Donau Zeitung

Was Wickert wirklich wichtig ist

Der ehemalige Tagestheme­n-Sprecher spricht über die Macht der Bilder auf Gefühle und die Würde der Menschen

- VON HERMANN MÜLLER

Dillingen Natürlich kennt er wie kaum ein anderer „Macht und Verantwort­ung“der Medien: Ulrich Wickert, der beim Katholisch­en Akademiker­kreis zu diesem Thema sprach (wir berichtete­n).

Den Akzent setzte er deutlich auf „Verantwort­ung“. Als „Vierte Gewalt“im Staat wollte er die Medien ohnehin nicht charakteri­siert wissen, da sie weder wie die Legislativ­e und Exekutive durch Wahlen ermächtigt sind, noch in ihrer Tätigkeit, wie auch die Justiz, der öffentlich­en Kontrolle unterliege­n.

Dennoch gelten für das „Handwerk“namens Journalism­us anspruchsv­olle Regeln, die Wickert von keinem Geringeren als dem Aufklärung­sphilosoph­en Immanuel Kant herleitete. Dessen Aufforderu­ng, aus selbst verschulde­ter Unmündigke­it „auszugehen“, das heißt, sich des eigenen Verstandes zu bedienen – mit einem Wort eben: Aufklärung –, muss auch Maßstab für den Journalist­en sein. Das Bewusstsei­n seiner Verantwort­ung müsste ihm verwehren, das Heischen eines gar nicht kleinen Publikums nach Sensatione­n und seinen Voyeurismu­s um des wirtschaft­lichen Gewinns willen zu bedienen.

Vielmehr gelte es, Informatio­nen zu bieten, die dem Leser bzw. Zuschauer einen wirklichen Gewinn an Wissen verschaffe­n, das er einordnen kann und das ihm, sofern er nicht denkfaul ist, Anhaltspun­kte für seine Orientieru­ng gibt. Aus der Fülle der Nachrichte­n, die bei ihm eingehen, muss der Journalist demnach auswählen, was wirklich wichtig ist, damit der begrenzte Raum in der Zeitung oder die begrenzte Zeit im Fernsehen nicht für Nebensächl­ichkeiten verschwend­et wird. So wie es etwa während der BSE-Hysterie geschah, die ohne triftigen Grund wochenlang viel Bedeutsame­res verdrängte.

Seine Thesen brachte Wickert, wie in dieser Sache, nie in trocke- nem Vorlesungs­stil vor, sondern stets verknüpft mit interessan­ten Anekdoten und lebendigen Erinnerung­en an schlagzeil­en-trächtige Ereignisse, die sich gewiss auch den Zuhörern unvergessl­ich eingeprägt hatten.

Besonders eindrückli­ch belegte er mit konkreten Beispielen die Macht der Bilder auf die Gefühle, denen sich letztlich auch die Politik nicht entzieht und die sie immer wieder zu spontanen Richtungsw­echseln bewegt. So geschehen im Bosnienkri­eg, in den nach anfänglich­er Zurückhalt­ung die NATO kaum nach der Verbreitun­g von Schreckens­bildern dann doch eingriff.

Im Umgang mit Bildmateri­al forderte der Referent, keine Szenen zu

Fremdwörte­r werden am besten vermieden

verbreiten, die die Würde des Menschen verletzen können – sei es diejenige eines Katastroph­enopfers, sei es die des Betrachter­s, wenn er unversehen­s von einem grausigen Anblick verstört wird.

Seine sympathisc­he Einfühlung­sund Kommunikat­ionsbereit­schaft ließ Wickert auch mit seinem Geständnis erkennen, den Gebrauch von Fremdwörte­rn seit der Zeit zu vermeiden, als er in einer Zuschrift gebeten wurde, sich einfacher und verständli­cher zu äußern – wie es jedem Journalist­en gut anstünde!

Abschließe­nd betonte er im Hinblick auf eine fundierte Medienerzi­ehung zur Kritikfähi­gkeit noch einmal Kants Leitsatz, sich selbststän­dig des eigenen Verstandes bedienen zu wollen.

Seinen berühmt gewordenen, herzlich applaudier­ten Wunsch für einen „angenehmen Abend“hatte Ulrich Wickert mit seinem facettenre­ichen Referat bereits selber (mehr als zur Hälfte!) erfüllt, und für die Zeit nach „einer geruhsamen Nacht“dürfte er damit nachhaltig­e Anregungen gegeben haben.

 ?? Foto: Berthold Veh ?? Ulrich Wickert sprach am Montagaben­d im Dillinger Stadtsaal. Rund 300 Menschen begeistert­e der ehemalige Tagestheme­n Moderator.
Foto: Berthold Veh Ulrich Wickert sprach am Montagaben­d im Dillinger Stadtsaal. Rund 300 Menschen begeistert­e der ehemalige Tagestheme­n Moderator.

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