Viele Premieren und eine kleine Panne
Markus Söder spricht von einem Signal der Erneuerung. Ist es das? Was das neue Kabinett so ungewöhnlich macht
München Was für ein Paukenschlag! Ministerpräsident Markus Söder hat knapp sieben Monate vor der Landtagswahl Bayerns Regierung völlig auf den Kopf gestellt:
● Ministerien In Söders erstem Kabinett sitzen fünf Ministerinnen und acht Minister mit am Tisch. Es gibt zwei gänzlich neue Ministerien: Wohnen, Bau und Verkehr (die beiden letzteren Bereiche kommen vom Innenministerium) sowie Wissenschaft, das ins Kultusministerium integriert war. Andere Häuser wurden teils neu geordnet. Zum Innenministerium gehört jetzt Integration, und das Europa-Ministerium wurde um Digitales sowie Medien (bisher Wirtschaft) ergänzt.
● Alter Das Durchschnittsalter der Minister liegt bei rund 51 Jahren. Die alte Staatsregierung war zuletzt im Schnitt gut 57 Jahre alt.
● Frauenquote Das neue Kabinett ist nur unwesentlich weiblicher geworden. Auch bislang führten fünf Frauen ein Ministerium: Ilse Aigner, Beate Merk, Melanie Huml, Ulrike Scharf und Emilia Müller. Statt Merk, Scharf und Müller sind jetzt Kerstin Schreyer, Michaela Kaniber und Marion Kiechle an Bord. Neu ist eine Frau unter den Staatssekretären: Carolina Trautner aus Stadtbergen bei Augsburg. Söder betont, das Kabinett sei das mit dem größten Frauenanteil in der bayerischen Geschichte.
● Überraschungen Größte Überraschung ist der Rauswurf des bisherigen Kultusministers Ludwig Spaenle. Der Chef der Münchner CSU war seit zehn Jahren Mitglied der Staatsregierung und dort eigentlich dem Söder-Lager zuzuordnen. Eher unerwartet ist auch, dass die Oberbayerin Ilse Aigner nicht Finanzministerin wird, sondern Chefin des neu konstruierten Ressorts Wohnen, Bau und Verkehr („Also ich freue mich drauf“).
Mit Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber haben nur die wenigsten gerechnet. Die 40-Jährige aus Bayerisch Gmain im Berchtesgadener Land hatte bislang mit Agrarpolitik nicht viel am Hut. Die verheiratete Steuerfachangestellte und Mutter dreier Kinder, Landtagsabgeordnete seit 2013, arbeitet nebenbei im Gastronomiebetrieb der Familie in Bad Reichenhall. Ihre Eltern kamen in den siebziger Jahren aus Kroatien nach Bayern. Nach der Bundestagswahl 2017 hatte sie als eine der ersten Landtagsabgeordneten Zweifel am Kurs von Parteichef Horst Seehofer geäußert.
● Neue Gesichter Albert Füracker, 50, wird für seine Loyalität gegenüber Söder mit dem wichtigen Finanzressort belohnt. Der Landwirt aus der Oberpfalz unterstützte dessen Arbeit seit 2013 schon als Finanzstaatssekretär im Ministerium. Außerdem ist der vierfache Vater CSU-Chef in der Oberpfalz. Sein Bezirk forderte nach der CSU-Pleite bei der Bundestagswahl schnell von Seehofer personelle Konsequenzen.
In der Staatskanzlei übernimmt Florian Herrmann den Chefposten von Marcel Huber, dem neuen Umweltminister. Der 46-jährige Freisinger genießt als Innenexperte großes Ansehen in der Fraktion. Er gilt als stiller Arbeiter. Sollte sich Innenminister Joachim Herrmann irgendwann aus der Politik zurückziehen, wäre sein Namensvetter ein Nachfolge-Kandidat. Jetzt muss Markus Söder die beiden Herrmanns nur noch auseinanderhalten: Bei der gestrigen Ernennung vertauschte er prompt die Urkunden.
Die künftige Sozialministerin Kerstin Schreyer, 46, beerbt Emilia Müller. Die Berufung der bisherigen Integrationsbeauftragten war von vielen in der CSU erwartet worden. Dabei war die Münchnerin erst seit gut einem Jahr für Integrationsfragen im Freistaat zuständig. Politisch ist Schreyer wie Kabinettskollegin Michaela Kaniber noch nicht wirklich groß aufgefallen – im Gegensatz zum langjährigen Kultusstaatssekretär Bernd Sibler, 47, aus Deggendorf, der seinen bisherigen Chef Ludwig Spaenle beerbt. Und noch ein Söder-Intimus macht Karriere: Georg Eisenreich, 47, wie Sibler bisher Kultusstaatssekretär und zudem ein scharfer Seehofer-Kritiker, übernimmt das Ressort Digitales, Europa und Medien. Der dreifache Vater ist Rechtsanwalt.
● Rat von außen Die Medizin-Professorin Marion Kiechle, 57, ist das einzige Kabinettsmitglied ohne CSU-Parteibuch. Sie will dem Vernehmen nach aber bald in die Partei eintreten. Die gebürtige Badenerin kann dafür mit umso mehr Fachkompetenz aufwarten. Kiechle ist die erste Frau, die in Deutschland einen Gynäkologie-Lehrstuhl innehat – an der Technischen Universität München.
Die Frau des bekannten FernsehSportreporters Marcel Reif wurde im Jahr 2000 auf den Lehrstuhl für Gynäkologie und Geburtshilfe berufen und zur Direktorin der Frauenklinik am Klinikum rechts der Isar ernannt. Kiechle gehört zu den führenden Brustkrebs-Spezialisten in Deutschland. Zu ihrer politischen Aufgabe sagt sie: „Ich begegne der neuen Position mit großer Demut und habe ja auch viel Verantwortung. Aber ich bin es gewohnt, Verantwortung zu tragen.“
● Was bleibt? Ilse Aigner ist auch weiterhin stellvertretende Ministerpräsidentin. Zweiter Stellvertreter bleibt Innenminister Joachim Herrmann.
Zwei Namen, zwei Urkunden, ein Problem