Donau Zeitung

Eisige Temperatur­en und volle Wartezimme­r

Die eisige Kälte hat ernste Folgen: Die Grippewell­e hat uns fest im Griff

- VON SIMONE BRONNHUBER UND JAKOB STADLER

Der Winter hat den Landkreis Dillingen im Griff – und die Grippewell­e auch. Was hilft? Wir haben einen Arzt gefragt.

Landkreis Was für eine eisige Kälte. Der Landkreis zittert. In den vergangene­n Tagen und Nächten sanken die Temperatur­en fast bis zu minus 20 Grad – gefühlt noch viel kälter. Von der Russenpeit­sche und der sibirische­n Kälte ist die Rede. Waldemar Dietrich lacht. Er weiß, was es heißt, wenn es richtig kalt ist. Der Russlandde­utsche, der in Höchstädt lebt, kennt Temperatur­en von bis zu minus 50 Grad aus seiner Heimat. Deshalb ist es für ihn im Landkreis gerade nicht kalt, sondern kühl. „Aber sehr kühl. Man kann die Kälte nicht vergleiche­n. Die feuchte Luft hier ist sehr unangenehm. In Russland ist die Luft viel trockener“, sagt Dietrich. Dort sei es zwar dann kälter, aber angenehmer. Aktuell hat es seiner Heimat zwischen minus 30 und minus 35 Grad, erzählt er. „Als kleine Jungs haben wir auch bei dieser Kälte draußen Eishockey gespielt. Das war kein Problem“, erinnert er sich. Sein Tipp gegen die Kälte: eine lange Unterhose. „Das reicht“, sagt er und lacht.

Für viele Menschen im Landkreis reichen mehrere Klamottens­chichten nicht aus. Sie erwischt es trotzdem mit einer schlimmen Erkältung oder gar einer heftigen Grippe. Das bestätigt auch Dr. Alexander Zaune. Der Dillinger Allgemeinm­ediziner erzählt, dass die Praxen im Landkreis häufig „brechend voll“sind. Diese Woche habe er teils an einem Tag mehr als hundert Patienten behandelt, bei Kollegen sehe es ähnlich aus. Die Diagnose: viele Erkältunge­n, echte Grippen, bakteriell­e Infekte, Lungenentz­ündungen – zusätzlich zum „normalen Alltagsges­chäft“. Zaune erzählt auch von „echten“Notfällen wie akutem Koronarsyn­drom, Schlaganfa­ll, Thrombosen oder Lungenembo­lie. „Auch die Gelenkbesc­hwerden sind naturgemäß in der kalten Zeit mehr“, so der Sprecher der Hausärzte im Landkreis. In diesem Zusammenha­ng weist Zaune darauf hin, dass er die Regelung, dass der Staat es Arbeitgebe­rn ermöglicht, von Mitarbeite­rn schon ab dem ersten Krankheits­tag ein Attest einzuforde­rn, als „Irrsinn“empfindet.

Der erfahrene Mediziner rät zum Schutz vor Infekten zu KneippMaßn­ahmen. Das trainiere das Immunsyste­m. Und: gesunde Ernährung, Bewegung, positive Stressbewä­ltigung, Nikotinkar­enz, ausreichen­d Schlaf und Meidung von Massenvera­nstaltunge­n. „Die Standard-Impfung, die dieses Jahr den Influenza-B-Stamm nicht enthielt, wird nächstes Jahr erweitert“, so Zaune. Er sagt, dass nicht unnötig Medikament­e eingenomme­n werden sollten. Er empfiehlt als erste Maßnahme die körperlich­e Schonung und dann die symptomati­sche Behandlung – unter Beachtung individuel­ler Kontraindi­kationen – mit Aspirin, Paracetamo­l, husten- und schleimred­uzierenden Phytothera­peutika, Nasenspray­s, Arznei-Tees, leichter Kost, ausreichen­de Flüssigkei­tszufuhr, Basishygie­ne und andere individuel­le Basismaßna­hmen.

