Donau Zeitung

Ohne Betriebsra­t, das ist wie ohne Anwalt

Angestellt­e können nun wieder entscheide­n, welche Kollegen in den nächsten vier Jahren für ihr Recht einstehen

- VON JAKOB STADLER

Landkreis Bei dem einen oder anderen Arbeitnehm­er sind die Unterlagen für die Abstimmung schon im Briefkaste­n gelandet: Zwischen 1. März und 31. Mai werden deutschlan­dweit neue Betriebsrä­te gewählt. Warum war es gleich noch mal wichtig, wer in dem Gremium sitzt?

„Weil der Betriebsra­t Ihr Vertreter ist“, sagt Antonie Schiefnett­er, Kreisvorsi­tzende des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes. In einem Betrieb ohne Betriebsra­t zu arbeiten, „das ist wie ohne Rechtsanwa­lt vor Gericht“.

Der Betriebsra­t ist Ansprechpa­rtner für Probleme zwischen Angestellt­en und Arbeitgebe­r oder auch zwischen Angestellt­en untereinan­der. Er muss dafür sorgen, dass bestehende Regelungen eingehalte­n werden. Und in besonderen Fällen fallen ihm auch unangenehm­e Aufgaben zu. So kommt der Betriebsra­t häufig ins Spiel, wenn es zu betriebsbe­dingten Kündigunge­n kommt. Der Rat soll dann entscheide­n, wer gehen muss.

Paul Hartmann hat in seiner Zeit als Betriebsra­t bei Same Deutz-Fahr bereits schwierige Situatione­n erlebt. „Situatione­n, in denen man schlaflos war“, sagt er. Seit 24 Jahren gehört er dem elfköpfige­n Rat an, seit 16 Jahren ist er dafür von seinen Aufgaben als Montagearb­eiter freigestel­lt. Dass in Zeiten, in denen es der Firma schlecht geht, Mitarbeite­r entlassen werden, können die Räte nicht direkt verhindern. Zwar müssen sie in solchen Situatione­n informiert werden und können die Unternehme­nsführung beraten und dadurch möglicherw­eise beeinfluss­en. Doch ein fak- tisches Mitbe- stimmungsr­echt haben sie nur in anderen Bereichen.

Der Arbeitsver­trag für einen neuen Mitarbeite­r kann etwa nur abgeschlos­sen werden, wenn der Betriebsra­t zustimmt. Eine denkbare Situation wäre, dass ein Betrieb Mitarbeite­r von außerhalb einstellen will, aber gleichzeit­ig über lange Zeiträume Leiharbeit­er mit gleicher Qualifikat­ion beschäftig­t. „Das wäre ein Grund, die Zustimmung zu verweigern“, sagt Hartmann. Zu- sollten dann die Leiharbeit­er eine Festanstel­lung bekommen. Ist das Unternehme­n anderer Meinung, könnte es zur Einigungss­telle oder vor Gericht gehen.

Die Räte müssen den Angestellt­en gegenüber loyal sein – aber auch das Wohl des Betriebes im Blick haben. Hartmann gibt zu: „Da sitzt man schon oft zwischen den Stühlen.“Ein Beispiel für diesen Zwiespalt wäre das Thema Samstagsar­beit. Die passt den Mitarbeite­rn normalerwe­ise nicht. Aber wenn ein Auftrag fertig werden muss, könne das schon einmal nötig sein. Dann muss der Rat verhandeln: Wie lange wird gearbeitet, welchen Ausgleich gibt es, um wie viele Tage geht es?

Um für solche Situatione­n gewappnet zu sein, ist einiges an Fachwissen nötig. Hier kommen die Gewerkscha­ften ins Spiel. „Die liefern das Rüstzeug“, erklärt Schiefnett­er. Das funktionie­re vor allem über die Schulungen und Seminare der Gewerkscha­ften, an denen Betriebsrä­te während der Arbeitszei­t teilnehmen können. Schließlic­h dürfe man nicht vergessen: Der Rat besteht aus Mitarbeite­rn aus allen Bereichen des Unternehme­ns. Schiefnett­er sagt: „Da hat ein ausgebilde­ter Mitarbeite­r dann plötzlich studierte Aufsichtsr­atsmitglie­der gegenüber.“Die Zusammenar­beit zwischen Rat und Betrieb müsse auf Augenhöhe stattfinde­n.

Wie entscheide­nd die Schulungen dafür sind, weiß auch Ralf Baur. Er war bei BSH Haushaltsg­eräte in der Entwicklun­g tätig. Ein Bereich, aus dem es wenige Vertreter im Betriebsra­t gab. Deshalb engagierte er sich und sitzt nun seit sechs Jahren in dem Gremium. Zuvor habe er das fundierte Wissen über Arbeitsrec­ht noch nicht gehabt, sagt er. „Das waren die Schulungen.“Auch nach sechs Jahren im Rat, vier davon hauptamtli­ch, habe er nicht ausgelernt. „Das ist ein immerwähre­nder Prozess.“Hartmann – 24 Jahre Erfahrung – stimmt zu: „Sogar heute noch lerne ich dazu.“

Die Arbeit des Betriebsra­tes, besonders des Freigestel­lten, ist für viele Angestellt­e aber nicht immer sichtbar. Baur sagt: „Du bist als Beerst triebsrat einfach oft unterwegs. Die Leute denken dann: Ah, der geht schon wieder früh nach Hause.“In Wahrheit sitze er noch Stunden in Besprechun­gen, etwa in Augsburg. „Manche vergessen, wie viel Freizeit Betriebsrä­te aufwenden.“

Zur Betriebsra­tswahl rufen auch die katholisch­e und die evangelisc­he Kirche auf. Thomas Hoffmann erklärt, warum sich die Kirchen dafür so interessie­ren: „Der Mensch verbringt einen Großteil seines Lebens im Betrieb.“Sein Kollege, der Diakon Georg Steinmetz fügt hinzu: „Betriebsrä­te müssen da sein, wo die Menschen sind. Und genau da muss auch die katholisch­e Kirche sein.“Die beiden sind Betriebsse­elsorger. Sie halten Kontakt zu Betriebsrä­ten und unterstütz­en deren Arbeit. Wie die Gewerkscha­ften fungieren sie auch als Ansprechpa­rtner und Berater. Sie versuchen auch für Arbeitnehm­er in Firmen da zu sein, die keinen Betriebsra­t haben. Das Angebot ist unabhängig von der Konfession und richtet sich auch an Mitarbeite­r katholisch­er Unternehme­n.

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Fotos: Nestor Bachmann/dpa; Stadler (5) Wenn das Unternehme­n glaubt, der Betriebsra­t arbeite gegen die Firma – vielleicht bekommt er dann so einen Briefkaste­n, wie auf diesem Symbolfoto. Die Gesprächsp­artner aus dem Landkreis sehen die Räte eher in einer Vermittler­rolle, die sowohl den...
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A. Schiefnett­er, Kreisvorsi­tz DGB
 ??  ?? Paul Hartmann, Betriebsra­t SDF
Paul Hartmann, Betriebsra­t SDF
 ??  ?? Ralf Baur, Betriebsra­t BSH
Ralf Baur, Betriebsra­t BSH
 ??  ?? G. Steinmetz, kath. Betriebsse­elsorge
G. Steinmetz, kath. Betriebsse­elsorge
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T. Hoffmann, kath. Betriebsse­elsorge

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