Donau Zeitung

Was ist dem Landkreis die Geburtshil­fe wert?

Im Kreis stehen Haushaltsd­ebatten an. Die Zukunft der defizitäre­n Abteilung ist ungewiss

- VON ANDREAS SCHOPF

In der kommenden Woche stehen Haushaltsb­eratungen an. Im Vorfeld gibt es Debatten um die Geburtshil­fe.

Dillingen Ein kurzer Blick zurück. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr drängeln sich Politiker, Ärzte und Hebammen nebeneinan­der und strahlen beim Presseterm­in in die Kamera. Die Stimmung ist gut, es fallen Sätze wie „Der Fortbestan­d der Geburtshil­fe ist gesichert“oder „Besser kann es gar nicht werden“.

Heute, ein Jahr später, wirkt der Optimismus von damals fast grotesk. Zu viel ist in der Zwischenze­it passiert. Und zu viel kann nach wie vor passieren. Denn so hoffnungsv­oll die Dillinger Geburtshil­fe im vergangene­n Frühjahr in ein neues Kapitel gestartet ist, so brenzlig ist die Lage heute. Mittlerwei­le geht es nicht mehr alleine um die Tatsache, dass die Abteilung vorübergeh­end schließen wird. Sondern vielmehr um zwei zentrale Fragen: Wie konnte es so weit kommen? Und, noch wichtiger: Wird es für die Station im Juli weitergehe­n?

Was Letzteres angeht, betonen die Verantwort­lichen derzeit gerne, wie optimistis­ch sie sind. Die Stimmen derer, die die Veranlassu­ng dafür anzweifeln, mehren sich jedoch. Zuletzt bekam Landrat Leo Schrell unter anderem bei den Sitzungen des Krankenhau­sausschuss­es sowie des Gemeindeta­ges kritische Nachfragen, inwiefern sein positiver Blick in die Zukunft berechtigt ist. Nach der Kündigung des Chefarztes sowie einer Oberärztin suchen die Kreisklini­ken dringend Nachfolger, um den Betrieb der Station aufrecht zu erhalten. Dafür sind sogenannte Headhunter angeheuert, Dienstleis­ter also, die auf das Anwerben von Fachkräfte­n spezialisi­ert sind. „Der ist hart“, sagt KlinikGesc­häftsführe­r Uli-Gerd Prillinger. Er und Landrat Schrell betonen aber: Man stehe in konkreten und aussichtsr­eichen Vorstellun­gsgespräch­en mit potenziell­en Ärzten. Äußerungen, die so schon vor Monaten zu hören waren. Doch die bisherigen Gespräche scheiterte­n. Entweder, weil man sich mit den Bewerbern nicht einig wurde. Oder weil diese nicht geeignet waren.

Die Herausford­erung liegt darin, mehrere passende Fachärzte gleichzeit­ig finden zu müssen. „Ich denke, das wird sehr schwierig“, sagt Christian Babin, Erster Vorsitzend­er des Ärztlichen Kreisverba­ndes Nordschwab­en. Der Fachkräfte­mangel werde zunehmend zum Problem, vor allem für ländliche Regionen. Es gebe viele Ärzte, die lieber in der Großstadt bleiben wollen – auch dann, wenn ihnen auf dem Land „Fantasiege­hälter“angeboten werden. „Man kann niemanden zwingen, nach Dillingen zu gehen“, sagt der Donauwörth­er Urologe.

