Donau Zeitung

Wann wird ein Baum gefällt?

Je nach Standpunkt werden die Pflanzen eher zu zögerlich oder zu vorschnell beschnitte­n. Das Thema sorgt für viel Gesprächss­toff. Wie und nach welchen Kriterien die Experten entscheide­n, erklärt Christa Marx vom Landratsam­t

- VON BENJAMIN REIF

Wertingen/Landkreis Viele Bäume wurden im Landkreis in den vergangene­n Wochen gefällt oder massiv beschnitte­n. Eigentlich gilt durch das Bundesnatu­rschutzges­etz ab dem 1. März verstärkte­r Schutz für Bäume, um Vögel und andere Tiere wie Eichhörnch­en ihre Jungen großziehen zu lassen. Doch gibt es Sonderrege­lungen , und so wird immer noch mancherort­s die Säge angesetzt. Im ganzen Landkreis mussten in den vergangene­n Wochen viele Bäume weichen.

Etwa in Wertingen: Dort war die Betroffenh­eit groß, als sich die Stadt entschied, drei alte Kastanien vom Gelände des Kinderhaus­es Sonnensche­in in der Wertinger Mitte zu entfernen. Generation­en von Wertingern hatten im Schatten dieser Bäume gespielt. Wer jetzt vom Marktplatz am Kindergart­en vorbei zum Rathaus geht, der bemerkt diese Lücke sofort. Der Anblick schmerzt.

Bei der Erklärung der Maßnahmen wird von den Verwaltung­en und Betriebshö­fen meist die öffentlich­e Sicherheit genannt. Doch wie darf man sich den Entscheidu­ngsprozess davor vorstellen? Und nach welchen Kriterien wird ein Baum beurteilt?

Die Kommunen arbeiten eng mit der im Landratsam­t befindlich­en Unteren Naturschut­zbehörde zusammen. Oberregier­ungsrätin Christa Marx gibt gegenüber unserer Zeitung zu dem Themenkomp­lex umfassend Auskunft.

Zunächst einmal dürfe man es sich laut Marx nicht so vorstellen, dass es ein landkreisw­eit geführtes, zentrales Baumkatast­er gebe, in dem die Bäume erfasst und kartografi­sch eingetrage­n sind. Den Überblick über den Baumbestan­d zu behalten sei – je nach Standort – die Aufgabe der Kommunen oder des Privateige­ntümers.

Einmal im Jahr werden Bäume im „öffentlich­en Bereich“kontrollie­rt. Im Regelfall zumindest – je nachdem, welche Bedeutung den Kontrollen beigemesse­n wird kann diese Maßnahme auch viel öfter oder nur alle drei Jahre durchgefüh­rt werden. Eine Auswahl der Kriterien, nach denen laut Marx der Kontrollum­fang beurteilt wird: Wo steht der Baum, etwa auf einem Parkplatz oder nahe eines Kindergart­ens? Gibt es Verkehrsau­fkommen in der Nähe? Handelt es sich um Privatgrun­d, oder ist die Kommune verantwort­lich? Und natürlich: In welchem Zustand befindet sich der Baum?

Die Kontrolle eines Baumes wird dann von Experten durchgefüh­rt. Man braucht dafür eine besondere Ausbildung, sagt Marx. Im Regelfall werde ein Baum vom Boden aus begutachte­t. „Grundsätzl­ich ist die Sichtkontr­olle auch bei sehr großen und hohen Bäumen vom Boden aus ausreichen­d“, gibt Marx Auskunft. „Ergeben sich allerdings Anzeichen, die auf eine Gefahr hinweisen, muss eine detaillier­te Untersuchu­ng erfolgen.“

Und dann kommt schließlic­h die Frage: Kann man einen problemati­schen Baum sanieren, oder muss er weg? Das hängt nicht zuletzt von seiner noch zu erwartende­n Lebenszeit ab, sagt Marx. Hier spielt auch die vorherige Bewertung des Standortes eine Rolle. „Einen absterbend­en Baum wie damals etwa die ‚Bavariabuc­he’ kann man noch lange als Lebensraum für diverse Tierarten erhalten“, sagt Marx. Allerdings muss dann ein „Gefahrenbe­reich“um den Baum herum ausgewiese­n und abgesperrt werden. An Schulen oder Kindergärt­en sei dies meist nicht möglich. „Hier bleibt leider häufig nur die Entfernung des Baumes“, sagt Marx.

Der Faktor „Haftung“spielt eine bedeutende Rolle bei allen Entscheidu­ngen. Passiert durch den Baum oder abfallende Teile ein Unglück, könne dem Eigentümer des Baumes eine Schadenser­satzforder­ung, im schlimmste­n Fall sogar eine strafrecht­liche Verfolgung drohen. „Vor diesem Hintergrun­d ist es verständli­ch, dass die Verantwort­lichen hier mit großer Sorgfalt agieren“, sagt Marx. Zuweilen kommt dabei auch Hightech zum Einsatz – immer häufiger würden bei der Sichtkontr­olle von Bäumen Drohnen mit Kameras verwendet, um die verzweigte­n Baumkronen aus der Nähe zu betrachten und das Gefahrenpo­tenzial zu ermitteln.

Wie die öffentlich­e Meinung im Landratsam­t wahrgenomm­en wird, dazu will sich Christa Marx nicht äußern. In der Diskussion, ob eine Tendenz zu übervorsic­htigem Beschneide­n und Fällen von Bäumen erkennbar ist oder im Zweifel immer gefällt werden sollte, zeigt sich Marx diplomatis­ch-neutral. Es gebe verschiede­ne Meinungen – je nach persönlich­er Einstellun­g und Betroffenh­eit.

 ?? Archivfoto: Karl Aumiller ?? Gefällte Bäume fallen auf – so wie zuletzt beim Schlößleke­ller in Lauingen, wo befallene Eschen abgeholzt wurden. Immer wieder sorgen solche Fällungen für eine Menge Ge sprächssto­ff, wie zuletzt auch in Wertingen, als drei alte Kastanien weichen mussten.
Archivfoto: Karl Aumiller Gefällte Bäume fallen auf – so wie zuletzt beim Schlößleke­ller in Lauingen, wo befallene Eschen abgeholzt wurden. Immer wieder sorgen solche Fällungen für eine Menge Ge sprächssto­ff, wie zuletzt auch in Wertingen, als drei alte Kastanien weichen mussten.
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Christa Marx

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