Weniger Müll im Landkreis
Wie ein junges Wertinger Paar sein Bewusstsein änderte. Angefangen hatte alles beim Schnorcheln auf Teneriffa. Jetzt eröffneten sie auch die erste Foodsharing-Gruppe im Landkreis
Ein Schnorchel-Urlaub auf Teneriffa hat dazu geführt, dass ein Wertinger Paar versucht, auf Müll zu verzichten. Die Idee geht noch weiter.
Wertingen Teneriffa – Sonne, Sand und Schnorcheln. Von wegen Luxusurlaub pur. Marina Deisenhofer und Uli Neumann kehrten 2015 geschockt von ihrem Urlaub zurück: „Beim Schnorcheln begegnete uns mehr Müll als Fische und sonstige Tiere“, erzählt das junge Wertinger Paar. Zuhause legten die beiden dieses Erlebnis keineswegs ad acta. Es weckte sie vielmehr auf.
„Erst war ich ziemlich traurig und deprimiert“, erzählt die 25-jährige Marina Deisenhofer. Dann beschloss sie, bei sich selbst anzufangen und versuchte erstmals, möglichst müllfrei einzukaufen. „Vorher hatten wir nicht speziell darauf geachtet“, gibt Uli Neumann zu. Doch selbst mit dem neuen Bewusstsein kamen sie von den Einkaufstouren in den verschiedenen Discountern und Supermärkten des Landkreises enttäuscht und mit ei- nem Berg an Verpackungsmüll zurück. So begannen sie zu überlegen, wo sie was unverpackt, in Papier oder Großpackungen bekommen könnten. Parallel dazu begannen die beiden nachzulesen, wie Seifen, Wasch- und Putzmittel selbst herzustellen sind. Und sie stießen auf Online-Shops, die besonderen Wert auf geringe und umweltfreundliche Verpackung legen. Zweimal im Jahr bestellen sie seitdem Nudeln,
Reis, Couscous, Haferflocken, Sonnenblumenkerne und vieles mehr papierverpackt in Großpackungen.
Diese Woche war es wieder soweit. Gemeinsam stehen die beiden an diesem Abend in ihrer Küche und sortieren. Das meiste füllen sie luftdicht in Glasflaschen und Gläser ab. Etwas teilen sie unter Freunden und Familienmitgliedern auf. „So können wir ganz verschiedene Nudelsorten bestellen und essen.“Ne- ben den Gläsern und Flaschen, die sie bereits vor Jahren gesammelt haben, helfen große Eimer, die Produkte für viele Monate frisch und frei von Ungeziefer zu halten. Die Eimer stammen aus einer Großküche, die darin ihre Suppenbrühe geliefert bekommen hatte.
Während die beiden auf ihrem Küchentisch die Waren sortieren, duftet es bereits aus dem Backofen. Verschiedene Gemüsesorten schmoren auf dem Backblech. Gemüse, Salat und Obst kauft Marina Deisenhofer grundsätzlich auf dem Wertinger Wochenmarkt. Falls sie mal keine Zeit hat, gibt sie ihrer Mutter Korb samt Einkaufsliste mit. Anfangs wollte man ihr bereits vorverpackte Karotten über den Ladentisch reichen. Miteinander reden half. „Wenn der Händler die Karotten für mich auspackt und dann selbst das Plastik hat, hat das auch keinen Mehrwert“, erklärt Marina Deisenhofer. Sie und ihr Freund ernähren sich beide meist vegetarisch. Er isst zwischendurch gerne auch mal Fleisch. Hier benützen sie beim Einkauf die altgediente Tupperdose. „Diese auf die Theke stellen ist erlaubt“, sagt die 25-Jährige. Notfalls brauche es höchstens eine hauchdünne Folie. Semmeln backen die beiden vorzugsweise selbst, eingefroren wird in einer engmaschigen Stofftasche. Uli Neumann holt eine aus dem Tiefkühlschrank und zeigt auf den Inhalt: „Kein Gefrierbrand, alles bestens und ganz ohne Plastik.“
Hier im Gefrierschrank lagern derzeit, abgefüllt in Bechern, auch 25 Portionen Chili con Carne. Vor zwei Tagen hatten die beiden einen Anruf bekommen, dass der Eintopf bei einer Party übrig geblieben sei. Kurzerhand holten sie die Lebensmittel ab, werden sie entweder weiterverschenken oder selbst eine Party veranstalten. „Foodsharing“nennt sich die Internetplattform zum Verteilen überschüssiger Lebensmittel. Vor kurzem haben Marina Deisenhofer und Uli Neumann eine Wertinger Gruppe einrichten lassen – die erste im Landkreis Dillingen. „Hier geht’s drum, dass möglichst keine Lebensmittel im Müll landen“, erklären die beiden. Abgelaufene Lebensmittel würden ebenso verteilt wie zu viel Gekauftes – alles kostenfrei und möglichst an öffentlich zugänglichen Plätzen, oftmals Kühlschränken.
Nicht kostenlos etwas zu bekommen, sondern die Lebensmittelverschwendung einzudämmen sei laut Deisenhofer das Ziel. Neumann ergänzt: „Streng genommen geben wir Müll weiter, der ansonsten in der Tonne landen würde.“Angefangen hatte alles damit, dass sie von seinen Eltern, die auf Märkten Käse und Milch verkaufen, Waren am Rande des Mindesthaltbarkeitsdatums geschenkt bekamen – und das manchmal üppig. So begannen sie, diese weiter zu verteilen. Einziges Manko bei der Geschichte: Das meiste davon ist verpackt.
OInfos unter foodsharing.de, Kontakt: wertingen@lebensmittelretten.de