüßt worden waren, erläuterte Viola Lachenmann die Arbeit des Richard-Wagner-Verbandes in Ulm. Da passte die Zugabe. Der bekannteste Walzer von Johann Strauß wurde in diesem Zusammenhang zu einer Hymne auf das blühende kulturelle Leben an der Donau.