Barrieren behindern alle
Plötzlich braucht Oma einen Rollstuhl – wie kommt sie jetzt allein zuhause zurecht? In Dillingen gibt es Unterstützung. Von den Tipps für daheim profitiert nicht nur Oma
Dillingen Samstagmittag, endlich vom Einkaufen zurück. Mit Wucht werden die Tüten die drei Stufen zum Eingang hochgehievt. Kaum in der Wohnung, bleibt eine Tüte an der Klinke hängen, dann stolpert man über einen Kinderschuh im dunklen Flur im Weg und bleibt am Teppich hängen. Schwupps sind die frischen Eier kaputt.
In einer barrierefreien Wohnung wäre das nicht passiert: Ohne Stufen zur breiten Eingangstür, dahinter ein geräumiger, hell erleuchteter
Flur, vielleicht mit einer kleinen Sitzgelegenheit zum Durchschnaufen oder Schuhe binden – das würde nicht nur alten Menschen helfen. „Das Thema ist wichtig“, sagt Isolde Demharter vom Landratsamt. „Und es wird immer wichtiger“, ergänzt Ursula Mittring von Regens Wagner in Dillingen.
In den meisten Fällen, die die beiden bearbeiten, muss es schnell gehen. Etwa, weil die Oma ins Krankenhaus kam und sich danach nicht mehr so sicher und gut bewegen kann. Oder einen Rollstuhl braucht. wie soll sie sich dann noch selbst versorgen? Wie kommt sie in ihre Wohnung? Kann sie noch selbst kochen? Und wie gelangt sie in ihr Schlafzimmer im ersten Stock? Viele Fragen, die die Angehörigen haben, können die beiden Frauen direkt beantworten. Meist will die Oma so lange wie möglich zuhause bleiben. Isolde Demharter, die auch das seniorenpolitische Gesamtkonzept im Landkreis betreut, erinnert daran, dass auch die Pflege und Einkäufe organisiert werden müssen, etwa über die Nachbarschaftshilfe. Schon im Krankenhaus gibt der Sozialdienst wichtige Hinweise und berät. Ambulante und stationäre Hilfen arbeiten im Landkreis eng zusammen, loben die beiden Frauen. Bei einer Pflegebedürftigkeit unterstützt die Pflegekasse, bei einer allgemeinen Umgestaltung eines Hauses der soziale Wohnungsbau. Beide sind am Landratsamt angesiedelt. Ursula Mittring schaut sich auch Häuser und Wohnungen vor Ort an und gibt Tipps. „Am besten gibt es gar keine Barrieren.“Treppenaufgänge zur Haustür etwa: Damit ein Rollstuhlfahrer Stufen überwinden kann, sollte die Steigung maximal sechs Prozent betragen. Manchmal sei der Platz für eine entsprechend lange Rampe gar nicht vorhanden, dann muss unter Umständen der Eingang verlegt werden. Oft fange das Problem vorher an, auf dem Wohnungsmarkt: Gerade, wenn jemand aus der stationären in die ambulante Pflege wechseln könnte, findet er kaum eine Wohnung, sagt Ursula Mittring. „Es ist ja toll, wenn jemand diesen Weg schafft, aber dann scheitert es daran, dass er keine Unterkunft findet.“Dass es kaum bezahlbaren Wohnraum für sozial Schwache gibt, sei ein massives Problem.“Mittring verweist dann auf die Wohnungsbaugesellschaft. Manchmal landet sie auch in einer Wohnung, wo sich soviel anDoch gesammelt hat, dass Entrümpeln nötig wäre. Oder die Familie will nicht auf die Badewanne verzichten, womit der Platz für eine neue barrierefreie Dusche fehlt. Besonders nachdenklich stimmte Mittring eine Frau ohne Bett. Sie schlief im Sitzen, weil sie es so wollte. „Wir können nur Tipps und Hinweise geben, aber jeder fällt seine eigene Entscheidung darüber, wie er wohnen möchte. Das muss man akzeptieren“, sagt sie. Bei Um- und Neubau sei auch die Architektenkammer eine nützliche Anlaufstelle, betonen die beiden Frauen. Die Architekten hätten ein gutes Netzwerk – etwa für den barrierefreien Umbau des Bades. Doch vor allem fallen beiden Eingänge fremder Häuser auf: Sie empfehlen schwellenfreie Zugänge vorne und zum Garten, breite Türen – und die zu den Sanitärräumen – sollten nach außen aufgehen. Generell sei eine gute Beleuchtung wichtig, nicht nur in Flur und Treppenhaus, sondern auch in der Küche oder am Lieblingsplatz. Ergonomische Messer, eine Sitzgelegenheit in der Küche, ein Schneidbrett, das einhändiges Arbeiten ermöglicht; dass man sich sitzend im Bad die Haare im Waschbecken waschen kann oder sich selbst im Spiegel sieht, könne auch helfen. Bei Neubauten erinnert Ursula Mittring an das Zwei-Sinne-Prinzip: Für Menschen, die nicht mehr gut gut hören, eignet sich etwa ein Haustelefon mit Kamera, damit sie sehen, wer vor der Tür steht. Es gebe unterschiedliche Fördermöglichkeiten auch für den Schutz vor Einbrechern. Und dann alle Stolperfallen beseitigen. Auch die „fliegenden Teppiche“. Laut Isolde Demharter können schon kleine Maßnahmen helfen. „Das ist das Schöne.“
Kontakt Die Wohnraumberatung am Dillinger Landratsamt ist unter Telefon 09071/510 erreichbar.