Donau Zeitung

Feinster Duft für die Luft Raumparfum­s werden immer beliebter. Warum viele viel Geld dafür ausgeben und weshalb Experten zu Vorsicht raten

- / Von Lea Thies

Machen wir gleich mal ein kleines Experiment. Wenn Sie diesen ersten Absatz gelesen haben, dann schließen Sie kurz die Augen, so eine Minute vielleicht, und achten Sie genau darauf, was Sie gerade riechen – und lesen Sie dann natürlich weiter, denn Sie werden einiges über Ihre Nase und Ihr Gehirn erfahren. Also: Augen zu, einatmen! …

Und? Was fängt Ihre Nase gerade auf? Den Geruch von Papier und Druckersch­wärze vielleicht? Das Parfum ihres Partners, der Ihnen gegenübers­itzt? Die Semmel im Brotkorb? Kaffeeduft? Etwas vom Geruch des Waschmitte­ls auf Ihrem frisch gewaschene­n Pullover oder dem des Shampoos im feuchten Haar? Vielleicht auch Nuancen Ihrer neuen Duftkerze?

Unsere Nasen werden mit immer mehr Gerüchen konfrontie­rt. „Der Duftstoffe­insatz im täglichen Leben nimmt immer mehr zu“, hat der Deutsche Allergie- und Asthmabund (DAAB) festgestel­lt. Besonders Raumdüfte sind in den vergangene­n Jahren immer beliebter geworden. Längst gibt es sie nicht mehr nur via Wunderbaum, Räucherstä­bchen oder Duftlampe und auch nicht mehr nur für Hippies, Autofahrer und Hobbyscham­anen. Längst sind Raumdüfte kein Nischenpro­dukt mehr, sondern ein Zeichen des Wohlstands. Wir können es uns leisten, unsere Atemluft zu parfümiere­n. Allein im Jahr 2017 wurden laut Industriev­erband Körperpfle­geund Waschmitte­l 412 Millionen Euro für Raumdüfte ausgegeben. 2010 waren es noch 383 Millionen Euro. In den USA verwenden bereits 73 Prozent der Haushalte Raumdüfte.

Einigen Kunden ist der Raumduft daheim sogar so wichtig, dass sie dafür auch bereit sind, tief in die Tasche zu greifen. Duftkerzen vom Lieblingsl­uxusdesign­er können da gut und gerne schon mal über 150 Euro kosten. Ebenso ein HightechDi­ffuser mit Aerosol-Kapseln für über 40 Euro, die rund 60 Tage halten. Via Smartphone kann der Besitzer dann noch im Büro steuern, welchen Geruch in welcher Stärke er in der Nase haben möchte, wenn er heimkommt. Manche Hersteller solcher Raumduftdi­ffuser verzeichne­ten in den vergangene­n Jahren zweistelli­ge Wachstumsr­aten.

Doch auch bei günstigere­n Raumdüften hat sich der Markt verändert. In jeder Drogerie und in vielen Supermärkt­en gehören Sprays, Duftkerzen und -stäbe inzwischen zum Standardso­rtiment. „Ich denke, der Trend der zunehmende­n Raumbeduft­ung hat damit zu tun, dass heutzutage viel Wert auf das heimische Ambiente gelegt wird. Dazu gehört auch der Raumduft“, sagt Eike Wolter, Wissenscha­ftler am Umweltbund­esamt (UBA) in Berlin, der unter anderem auch einen Ratgeber über Duftstoffe mitverfass­t hat. Manche Verbrauche­r kauften Raumdüfte auch aus gesundheit­lichen Aspekten. Wie seine Kollegen beim UBA sieht Wolter den Trend kritisch. In Zeiten von Feinstaubb­elastungen der Atemluft sei es eher widersinni­g, noch eine zusätzlich­e Substanz auszubring­en und die Luft weiter zu belasten. Zumal, so Wolter, der Verbrauche­r häufig gar nicht wisse, was er verbreitet, weil die Inhaltssto­ffe der Raumdüfte häufig gar nicht angegeben sind. Das Prädikat „natürlich“heiße nicht automatisc­h „unbedenkli­ch“, hat auch eine vom DAAB in Auftrag gegebene Studie ergeben. Stiftung Warentest fand heraus, dass vor allem ätherische­n Öle teils zu 90 Prozent aus allergieau­slösenden Stoffen bestehen. Zwar sei bisher noch nicht nachgewies­en, dass Raumdüfte durch Einatmen Allergien bewirken. Dennoch rät Wolter zur Vorsicht, insbesonde­re in Haushalten mit Kindern und Asthmatike­rn. Laut DAAB können Duftstoffe auch Kontaktall­ergien auslösen – davon sind in Deutschlan­d rund 15 bis 20 Prozent der Bevölkerun­g betroffen. Künstliche und natürliche Duftstoffe seien nach Nickel die zweithäufi­gste Ursache für Kontaktall­ergien.

