Eisige Temperaturen und volle Wartezimmer
Die eisige Kälte hat ernste Folgen: Die Grippewelle hat uns fest im Griff
Der Winter hat den Landkreis Dillingen im Griff – und die Grippewelle auch. Was hilft? Wir haben einen Arzt gefragt.
Landkreis Was für eine eisige Kälte. Der Landkreis zittert. In den vergangenen Tagen und Nächten sanken die Temperaturen fast bis zu minus 20 Grad – gefühlt noch viel kälter. Von der Russenpeitsche und der sibirischen Kälte ist die Rede. Waldemar Dietrich lacht. Er weiß, was es heißt, wenn es richtig kalt ist. Der Russlanddeutsche, der in Höchstädt lebt, kennt Temperaturen von bis zu minus 50 Grad aus seiner Heimat. Deshalb ist es für ihn im Landkreis gerade nicht kalt, sondern kühl. „Aber sehr kühl. Man kann die Kälte nicht vergleichen. Die feuchte Luft hier ist sehr unangenehm. In Russland ist die Luft viel trockener“, sagt Dietrich. Dort sei es zwar dann kälter, aber angenehmer. Aktuell hat es seiner Heimat zwischen minus 30 und minus 35 Grad, erzählt er. „Als kleine Jungs haben wir auch bei dieser Kälte draußen Eishockey gespielt. Das war kein Problem“, erinnert er sich. Sein Tipp gegen die Kälte: eine lange Unterhose. „Das reicht“, sagt er und lacht.
Für viele Menschen im Landkreis reichen mehrere Klamottenschichten nicht aus. Sie erwischt es trotzdem mit einer schlimmen Erkältung oder gar einer heftigen Grippe. Das bestätigt auch Dr. Alexander Zaune. Der Dillinger Allgemeinmediziner erzählt, dass die Praxen im Landkreis häufig „brechend voll“sind. Diese Woche habe er teils an einem Tag mehr als hundert Patienten behandelt, bei Kollegen sehe es ähnlich aus. Die Diagnose: viele Erkältungen, echte Grippen, bakterielle Infekte, Lungenentzündungen – zusätzlich zum „normalen Alltagsgeschäft“. Zaune erzählt auch von „echten“Notfällen wie akutem Koronarsyndrom, Schlaganfall, Thrombosen oder Lungenembolie. „Auch die Gelenkbeschwerden sind naturgemäß in der kalten Zeit mehr“, so der Sprecher der Hausärzte im Landkreis. In diesem Zusammenhang weist Zaune darauf hin, dass er die Regelung, dass der Staat es Arbeitgebern ermöglicht, von Mitarbeitern schon ab dem ersten Krankheitstag ein Attest einzufordern, als „Irrsinn“empfindet.
Der erfahrene Mediziner rät zum Schutz vor Infekten zu KneippMaßnahmen. Das trainiere das Immunsystem. Und: gesunde Ernährung, Bewegung, positive Stressbewältigung, Nikotinkarenz, ausreichend Schlaf und Meidung von Massenveranstaltungen. „Die Standard-Impfung, die dieses Jahr den Influenza-B-Stamm nicht enthielt, wird nächstes Jahr erweitert“, so Zaune. Er sagt, dass nicht unnötig Medikamente eingenommen werden sollten. Er empfiehlt als erste Maßnahme die körperliche Schonung und dann die symptomatische Behandlung – unter Beachtung individueller Kontraindikationen – mit Aspirin, Paracetamol, husten- und schleimreduzierenden Phytotherapeutika, Nasensprays, Arznei-Tees, leichter Kost, ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Basishygiene und andere individuelle Basismaßnahmen.
Dass die Temperaturen nun in den nächsten Tagen wieder das Thermometer nach oben klettern und am Wochenende sogar im zweistelligen Bereich ankommen sollen, macht unserem Körper nichts – zumindest werde das Immunsystem nicht wirklich durcheinander gebracht. „Ich glaube, wir sollten aufhören, uns um Dinge wie einen Wetterwechsel Sorgen zu machen, das können wir eh nicht beeinflussen. Mit regelmäßigen häuslichen Kneipp-Anwendungen ist man dagegen auch einfach abgehärtet.“
Karina Frenzel-Dorschner vom Gesundheitsamt in Dillingen hat auch Tipps, wie man sich vor den Viren und Bakterien schützen kann. Sie rät, unterstützend zur Schulme- dizin auf bewährte Hausmittel zu setzen – wie etwa Wadenwickel. Aus ihrer Sicht ist aber auch noch jetzt eine Grippeschutzimpfung eine sinnvolle Maßnahme. Bis die Wirkung einsetze, dauere es zwei Wochen. Zwar gebe es auch damit keinen hundertprozentigen Schutz, „aber ich finde die Impfung gut.“In der aktuellen Kalenderwoche gibt es im Landkreis Dillingen bisher 22 Meldefälle von echter Grippe. Der größere Teil dieser Meldungen stammt von den Krankenhäusern, sagt Frenzel-Dorschner.
„Die Grippe ist spürbar“, sagt Sonja Greschner, Betriebsdirektorin des Dillinger Krankenhauses. Aktuell sind dort acht Patienten mit Influenza, bei drei weiteren besteht der Verdacht, dass sie das Virus erwischt hat. Gerade sei aber eher ein Ausklang der Grippewelle zu erkennen. Es habe Spitzen gegeben, an einigen Tagen sei das Krankenhaus auch an die Kapazitätsgrenzen gelangt. Hinzu kam, dass auch Kollegen krank ausgefallen seien. In die Notaufnahme kamen viele Patienten mit einem harmloseren grippalen Infekt. „Aber das Team hat das gemeistert“, sagt Greschner. „Die letzten Wochen waren hart.“Nun scheine es ruhiger zu werden.
Petra Gerhardt, der Leiterin des Lauinger Kinderhauses Sankt Martin, ist kein Influenzafall in ihren Gruppen bekannt. Krank seien gerade aber mehr Kinder als sonst. Kein Grund, mit den Gesunden nicht mehr in den gerade so unwirtlichen Außenbereich zu gehen. „Der Aufenthalt draußen ist ja auch sehr wichtig, um die Abwehrstoffe anzuregen“, sagt Gerhardt. „Die Kinder brauchen das.“Deshalb gehen sie weiterhin jeden Tag nach draußen. Natürlich passen die Kindergärtner besonders auf, wenn das Thermometer zweistellige Minusgrade anzeigt. Länger als eine halbe Stunde toben die Gruppen nicht im Freien. Und wenn ein Kind nicht warm genug angezogen ist, kann es eben nicht hinaus in die Kälte. „Wir haben die Eltern aber gut vorbereitet“, sagt Gerhardt. So kommen die Kleinen dick eingepackt in das Kinderhaus, tragen Schneehosen oder Schneeanzüge. Und vielleicht haben sie auch Tipps aus Sibirien erhalten. Denn Strumpfhosen und lange Unterhosen unter der Jeans setzen sich bei den Kindergartenkindern durch.