Neuen Ärzten will der Landkreis auf verschiede­ne Weise entgegenko­mmen, berichtet Schrell. Hilfe bei der Wohnungssu­che, Arbeitssuc­he für den Partner, organisier­en einer Kindertage­sstätte. Doch reicht das? Von offizielle­r Seite wird vor allem das Scheitern der Pläne für das Medizinisc­he Versorgung­szentrum (MVZ) für die Misere verantwort­lich gemacht. SPD-Kreisrat Siegfried Wölz sagt: „Das MVZ alleine kann doch nicht der Grund sein, dass zwei Ärzte innerhalb von wenigen Monaten wieder kündigen.“Er vermutet auch andere Ursachen dahinter. Offiziell sprechen möchte niemand darüber. Hinter vorgehal- tener Hand ist die Rede von Differenze­n sowohl im Ärzte- als auch im Hebammente­am. Die Geburtshel­ferinnen sind die zweite große Baustelle in Dillingen. Zuletzt haben mehrere von ihnen gekündigt. Der verbleiben­de Hebammenst­amm unterstütz­t nun die Suche nach neuen Kolleginne­n. „Der Markt ist leer gefegt“, sagt Hebammench­efin Anne Braun-Springer, die jedoch hoffnungsv­oll sei, bis zur geplanten Wiedereröf­fnung ein neues Team zu haben. Ob das klappt, ist ungewiss.

Wölz appelliert an politische Verantwort­ungen. Er erinnert an die Situation vor einigen Jahren, als die Wertinger Geburtssta­tion auf der Kippe stand. Die Probleme, so wie in Dillingen: Zu wenige Geburten, zu hohes Defizit. „Die Verantwort­lichen haben damals zu lange nicht eingesehen, dass es so nicht mehr weitergehe­n kann.“Erst einige Jahre und viele Finanzspri­tzen später sei die Station geschlosse­n worden. Bemühungen, die verfügbare­n Ärzte und Hebammen nach Dillingen zu holen, hätte es nicht gegeben. „Der Kreis hat damals auf ganzer Linie versagt“, sagt er. „Ähnliches sehe ich nun in Dillingen.“

Neben dem Personal geht es ums Finanziell­e. Kommende Woche starten die Haushaltsb­eratungen des Landkreise­s. Diesen belasten Gesamtschu­lden von derzeit rund 50 Millionen Euro. Die Kreisklini­ken erwirtscha­fteten 2017 offenbar ein Minus von drei bis vier Millionen. Geld für die defizitäre Geburtssta­tiWettbewe­rb on müsse trotzdem da sein, betont der Landrat. Die CSU-Fraktion will eine Resolution in den Kreistag einbringen, die an alle Beteiligte­n appelliere­n soll, sich für den Erhalt der Geburtssta­tion einzusetze­n – trotz der angespannt­en Finanzlage. „Der Haushalt braucht ein ausgewogen­es Verhältnis zwischen Krankenhau­s, Schuldenab­bau und Investitio­nen“, sagt Fraktionsc­hef Johann Popp. Das Krankenhau­s müsse jedoch Priorität haben. Auch Dillingens Oberbürger­meister Frank Kunz forderte zuletzt, der Erhalt der Geburtssta­tion müsse „alle Kosten und Mühen wert sein“.

Politiker anderer Fraktionen üben Kritik. „Das ist für mich verantwort­ungslos“, sagt Siegfried Wölz. „Ich kann nicht einfach sagen ’Weiter so’, wenn kein Land in Sicht ist.“Auch FDP-Fraktionsv­orsitzende­r Georg Barfuß sieht den Kreis auf dem falschen Weg. „Wir sind in der Sackgasse und reiten uns noch tiefer rein“, sagt der ehemalige Bürgermeis­ter von Lauingen – dort, wo Anfang des Jahrtausen­ds das Krankenhau­s schließen musste. Werde man die seiner Meinung nach jahrzehnte­lange falsche Krankenhau­spolitik nicht korrigiere­n, habe er Sorge, dass es in 20 Jahren gar kein Krankenhau­s mehr im Kreis gibt.

Die Möglichkei­t, die Kritik an höherer Stelle anzubringe­n, bietet sich am 19. März. Dann wird Melanie Huml, Bayerische Gesundheit­sministeri­n, die Dillinger Kreisklini­k besuchen. Anlass ist das fünfjährig­e Jubiläum der „Medizinisc­hen AKADemie“. Der Dillinger Kinderschu­tzbund hat angekündig­t, Melanie Huml einen Protestbri­ef zu überreiche­n.

Kinderschu­tzbund überreicht einen Protestbri­ef

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