Die neuen Probleme der Retter
Sicherheit Robustere Karossen, platzende Airbags, explodierende Batterien – die technische Entwicklung bei den Fahrzeugen macht Helfern im Landkreis Dillingen das Leben schwer
Landkreis Die Frauen und Männer der Polizeiinspektion Dillingen stehen immer wieder vor neuen Herausforderungen. Der Kleiderwechsel in diesen Tagen, bei dem das Grün-Beige und Braun der alten Uniformen durch ein schickes Blau ersetzt wurde, dürfte dabei noch zu den leichter lösbaren Zukunftsaufgaben zählen. Ungemach könnte den hilfsbereiten Beamten aber von der Straße drohen. Dort tauchen immer mehr Gefährte modernster Ausführung mit alternativen Antrieben und vor allem feinstem Hightech beim Insassenschutz auf. Darin sitzen Menschen, die bei Unfällen von neuen und festeren Umhüllungs-Materialien sowie einem raffinierten System von Aufprallpuffern und überall verbauten Luftsäcken profitieren können.
Was einerseits erfreulich ist, kann sich im Notfall als Problem zum Beispiel für die herbeigerufene Feuerwehr erweisen. „Wir kommen der technischen Entwicklung im Fahrzeugbau und vor allem der Sicherheitstechnik kaum noch hinterher“, warnte jetzt Kreisbrandrat Frank Schmidt mit Hinweis auf die dramatisch-dynamischen Veränderungen zwischen den vier Rädern. Der erfahrene Feuerspezialist denkt dabei nicht nur an die modernen Motoren jenseits der konventionellen Verbrennungstechnik, sondern auch die Vielzahl an Innovationen bei der Unfallvorsorge wie etwa die Häufung von Airbags im Kabinenraum. Deren große Bandbreite in den „heutigen Hochsicherheitskarosserien“stellten die Helfer oft vor große Schwierigkeiten. „Bis jemand von den ehrenamtlichen Feuerwehrlern auf einem Gebiet sattelfest ist, gibt es schon wieder die nächsten Neuheiten aus der Automobilindustrie“, betont der seit 13 Jahren führende Brandschützer und deutet auf das Serien-Modell eines bekannten Herstellers hin, das innerhalb von nur drei Jahren mit völlig unterschiedlichen Systemen auf den Markt gekommen sei.
Rudolf Eser, seit fast drei Jahrzehnten stets an vorderster Feuerfront dabei, weiß aus seiner langen Praxis als Erster Kommandant in Wertingen: „Zwischen unseren Anforderungen im Falle eines VW Touareg und einem ZweierGolf liegen Welten.“
Gerade die zunehmenden Stromer auf den Straßen wiesen oft keine Kennzeichnung auf, die manchmal auch bei Wasserstoffoder anderen Autos fehlten. „Wir wüssten das aber gerne.“Im Osten umgebauten Autos oder auch nur einfachen Oldtimern müsse man wegen der ungeklärten technischen Risiken mit großer Vorsicht begegnen. Dazu kommen laut Kreisbrandrat Frank Schmidt die unterschiedlichsten Positionen von Batterien oder Gastank: „Mal ist da etwas vorne, mal hinten angeordnet.“Dabei beginnen die Herausforderungen für die freiwilligen Floriansjünger schon beim Zugang zu einem geschrotteten Fahrzeug. Dieser wird beim Einsatz von Rettungsgeräten wie Spreizer oder Schere aufgrund der zahlreichen stahlharten Versteifungen oft erschwert. Kommandant Eser bringt die bei der Bergungsarbeit entstehende Carbonstaub-Exposition ins Spiel, die im Umgang mit den fortschrittlichen Materialien droht und für Krebsentstehung verantwortlich gemacht wird.
Einmal im Innern des Wagens angelangt, drohen dann Gefahren von nicht ausgelösten Airbags, deren Gasgeneratoren beim schweißtreibenden Rettungsdienst mit den über 20 Kilogramm schweren Werkzeugen versehentlich aktiviert werden können. „Ganz frei von Gefahren für die Kollegen ist diese Arbeit nie“, unterstreicht Frank Schmidt. Dafür sorge schon das künftige Potenzial brennender oder explodierender Akkus.
Brenzligen Zeiten auf den Fahrstrecken sieht auch Rudolf Eser entgegen: „Die Elektrischen kommen ganz sicher.“Bundesweit rollen bereits 300 000 Autos mit Elektro-Technik übers Land. Zwar geht es dabei in unserer Region noch eher im Schneckentempo in diese Richtung. Laut Landratsamt in Dillingen gibt es bei rund 100000 zugelassenen Wagen gerade mal knapp 60 dieser Vehikel von der Steckdose sowie rund 350 mit Hybridfunktion. Dass die Zukunft weitgehend von den nahezu geräuschlosen Gefährten dominiert wird, darauf stellt sich auch der Rettungsdienst-Leiter beim Kreisverband des BRK fest ein. „Da muss nicht nur die Feuerwehr höllisch aufpassen“, meint Harald Bachler und deutet auf seine Rettungsflotte von mehr als einem Dutzend Fahrzeuge. „Die laufen aber noch alle mit Diesel.“
Während der BRK-Mann dies noch mit einem Augenzwinkern hinzufügt, versteht er bei der mangelnden Information durch die Autoproduzenten keinen Spaß: „Wir müssten zumindest Daten über die vielen Airbags in den neuen Autos haben“, fordert Bachler, dessen Mitarbeiter in der Regel als Erste den Unfallort erreichen. Dem Missstand will die Organisation ADAC begegnen und bietet die Möglichkeit, sich ihre sogenannten Rettungskarten herunterzuladen. Ganz im Sinne von Kreisbrandrat Frank Schmidt informiert diese Orientierungshilfe zum Beispiel über den Standort von Luftsäcken oder „weiche Eindringstellen“an der immer robusterer werdenden Fahrgastzelle, damit Eingeklemmte möglichst schnell befreit werden können. Die Retter wissen, dass dieses wichtige Papier hinter der Fahrersonnenblende steckt und so die Bergezeit verkürzen kann.