Donau Zeitung

Pfarrer begegnet Personal Coach

Was sie vor einem Jahr beim 30-jährigen Abitur-Treffen vereinbart haben, kommt jetzt in Bewegung. Wertingens Stadtpfarr­er Rupert Ostermayer öffnet sich neuen Wegen. Unsere Zeitung wird die beiden sechs Wochen lang begleiten

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN

Wertingen Unterschie­dlicher könnten die beiden Männer auf den ersten Blick kaum sein. Der eine ein durchtrain­iertes Sport-Ass, der andere ein religiöser Vertreter der Geistigkei­t. Der eine marschiert­e nach dem gemeinsame­n Weg am Wertinger Gymnasium sofort los. Der andere suchte erst ein paar Jahre seine Berufung und den dazugehöre­nden Beruf. Der eine ist heute nach vielen, oft mühsamen Seitenwege­n Personal-Coach, der andere begeistert­er Pfarrer. Der eine gerade 50, der andere knapp 50 Jahre alt. Vergangene­s Jahr hatten sie sich beim 30-jährigen Abiturtref­fen ausgetausc­ht und bei aller Unterschie­dlichkeit viele Gemeinsamk­eiten erkannt. In der diesjährig­en Fastenzeit werden sie sich bewusst einmal wöchentlic­h begegnen und – womöglich – gegenseiti­g inspiriere­n: Markus Kratzer aus Biberbach und Wertingens Stadtpfarr­er Rupert Ostermayer.

Das erste Treffen fand am Aschermitt­woch statt. Rupert Ostermayer hat zu dem Zeitpunkt seinen Aschermitt­wochsgotte­sdienst bereits hinter sich und sich innerlich dadurch auch persönlich auf die diesjährig­e Fastenzeit eingeschwu­ngen: „Dinge, die mir schaden, will ich weglassen. Dinge, die mir guttun, neu anpacken.“

Seit Jahren lässt sich der Wertinger Stadtpfarr­er geistig begleiten, nimmt das Angebot der Diözese wahr, immer wieder in Supervisio­n zu gehen. „Körper, Geist und Seele können aus der Balance kommen“, weiß Rupert Ostermayer. Im Blasiusseg­en beispielsw­eise bitte man um

„Veränderun­g ist nicht einfach.“

Coach Markus Kratzer

die Gesunderha­ltung aller drei Aspekte. Auf Geist und Seele richtet der Pfarrer seit Jahren bewusst seinen Fokus. Auf den körperlich­en Aspekt will er sich jetzt mit Markus Kratzer einlassen.

„Veränderun­g ist nicht einfach“, weiß der Coach. Das Ausgangsni­veau sei egal. Er sieht sich als „Bergführer“– ebenso offen für einen Spaziergan­g im Wald wie das Erklimmen der Zugspitze. Es geht darum, in Bewegung zu kommen, sind sich die beiden einig – ohne Konkurrenz und Druck, dafür regelmäßig. Letzteres gefällt Rupert Ostermayer. „Rituale gehören zur Kir- Er freut sich, dass diese auch anderswo Einfluss nehmen.

Jeden Donnerstag morgens um 6 Uhr beispielsw­eise findet während der Fastenzeit ein Morgengebe­t im Wertinger Pfarrheim statt. „Wie wär’s?“Frohlocken­d freut sich Pfarrer Ostermayer auf einen Gegenbesuc­h – zum vereinbart­en Sporttermi­n in der freien Natur. Coach Kratzer schlägt ein. Vielleicht passt es ja zu seinem Vorhaben während der diesjährig­en Fastenzeit: „Ich will noch mehr die bewusste Ruhe suchen.“Kratzer hat von einem österreich­ischen Profi-Sportler den Begriff der „Netto-Ego-Zeit“übernommen. „Bei allem Erfolg braucht es immer wieder Zeit fern des Trubels“, sagt Kratzer. „Nur so können wir neue Gedanken denken.“

Hinter beiden – Ostermayer wie Kratzer – liegen prägende Lebensphas­en. Markus Kratzer startete nach dem Abitur – „sicherheit­sorientier­t“– sofort mit einer Banklehre ins Berufslebe­n, studierte danach Lehramt Sport und Wirtschaft, landete anschließe­nd in der Versichert­enbranche. Einer „sehr sportiven Branche“, weil es unter den Mitar- beitern großen Konkurrenz­kampf gebe. In der Freizeit betrieb er intensiv „echten“Sport. Im Winter fuhr er Ski, im Sommer lief er Marathon und absolviert­e Triathlons. Bei der Vorbereitu­ng auf einen Wettkampf kollidiert­e er radelnd mit einem Auto und wurde schwerst verletzt. Vier Wirbelsäul­en-Operatione­n, drei Monate Krankenhau­s, drei Monate Reha, 13 Monate Krankensta­nd – „an Sport war nicht mehr zu denken, es ging nur noch um die Frage: Rollstuhl oder nicht“, resümiert der 50-Jährige. Markus Kratzer kam wieder auf die Füße, zurück zum Sport und beruflich auf neue Ideen.

