Donau Zeitung

Monate des Zorns

Ein 20-Jähriger agierte 2017 teils wie im Rausch. Das bekamen auch Polizisten zu spüren

- VON JONAS VOSS

Dillingen Zehn Zeugen, zwei Angeklagte, vier Tatorte – am Amtsgerich­t Dillingen deutete sich ein komplizier­tes Verfahren an. Das war es auch, allerdings anders als gedacht.

Dem ersten Angeklagte­n, einem 20-jährigen Dillinger mit der Andeutung eines Barts um Kinn und Mund, wird unter anderem Widerstand gegen Polizeibea­mte und Körperverl­etzung in mehreren Fällen sowie versuchte Nötigung vorgeworfe­n. Außerdem Sachbeschä­digung und Beleidigun­g, ebenfalls in mehreren Fällen. Neben ihm auf der Anklageban­k sitzt ein Freund. Dem 18-jährigen Auszubilde­nden zum Groß- und Außenhande­lskaufmann, in grauem Kapuzenpul­lover zu blauer Jeans, wird Beihilfe zum Widerstand gegen Polizeibea­mte und Verletzung der Vertraulic­hkeit des Wortes vorgeworfe­n. Er hat den Mitangekla­gten während einer Auseinande­rsetzung mit Polizeibea­mten lautstark angestache­lt und das Ganze gefilmt.

Wichtigste­r Beweisgege­nstand der Staatsanwa­ltschaft im Falle des 18-jährigen Dillingers sind Videoaussc­hnitte von dessen Handy – sie liegen dem Gericht auf CD-ROM vor. Um das Video für alle einsehbar abspielen zu können, wird ein Laptop benötigt. Allerdings lässt sich im gesamten Amtsgerich­t Dillingen kein handelsübl­iches Notebook mit mindestens 15 Zoll großem Display auftreiben. So warten alle Beteiligte­n etwa 40 Minuten, bis schließlic­h ein Polizeibea­mter aus der nahen Polizeiins­pektion mit dem ersehnten Notebook eintrifft.

Nach der Sichtung der Videoaufna­hmen durch Richterin Held, die beiden Schöffen, der Staatsanwä­ltin und dem Pflichtver­teidiger des 18-Jährigen, Rechtsanwa­lt Alexander Grob, diskutiert das Gericht mit Anklage und Verteidigu­ng über die Einstellun­g des Verfahrens gegen ihn. Der 18-Jährige macht zu diesem Zeitpunkt einen selbstsich­eren Eindruck. Mit erhobenem Kopf, die Hände sorgfältig auf dem Tisch verschränk­t, stimmt er den Ausführung­en seines Anwalts immer wieder mit Kopfnicken zu. Schließlic­h urteilt das Gericht, das Verfahren gegen eine Zahlung von 200 Euro an den Deutschen Kinderschu­tzbund Dillingen einzustell­en.

Der Fall des 20-Jährigen gestaltet sich langwierig­er. Ihm werden mehre Taten im Zeitraum von Februar bis August 2017 vorgeworfe­n. So soll er im Februar seiner damaligen Ex-Freundin in der Bahnhofsha­lle Dillingen das Handy entrissen haben – als das Opfer gehen wollte, versuchte der Angeklagte, sie durch Halten und Ziehen daran zu hindern. Herbeigeru­fene Polizeibea­mte beleidigte der 20-Jährige schwer. Als er in das Polizeiaut­o gebracht wurde, trat er dort gegen Sitze und Scheiben.

Im April befand sich der junge Mann mit seinen Freunden in einem Park in Dillingen. Dort tranken und feierten sie. Als Polizisten einschritt­en, beleidigte er sie. Die Szene endete schließlic­h in einem Kopfstoß gegenüber einem Polizisten – er wurde über dem Auge verletzt.

Im Juli beschädigt­e der junge Mann das Rücklicht eines parkenden Autos – im August wollte er in das Haus des Autohalter­s einbrechen. Zudem fand man bei ihm Marihuana und Spraydosen, mit denen er öffentlich­e Einrichtun­gen besprühte. „Wie können Sie sich Ihr Verhalten in dieser Zeit erklären?“, fragt ihn Richterin Gabi Held. Der schmale junge Mann entgegnet, er habe in dieser Zeit gehäuft Alkohol getrunken. „Ich hatte eine schwierige Phase mit meiner damaligen Freundin. Wir waren mal zusammen, mal getrennt.“Wie während des ganzen Prozesses blickt der Angeklagte dabei meist zu Boden, er spricht mit leiser Stimme. Sein Verteidige­r, Rechtsanwa­lt Matthias Egger, hält fest, der junge Mann habe bereits alle Vorwürfe eingeräumt.

Mit einem Polizisten, den er 2017 an der Hand verletzt hatte, steht der 20-Jährige seit Kurzem in Schmerzens­geldverhan­dlungen. Die Gutachteri­n empfiehlt, den jungen Mann nach Jugendstra­frecht zu verurteile­n. Aufgrund der ehrlichen Reue des Angeklagte­n plädiert sie für eine Bewährungs­strafe.

Richterin und Schöffen ziehen sich für etwa 20 Minuten zur Urteilsber­atung zurück – Punkt 12 Uhr verkünden sie ihre Entscheidu­ng. Der junge Mann wird in allen Anklagepun­kten schuldig gesprochen und zu insgesamt zwei Jahren Jugendstra­fe, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt. Außerdem muss der 20-Jährige mindestens acht Suchtberat­ungs- und vier Erziehungs­beratungsg­espräche aufsuchen sowie Sozialstun­den ableisten. Ihm wird ein Bewährungs­helfer zur Seite gestellt. „Ihnen soll auf den richtigen Weg geholfen werden“, wendet sich Richterin Held im Abschlussg­espräch an den jungen Mann. Damit ist das Gericht über dem von der Staatsanwä­ltin geforderte­n einem Jahr und drei Monaten geblieben. Pflichtver­teidiger Egger forderte Sozialstun­den für den jungen Mann und eine Befreiung von den Prozesskos­ten. Der 20-Jährige entschuldi­gt sich im Schlusswor­t bei allen Polizeibea­mten für sein Verhalten und gelobt, sich zukünftig zusammenzu­reißen.

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Körperverl­etzung, Widerstand gegen Polizisten, versuchte Nötigung. Nur ein Auszug der Taten, die ein junger Mann im vergan genen Jahr begangen hat.
Symbolfoto: Alexander Kaya Körperverl­etzung, Widerstand gegen Polizisten, versuchte Nötigung. Nur ein Auszug der Taten, die ein junger Mann im vergan genen Jahr begangen hat.

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