Vom Spitzenkoch zum Kantinenchef
Einst hatte Gerhard Frauenschuh gegen den Willen seines Vaters den Beruf des Kochs gelernt. Seit acht Jahren leitet der 53-Jährige nun die gesamte Gastronomie bei MAN in Augsburg – und das überaus erfolgreich. Was sein Geheimnis ist
Augsburg Peter Ingwersen hat es eilig an diesem Mittag. Teller türmen sich in der Küche. Im Akkord reichen Servicemitarbeiter Champignon-Spieße in Kräuter-Tempura mit Paprika-Salsa und Oliven-Kartoffel-Stampf oder geschmorten Rinderbraten in Rotweinsauce über die Theke. In Mitten des Trubels steht Gerhard Frauenschuh und schaut seinen Mitarbeitern bei der Arbeit zu – vielleicht mit ein bisschen Wehmut. Wird er heute noch als Koch bezeichnet missfällt ihm das. Als solchen „darf ich mich nicht mehr schimpfen“, sagt der 53-Jährige. Er hält sich lieber zurück, stellt die Leistung seines Team in den Vordergrund. Reichlich bescheiden für jemanden, den einst zwei GaultMillau-Hauben schmückten. „Es war eine riesen Auszeichnung“, die ihm die ein oder andere Tür geöffnet habe. Doch ob er mit seiner „gewachsenen Philosophie“, wie er es nennt, heute noch so eine Auszeichnung annehmen würde, bezweifelt Frauenschuh. Seit 30 Jahren ist er Unternehmer und er weiß, dass es sich schlichtweg nicht rentiert.
Vor acht Jahren tauschte der gebürtige Tiroler seine Küchenkluft endgültig gegen die Bürouniform und leitet seitdem die gesamte Gastronomie bei MAN in Augsburg und an anderen deutschen Standorten. Dazu gehören Event-Catering, Konferenzbewirtung und der Betrieb von kleinen Imbissen, die sich auf dem Firmengelände verteilen. Im vergangenen Jahr kürte der Vegetarierbund Deutschland die Kantine des Maschinenbauunternehmens zum Veggie-Freundlichsten Betriebscaterer der Bundesrepublik. Nicht die einzige Auszeichnung für die Kantine – sie wurde auch schon für ihre Nachhaltigkeit geehrt.
Die Arbeit als Koch habe ihm „anfangs schon sehr gefehlt“, gesteht er. Mittlerweile hat er sich damit abgefunden. Hin und wieder hilft er noch in der Küche aus.
Frauenschuh war gerade einmal zehn Jahre alt, da wusste er, dass er Koch werden will. Der Wunsch seines strengen Vaters war es, dass er in seine Fußstapfen tritt und Schreiner wird. „Er war die Respektsperson in der Familie und der widersetzt man sich nicht“, sagt Frauenschuh. Mit Hilfe seiner Mutter, die seinen Lehrvertrag unterschrieb, verließ er mit vierzehn seine Heimat, ein Dorf zwischen Zell am See und Krimmel am Großvenediger. Sehr klein und katholisch sei es dort gewesen, erinnert er sich. So begann er eine Ausbildung zum Koch und hängte eine Zusatzausbildung zum Konditor dran. Ebenso ist er gelernter Metzger und studierte Jahre später Betriebswirtschaft.
Seit fast 30 Jahren lebt Frauenschuh nun bereits in Augsburg. Hier verwirklichte er seinen Traum vom eigenen Landwirtschaftsbetrieb mit Restaurant, bevor er im Jahr 2009 beim Maschinenbauunternehmen seine Arbeit aufnahm. Sein Anspruch: „Egal ob wir für zwei oder 2000 Personen kochen, es muss die gleiche Qualität und Frische möglich sein.“Er kann sich noch gut daran erinnern, als er 2010 mit seinen Kollegen auf einer Fachtagung in Fürstenfeldbruck war und die veganen und vegetarischen Speisepläne vorstellte, die bereits fester Bestandteil in der MAN-Kantine waren. „Damals haben sich noch alle kaputtgelacht, wie viel Gedanken ich mir mache.“Doch der Chef sollte recht behalten: „Ich weiß nicht wie viele Besucher seitdem aus anderen Betriebsgastronomien bei uns waren und sich abschauten wie wir das umsetzen“.
Aus Hypes und Trends hat sich der Tiroler noch nie viel gemacht. „Ich bin eher jemand, der in die andere Richtung geht, wenn Trends aufkommen.“Außerdem schaue er nicht gerne auf andere. Frauenschuh und sein Team haben sich auf die Fahne geschrieben, den MANMitarbeitern saisonale Speisen anzubieten und Lebensmittel aus der Region zu verwenden. Dafür sind einige Dinge wichtig: Einerseits hält Frauenschuh engen Kontakt zu Landwirten aus der näheren Umgebung. Außerdem ist gute Planung und einen gewisser Weitblick notwendig. Die Speisepläne für August werden schon jetzt vorbereitet. Auf Fertigprodukte wird größtenteils verzichtet. Täglich gibt es neben einem Fleisch- auch ein vegetarisches oder veganes Gericht auf der MenüKarte. Von seinen Köchen erwartet Frauenschuh einen hohen Grad an Kreativität, damit sich die Speisen abwechseln. Worauf der 53-Jährige auch noch achtet: „Wir versuchen den Spagat hinzubekommen, den Mitarbeiter zu befriedigen, der gerne Hausmannskost mag und den, der gerne internationale Spezialitäten isst“. Täglich laufen 1200 MAN-Mitarbeiter aus bis zu 60 Ländern durch die Kantine. Vorbei am Salatbuffet, der lang gezogenen Theke mit den Hauptspeisen und der Vitrine mit den Desserts.
Die Uhr im Saal, der 400 Plätze fasst, zeigt halb eins. Bald ist es geschafft. Frauenschuh ist bereits auf dem Weg zu seinem nächsten Termin. Gestresst ist er nicht – als Koch ist das für ihn ein Fremdwort.