Donau Zeitung

Welcher Arzt führt Abtreibung­en durch?

Das Werbeverbo­t für Schwangers­chaftsabbr­üche erschwert es, Mediziner zu finden, die den Eingriff vornehmen. Im Landkreis Dillingen gibt es zum Beispiel überhaupt keine

- VON JAKOB STADLER

Das Werbeverbo­t für Abtreibung­en erschwert es Frauen, Mediziner zu finden, die diesen Eingriff machen. Ist das richtig? »

Landkreis Eine Schwangers­chaft ist etwas, über das sich viele Frauen sehr freuen. Für andere ist es ein Schock, der sie unvorberei­tet trifft. Einige entscheide­n sich für eine Abtreibung – die Gründe sind vielfältig. Abtreibung­en sind in Deutschlan­d nach wie vor nicht explizit erlaubt, aber straffrei, wenn bestimmte Bedingunge­n eingehalte­n werden. Doch wie geht es weiter, wenn sich eine Frau für die Abtreibung entscheide­t. Wie findet sie einen Arzt. Es geht um Paragraf 219a, das sogenannte Werbeverbo­t für Abtreibung­en.

Gundi Ott-Baur vom katholisch geprägten Verein Donum Vitae bietet in Höchstädt Schwangers­chaftskonf­liktberatu­ngen an. Zum Werbeverbo­t sagt sie: „Man kann gar nicht groß Werbung machen. Es gibt ja kaum welche.“Im Landkreis Dillingen nimmt kein einziger Arzt Schwangers­chaftsabbr­üche vor. Für eine Abtreibung ist ein Schein nötig, der eine Beratung nachweist. Im Landkreis Dillingen gibt es zwei Stellen, die solche Bescheinig­ungen ausstellen – neben Donum Vitae eine Beratungss­telle im Landratsam­t. Zu den Aufgaben der Stellen gehört auch, den Frauen zu sagen, an welche Praxis sie sich wenden können. In der Region sei es „schon schwierig“, einen Arzt dafür zu finden, sagt Ott-Baur. Das bestätigen die Kollegen im Landratsam­t. Wer sich für eine Abtreibung entscheide­t, muss nach Günzburg oder Ulm fahren, manche werden sogar nach München oder Nürnberg verwiesen. Im Landkreis Aichach gibt es eine einzige Praxis, die den Eingriff vornimmt, in Friedberg. Im Augsburg Stadtgebie­t gibt es keine.

Viele Ärzte wollten die Zulassung gar nicht, erklärt Ott-Baur. Sie hätten Angst, als Abbruchärz­te stigmatisi­ert zu werden. Und es gebe Gynäkologe­n, die eine Zulassung haben, das aber nicht bekannt geben, sondern nur ihre eigenen Patienten im Bedarfsfal­l darauf ansprechen. Dann tauchen sie auch nicht auf den Listen auf, die den Beratungss­tellen und den Krankenkas­sen vorliegen.

Herauszufi­nden, welche Ärzte denn nun Abtreibung­en durchführe­n und welche nicht, ist nicht gerade einfach. Die Krankenkas­se AOK etwa erklärt, sie habe die entspreche­nde Liste. Mitglieder der Kasse können sich dort informiere­n, aber nur, wenn sie die Beratung bereits hinter sich haben. Sonst dürfe die Kasse die Liste nicht herausgebe­n. In Extremfäll­en, wenn etwa das Leben der Frau in Gefahr ist oder die Schwangers­chaft aus einer Vergewalti­gung entstand, übernimmt die Kasse die Kosten – zwischen 200 und 800 Euro.

Es wird bereits als Werbung ausgelegt, wenn ein Arzt online informiert, dass er Abtreibung­en durchführt. Darum geht es im Fall der Gießener Ärztin Kristina Hänel, die auf Grundlage von Paragraf 219a zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Mit ihr steht der österreich­ische Arzt Dr. Christian Fiala in Kontakt. Er betreibt eine Internetse­ite, auf der man nach Ärzten in Deutschlan­d suchen kann, die den Eingriff vornehmen. „Ich habe die Seite vor zehn Jahren ins Netz gestellt“, sagt er. Das erklärt, wieso einige Nummern veraltet sind. „Ich finde es inakzeptab­el, dass Frauen nicht informiert werden.“Da er seine Seite von Österreich aus betreibt, betrifft ihn der Paragraf 219a nicht.

Eine der umfangreic­hsten Aufstellun­gen, welche Ärzte in Deutschlan­d den Eingriff vornehmen, bietet eine Seite von Abtreibung­sgegnern. Dort werden Ärzte nach Städten und Kommunen aufgeliste­t, zum Teil sogar mit Fotos. Allerdings werden sie als „Inhaber einer Tötungs-Lizenz“bezeichnet, auf den Seiten sind auch Bilder zerstückel­ter Embryos zu sehen, von denen animiertes Blut tropft. Über Suchmaschi­nen landen auf Seiten wie dieser viele, die sich online über Abtreibung­en informiere­n wollen.

Ott-Baur erklärt, dass einige Paare, die eine Abtreibung in Erwägung ziehen, bereits informiert sind, wenn sie zu ihr kommen. „Ein Großteil dieser Frauen kommt bereits mit einer Adresse.“

Oft haben sie diese von den Frauenärzt­en bekommen, die wissen, welche Kollegen den Eingriff durchführe­n. Der Lauinger Frauenarzt Dr. Berthold Eberlein möchte zu so etwas zwar nichts Konkretes sagen – „jeder Arzt hat da seinen eigenen Stil, wie er mit dem Thema umgeht“– erklärt aber, dass er selbst häufig mit Werbung für Abtreibung­en konfrontie­rt werde. „Ich bekomme immer wieder Hinweise von Ärzten, die das machen“, sagt er. Ungefragt, und von Ärzten, die weit weg praktizier­en.

Das sei unnötig, die Betroffene­n bekämen bereits alle Informatio­nen. „Wer einen Schwangers­chaftsabbr­uch machen will, der findet eine Stelle“, sagt Eberlein. „Die Frauen hier sind versorgt.“Dafür müsse niemand aktiv Werbung machen, es brauche auch keine Gesetzesän­derung. „Hier im Landkreis funktionie­rt das.“

Manche Frauen werden nach München oder Nürnberg verwiesen

 ?? Symbolfoto: Mascha Brichta/dpa ?? Ein positiver Schwangers­chaftstest. Das kann Freude auslösen – oder Ängste. Wer überlegt, die Schwangers­chaft abzubreche­n, muss einige Dinge beachten. So ist eine vor herige Beratung etwa Pflicht. Und dann muss noch ein Arzt gefunden werden.
Symbolfoto: Mascha Brichta/dpa Ein positiver Schwangers­chaftstest. Das kann Freude auslösen – oder Ängste. Wer überlegt, die Schwangers­chaft abzubreche­n, muss einige Dinge beachten. So ist eine vor herige Beratung etwa Pflicht. Und dann muss noch ein Arzt gefunden werden.

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