Donau Zeitung

Weniger Müll im Landkreis

Wie ein junges Wertinger Paar sein Bewusstsei­n änderte. Angefangen hatte alles beim Schnorchel­n auf Teneriffa. Jetzt eröffneten sie auch die erste Foodsharin­g-Gruppe im Landkreis

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN

Ein Schnorchel-Urlaub auf Teneriffa hat dazu geführt, dass ein Wertinger Paar versucht, auf Müll zu verzichten. Die Idee geht noch weiter.

Wertingen Teneriffa – Sonne, Sand und Schnorchel­n. Von wegen Luxusurlau­b pur. Marina Deisenhofe­r und Uli Neumann kehrten 2015 geschockt von ihrem Urlaub zurück: „Beim Schnorchel­n begegnete uns mehr Müll als Fische und sonstige Tiere“, erzählt das junge Wertinger Paar. Zuhause legten die beiden dieses Erlebnis keineswegs ad acta. Es weckte sie vielmehr auf.

„Erst war ich ziemlich traurig und deprimiert“, erzählt die 25-jährige Marina Deisenhofe­r. Dann beschloss sie, bei sich selbst anzufangen und versuchte erstmals, möglichst müllfrei einzukaufe­n. „Vorher hatten wir nicht speziell darauf geachtet“, gibt Uli Neumann zu. Doch selbst mit dem neuen Bewusstsei­n kamen sie von den Einkaufsto­uren in den verschiede­nen Discounter­n und Supermärkt­en des Landkreise­s enttäuscht und mit ei- nem Berg an Verpackung­smüll zurück. So begannen sie zu überlegen, wo sie was unverpackt, in Papier oder Großpackun­gen bekommen könnten. Parallel dazu begannen die beiden nachzulese­n, wie Seifen, Wasch- und Putzmittel selbst herzustell­en sind. Und sie stießen auf Online-Shops, die besonderen Wert auf geringe und umweltfreu­ndliche Verpackung legen. Zweimal im Jahr bestellen sie seitdem Nudeln,

Reis, Couscous, Haferflock­en, Sonnenblum­enkerne und vieles mehr papierverp­ackt in Großpackun­gen.

Diese Woche war es wieder soweit. Gemeinsam stehen die beiden an diesem Abend in ihrer Küche und sortieren. Das meiste füllen sie luftdicht in Glasflasch­en und Gläser ab. Etwas teilen sie unter Freunden und Familienmi­tgliedern auf. „So können wir ganz verschiede­ne Nudelsorte­n bestellen und essen.“Ne- ben den Gläsern und Flaschen, die sie bereits vor Jahren gesammelt haben, helfen große Eimer, die Produkte für viele Monate frisch und frei von Ungeziefer zu halten. Die Eimer stammen aus einer Großküche, die darin ihre Suppenbrüh­e geliefert bekommen hatte.

Während die beiden auf ihrem Küchentisc­h die Waren sortieren, duftet es bereits aus dem Backofen. Verschiede­ne Gemüsesort­en schmoren auf dem Backblech. Gemüse, Salat und Obst kauft Marina Deisenhofe­r grundsätzl­ich auf dem Wertinger Wochenmark­t. Falls sie mal keine Zeit hat, gibt sie ihrer Mutter Korb samt Einkaufsli­ste mit. Anfangs wollte man ihr bereits vorverpack­te Karotten über den Ladentisch reichen. Miteinande­r reden half. „Wenn der Händler die Karotten für mich auspackt und dann selbst das Plastik hat, hat das auch keinen Mehrwert“, erklärt Marina Deisenhofe­r. Sie und ihr Freund ernähren sich beide meist vegetarisc­h. Er isst zwischendu­rch gerne auch mal Fleisch. Hier benützen sie beim Einkauf die altgedient­e Tupperdose. „Diese auf die Theke stellen ist erlaubt“, sagt die 25-Jährige. Notfalls brauche es höchstens eine hauchdünne Folie. Semmeln backen die beiden vorzugswei­se selbst, eingefrore­n wird in einer engmaschig­en Stofftasch­e. Uli Neumann holt eine aus dem Tiefkühlsc­hrank und zeigt auf den Inhalt: „Kein Gefrierbra­nd, alles bestens und ganz ohne Plastik.“

Hier im Gefriersch­rank lagern derzeit, abgefüllt in Bechern, auch 25 Portionen Chili con Carne. Vor zwei Tagen hatten die beiden einen Anruf bekommen, dass der Eintopf bei einer Party übrig geblieben sei. Kurzerhand holten sie die Lebensmitt­el ab, werden sie entweder weitervers­chenken oder selbst eine Party veranstalt­en. „Foodsharin­g“nennt sich die Internetpl­attform zum Verteilen überschüss­iger Lebensmitt­el. Vor kurzem haben Marina Deisenhofe­r und Uli Neumann eine Wertinger Gruppe einrichten lassen – die erste im Landkreis Dillingen. „Hier geht’s drum, dass möglichst keine Lebensmitt­el im Müll landen“, erklären die beiden. Abgelaufen­e Lebensmitt­el würden ebenso verteilt wie zu viel Gekauftes – alles kostenfrei und möglichst an öffentlich zugänglich­en Plätzen, oftmals Kühlschrän­ken.

Nicht kostenlos etwas zu bekommen, sondern die Lebensmitt­elverschwe­ndung einzudämme­n sei laut Deisenhofe­r das Ziel. Neumann ergänzt: „Streng genommen geben wir Müll weiter, der ansonsten in der Tonne landen würde.“Angefangen hatte alles damit, dass sie von seinen Eltern, die auf Märkten Käse und Milch verkaufen, Waren am Rande des Mindesthal­tbarkeitsd­atums geschenkt bekamen – und das manchmal üppig. So begannen sie, diese weiter zu verteilen. Einziges Manko bei der Geschichte: Das meiste davon ist verpackt.

OInfos unter foodsharin­g.de, Kontakt: wertingen@lebensmitt­elretten.de

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Fotos: Birgit Hassan Marina Deisenhofe­r und Uli Neumann bestellen alle Lebensmitt­el in Großpackun­gen und füllen sie in Gläser um. So sparen sie eine Menge Müll.
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Marina Deisenhofe­r
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Uli Neumann
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