Was Wickert wirklich wichtig ist
Der ehemalige Tagesthemen-Sprecher spricht über die Macht der Bilder auf Gefühle und die Würde der Menschen
Dillingen Natürlich kennt er wie kaum ein anderer „Macht und Verantwortung“der Medien: Ulrich Wickert, der beim Katholischen Akademikerkreis zu diesem Thema sprach (wir berichteten).
Den Akzent setzte er deutlich auf „Verantwortung“. Als „Vierte Gewalt“im Staat wollte er die Medien ohnehin nicht charakterisiert wissen, da sie weder wie die Legislative und Exekutive durch Wahlen ermächtigt sind, noch in ihrer Tätigkeit, wie auch die Justiz, der öffentlichen Kontrolle unterliegen.
Dennoch gelten für das „Handwerk“namens Journalismus anspruchsvolle Regeln, die Wickert von keinem Geringeren als dem Aufklärungsphilosophen Immanuel Kant herleitete. Dessen Aufforderung, aus selbst verschuldeter Unmündigkeit „auszugehen“, das heißt, sich des eigenen Verstandes zu bedienen – mit einem Wort eben: Aufklärung –, muss auch Maßstab für den Journalisten sein. Das Bewusstsein seiner Verantwortung müsste ihm verwehren, das Heischen eines gar nicht kleinen Publikums nach Sensationen und seinen Voyeurismus um des wirtschaftlichen Gewinns willen zu bedienen.
Vielmehr gelte es, Informationen zu bieten, die dem Leser bzw. Zuschauer einen wirklichen Gewinn an Wissen verschaffen, das er einordnen kann und das ihm, sofern er nicht denkfaul ist, Anhaltspunkte für seine Orientierung gibt. Aus der Fülle der Nachrichten, die bei ihm eingehen, muss der Journalist demnach auswählen, was wirklich wichtig ist, damit der begrenzte Raum in der Zeitung oder die begrenzte Zeit im Fernsehen nicht für Nebensächlichkeiten verschwendet wird. So wie es etwa während der BSE-Hysterie geschah, die ohne triftigen Grund wochenlang viel Bedeutsameres verdrängte.
Seine Thesen brachte Wickert, wie in dieser Sache, nie in trocke- nem Vorlesungsstil vor, sondern stets verknüpft mit interessanten Anekdoten und lebendigen Erinnerungen an schlagzeilen-trächtige Ereignisse, die sich gewiss auch den Zuhörern unvergesslich eingeprägt hatten.
Besonders eindrücklich belegte er mit konkreten Beispielen die Macht der Bilder auf die Gefühle, denen sich letztlich auch die Politik nicht entzieht und die sie immer wieder zu spontanen Richtungswechseln bewegt. So geschehen im Bosnienkrieg, in den nach anfänglicher Zurückhaltung die NATO kaum nach der Verbreitung von Schreckensbildern dann doch eingriff.
Im Umgang mit Bildmaterial forderte der Referent, keine Szenen zu
Fremdwörter werden am besten vermieden
verbreiten, die die Würde des Menschen verletzen können – sei es diejenige eines Katastrophenopfers, sei es die des Betrachters, wenn er unversehens von einem grausigen Anblick verstört wird.
Seine sympathische Einfühlungsund Kommunikationsbereitschaft ließ Wickert auch mit seinem Geständnis erkennen, den Gebrauch von Fremdwörtern seit der Zeit zu vermeiden, als er in einer Zuschrift gebeten wurde, sich einfacher und verständlicher zu äußern – wie es jedem Journalisten gut anstünde!
Abschließend betonte er im Hinblick auf eine fundierte Medienerziehung zur Kritikfähigkeit noch einmal Kants Leitsatz, sich selbstständig des eigenen Verstandes bedienen zu wollen.
Seinen berühmt gewordenen, herzlich applaudierten Wunsch für einen „angenehmen Abend“hatte Ulrich Wickert mit seinem facettenreichen Referat bereits selber (mehr als zur Hälfte!) erfüllt, und für die Zeit nach „einer geruhsamen Nacht“dürfte er damit nachhaltige Anregungen gegeben haben.