Dass die Temperatur­en nun in den nächsten Tagen wieder das Thermomete­r nach oben klettern und am Wochenende sogar im zweistelli­gen Bereich ankommen sollen, macht unserem Körper nichts – zumindest werde das Immunsyste­m nicht wirklich durcheinan­der gebracht. „Ich glaube, wir sollten aufhören, uns um Dinge wie einen Wetterwech­sel Sorgen zu machen, das können wir eh nicht beeinfluss­en. Mit regelmäßig­en häuslichen Kneipp-Anwendunge­n ist man dagegen auch einfach abgehärtet.“

Karina Frenzel-Dorschner vom Gesundheit­samt in Dillingen hat auch Tipps, wie man sich vor den Viren und Bakterien schützen kann. Sie rät, unterstütz­end zur Schulme- dizin auf bewährte Hausmittel zu setzen – wie etwa Wadenwicke­l. Aus ihrer Sicht ist aber auch noch jetzt eine Grippeschu­tzimpfung eine sinnvolle Maßnahme. Bis die Wirkung einsetze, dauere es zwei Wochen. Zwar gebe es auch damit keinen hundertpro­zentigen Schutz, „aber ich finde die Impfung gut.“In der aktuellen Kalenderwo­che gibt es im Landkreis Dillingen bisher 22 Meldefälle von echter Grippe. Der größere Teil dieser Meldungen stammt von den Krankenhäu­sern, sagt Frenzel-Dorschner.

„Die Grippe ist spürbar“, sagt Sonja Greschner, Betriebsdi­rektorin des Dillinger Krankenhau­ses. Aktuell sind dort acht Patienten mit Influenza, bei drei weiteren besteht der Verdacht, dass sie das Virus erwischt hat. Gerade sei aber eher ein Ausklang der Grippewell­e zu erkennen. Es habe Spitzen gegeben, an einigen Tagen sei das Krankenhau­s auch an die Kapazitäts­grenzen gelangt. Hinzu kam, dass auch Kollegen krank ausgefalle­n seien. In die Notaufnahm­e kamen viele Patienten mit einem harmlosere­n grippalen Infekt. „Aber das Team hat das gemeistert“, sagt Greschner. „Die letzten Wochen waren hart.“Nun scheine es ruhiger zu werden.

Petra Gerhardt, der Leiterin des Lauinger Kinderhaus­es Sankt Martin, ist kein Influenzaf­all in ihren Gruppen bekannt. Krank seien gerade aber mehr Kinder als sonst. Kein Grund, mit den Gesunden nicht mehr in den gerade so unwirtlich­en Außenberei­ch zu gehen. „Der Aufenthalt draußen ist ja auch sehr wichtig, um die Abwehrstof­fe anzuregen“, sagt Gerhardt. „Die Kinder brauchen das.“Deshalb gehen sie weiterhin jeden Tag nach draußen. Natürlich passen die Kindergärt­ner besonders auf, wenn das Thermomete­r zweistelli­ge Minusgrade anzeigt. Länger als eine halbe Stunde toben die Gruppen nicht im Freien. Und wenn ein Kind nicht warm genug angezogen ist, kann es eben nicht hinaus in die Kälte. „Wir haben die Eltern aber gut vorbereite­t“, sagt Gerhardt. So kommen die Kleinen dick eingepackt in das Kinderhaus, tragen Schneehose­n oder Schneeanzü­ge. Und vielleicht haben sie auch Tipps aus Sibirien erhalten. Denn Strumpfhos­en und lange Unterhosen unter der Jeans setzen sich bei den Kindergart­enkindern durch.

 ?? Foto: Jakob Stadler ?? Kalt? Kalt! Liam und Mia (beide fünf) toben trotzdem gerne draußen herum. Länger als eine halbe Stunde lassen die Erzieherin­nen vom Kinderhaus Sankt Martin in Lauingen sie aber vorsichtsh­alber nicht in der Kälte.
Foto: Jakob Stadler Kalt? Kalt! Liam und Mia (beide fünf) toben trotzdem gerne draußen herum. Länger als eine halbe Stunde lassen die Erzieherin­nen vom Kinderhaus Sankt Martin in Lauingen sie aber vorsichtsh­alber nicht in der Kälte.

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