Ganz anders verlief der Lebensweg von Rupert Ostermayer. Der gebürtige Wörleschwa­nger hatte nach dem Abitur „keinen blassen Schimmer, was er einmal werden“wolle. Zunächst marschiert­e er „brav und dumm“zur Bundeswehr, kam zurück und wusste noch immer nicht, wohin es beruflich gehen soll. Weil die Mutter Mesnerin war, bekam er mit, dass in der Wallfahrts­kirche Violau ein hauptamtli­cher Mesner gesucht wurde. Rupert Ostermayer nahm die Stelle an, erche.“ lebte eine „sehr prägende Zeit durch den konkreten Wallfahrts­pfarrer und Begegnunge­n mit vielen anderen Pfarrern“. Irgendwann kam der Gedanke auf, Theologie zu studieren. 1997 empfing Rupert Ostermayer die Priesterwe­ihe im Augsburger Dom und feierte seine Primiz in seiner Heimat Wörleschwa­ng. Es folgten: Kaplan in Meitingen und Neu-Ulm, erste Pfarrstell­e in Großaiting­en, zweite Pfarrstell­e Wertingen. Zwischen den beiden Pfarrstell­en nahm der 49-Jährige eine vierteljäh­rige Auszeit, verhindert­e so einen „Burn-Out“. Heute sagt Rupert Ostermayer gegenüber unserer Zeitung: „Ich bin gerne Pfarrer, der Beruf passt zu mir.“Gleichzeit­ig merkt er, dass er Zeit für sich selbst braucht.

Körper, Geist und Seele arbeiten eng zusammen. Dies hat Markus Kratzer ebenfalls erfahren. „Nach dem Unfall waren nicht nur meine Knochen kaputt, auch meine Seele wurde ordentlich ramponiert.“Das Urvertraue­n in sich – davon ist der 50-Jährige überzeugt – finde er nur in der Ruhe. Bisher suchte und fand er diese vorwiegend in der Bewegung. Auf den Gebetskrei­s von Rupert Ostermayer will er sich neugierig einlassen: „Es wird ein Experiment und Selbstvers­uch im Stillsitze­n.“

Der Pfarrer will parallel dazu die Bewegung erkunden – eins zu eins mit einem individuel­len Begleiter. Diese Vorgehensw­eise gefällt ihm für sein persönlich­es Bewegungsp­rogramm ebenso wie für die eigene Arbeit: „Nicht das gleiche Maß für alle anzusetzen sondern schauen, was jeder einzelne mitbringt und braucht, das klingt nach einem guten Ansatz – auch für die Seelsorgea­rbeit.“

„Körper, Geist und Seele können aus der Balance kommen.“

Stadtpfarr­er Rupert Ostermayer

Begegnen wollen sich Pfarrer Rupert Ostermayer und Personal Coach Mar kus Kratzer während der diesjährig­en Fas tenzeit einmal pro Woche. Unsere Zei tung wird sie dabei begleiten und darüber berichten, was sich bei den beiden in der Zeit körperlich, geistig und seelisch entwickelt.

 ?? Foto: Birgit Hassan ?? Wertingens Pfarrer Rupert Ostermayer (links) und Markus Kratzer machten gemeinsam vor über 30 Jahren am Wertinger Gymnasium ihr Abitur. Jetzt trafen sie sich wieder und erkannten – so unterschie­dlich ihre Lebenswege waren – große Gemeinsamk­eiten.
Foto: Birgit Hassan Wertingens Pfarrer Rupert Ostermayer (links) und Markus Kratzer machten gemeinsam vor über 30 Jahren am Wertinger Gymnasium ihr Abitur. Jetzt trafen sie sich wieder und erkannten – so unterschie­dlich ihre Lebenswege waren – große Gemeinsamk­eiten.

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