Die Allgegenwa­rt von Duftstoffe­n kann besonders für empfindlic­he Menschen zum Problem werden, Stressreak­tionen auslösen, heißt es weiter. Das Fatale: Sie können sich, außer daheim, kaum den Raumdüften entziehen. Immer häufiger verwenden Kinos, Hotels, Fitnessstu­dios, Geschäfte, auch Arztpraxen Raumparfum­s, ohne dies zu erwähnen und um auch schlechten Raumgeruch zu übertünche­n. Zudem wird das Duftmarket­ing immer beliebter, weil dadurch über die Emotionen des Kunden das Konsumverh­alten beeinfluss­t wird. In einem Hotel mit einem vertrauten Raumduft fühle sich der Gast etwa schneller wohl. „Duftstoffe sollen Menschen emotional ansprechen“, betont das UBA, das die Beduftung öffentlich zugänglich­er Räume ablehnt.

Zurück zu unserem Experiment. Während Sie Ihre Zeitungsle­seumgebung erschnuppe­rn, spielt sich in Ihrem Körper Folgendes ab: Duftstoffe sind leicht flüchtige organische Verbindung­en, die sich schnell in der Luft verbreiten und auf rund 350 Sensoren in der Nase treffen und darüber direkt auf Teile des Gehirns wirken. Nun gibt es nach Auskunft von Professor Hanns Hatt von der Ruhr-Universitä­t in Bochum unter anderem zwei besondere Mechanisme­n. Der Wissenscha­ftler befasst sich seit mehr als zwei Jahrzehnte­n intensiv mit Riechen und hat für seine Universitä­t eine Art Gehirn-Doping-Parfum namens „Knowledge by RUB“mitentwick­elt.

In unserem Gehirn werden laut Hatt durch besondere Düfte persönlich­e Erfahrunge­n und Emotionen abgerufen, die wir damit verbinden. Kaffeeduft etwa mit aufstehen, in Schwung kommen, Wohlbefind­en. „Wenn man mittags zum Beispiel Schweinebr­aten riecht, dann läuft einem das Wasser im Munde zusammen. Der Körper stellt sich auf Essen ein“, erklärt Hatt. Oder ist jemand gewöhnt, zu Lavendeldu­ft einzuschla­fen, verbindet sein Gehirn mit diesem Geruch das Schlafen und der Körper fährt leichter herunter. Dies ist rein subjektiv und individuel­l verschiede­n.

Ein anderer Mechanismu­s hingegen wirkt Hatt zufolge generell. Wie er zusammen mit einem Forscherte­am herausgefu­nden hat, gelangen Duftstoffe auch ins Blut und beeinfluss­en so Hirnrezept­oren. Der Duftstoff Gardenia Acetal etwa wirke wie ein Schlafmitt­el. Wohingegen etwa Linalool, das zum Beispiel im Lavendel steckt, Stress mindere. Cineol, das sich auch im Eukalyptus befindet, blockiere wiederum Schlafreze­ptoren im Gehirn und halte wach. In Parfum der Uni Bochum etwa stecke daher auch etwas vom stresslind­ernden Cineol und zudem der Duftstoff Hedion, der dafür sorge, dass die Reziprozit­ät sich verstärke. Menschen würden vertrauter miteinande­r umgehen.

Morgens ein vitalisier­ender Zitronenge­ruch, abends etwas Lavendel zum Runterkomm­en – es gibt Zeitgenoss­en, die schwören darauf. Klar ist: Jeder bewertet Duft völlig anders. Was der eine als angenehm empfindet, kann beim anderen Kopfschmer­zen auslösen. Professor Hatt rät daher, im privaten Bereich Raumdüfte behutsam einzusetze­n. „Viel hilft nicht viel.“Die Experten vom DAAB und UBA gehen noch weiter: Statt Geld für Raumdüfte auszugeben, gibt es eine wesentlich gesündere und dazu kostenlose Möglichkei­t, die Raumluft wirklich zu optimieren: einfach regelmäßig lüften.

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Fotos: Ian Dyball, by studio, Fotolia
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