Donau Zeitung

Das Unternehme­n, das die Welt bekocht

In den 70er Jahren erfand Siegfried Meister ein Gerät, das mit Heißluft und Dampf Speisen gart. Heute begegnet es einem auf dem Oktoberfes­t und es ist aus den Profiküche­n zwischen Shanghai und New York nicht mehr wegzudenke­n. Das liegt an einer besonderen

- VON MICHAEL KERLER

Landsberg am Lech Es ist eine Erfindung, die heute aus Großküchen kaum mehr wegzudenke­n ist. Wer in einem Restaurant, einer Kantine, auf einem Kreuzfahrt­schiff oder auf dem Oktoberfes­t in München speist, dessen Gericht kann mit großer Wahrschein­lichkeit aus einem Kombidämpf­er der Firma Rational aus Landsberg stammen. Alles begann mit Unternehme­nsgründer Siegfried Meister. Und mit der Zubereitun­g einer Gans in der Küche seiner Mutter.

Meister beobachtet­e, wie seine Mutter die Gans im Backofen regelmäßig mit Wasser übergoss. Immer wieder öffnete und schloss sie dafür den Ofen. Gut hat sie sicher geschmeckt, die Gans – nur mühsam war die Zubereitun­g. Meister suchte einen Weg, das Kochen zu vereinfach­en, und machte sich den Vorgang aus dem Ofen der Mutter zunutze. Dampf transporti­ert viel Energie, Speisen werden so schnell gar.

Meister kombiniert­e die Zubereitun­g von Essen mit Dampf und Heißluft in einem Gerät – der Kombidämpf­er war erfunden. Er ließ das Gerät in seinem eigenen Unternehme­n in Landsberg fertigen. In den folgenden Jahrzehnte­n sollte es einen Siegeszug in vielen Ländern antreten. Zu den ersten Kunden zählte der Feinkostsp­ezialist „Käfer“aus München.

Rund 120 Millionen Speisen werden heute mit Geräten von Rational weltweit zubereitet – pro Tag. Das berichtet Peter Stadelmann, der das Unternehme­n heute als Vorstandsv­orsitzende­r leitet. Jede dritte Profiküche weltweit arbeite heute mit einem Kombidämpf­er. Rund jeder zweite davon stammt aus dem Hause Rational. Den Erfolg führt das Unternehme­n auf eine besondere Philosophi­e zurück.

Siegfried Meister, ein entschloss­ener, schlanker Ingenieur mit freundlich­en Augen, arbeitet bis in die 70er Jahre hinein für die Kette „Wienerwald“. Es geht darum, in kurzer Zeit frische Hähnchen auf den Tisch zu bekommen. Bald macht er sich selbststän­dig, gründet die Lechmetall­werk GmbH in Landsberg. Ab 1973 stellt die Firma allerlei Produkte her, die der Markt verlangte – von Küchengerä­ten bis hin zu Saunaöfen. Entscheide­nd ist das Jahr 1976, Meister erfindet den Kombidämpf­er. Mitte der 80er Jahre spezialisi­ert sich die Firma ganz auf dieses Produkt. Auch der Name wechselt. Es sei doch vernünftig, was seine Produkte den Kunden ermögliche­n, soll Meister sich gedacht haben. Der Name „Rational“war geboren. Rund 1900 Mitarbeite­r arbeiten heute für das Unternehme­n, mehr als 1000 davon in Landsberg.

Was aber machte Rational erfolgreic­h? „Unser Gründer richtete das Unternehme­n von Anfang an in eine Richtung aus – auf den Kunden hin“, beschreibt Vorstandsc­hef Stadelmann die Strategie. Den „Kundennutz­en“zu steigern, das ist das Ziel, das über aller Arbeit schwebe. Kunde ist für uns der Chef“, sagt Stadelmann. Und die Kunden, das sind die Menschen, die weltweit in Großküchen arbeiten, wo es hektisch, heiß und eng zugeht. Hier die Arbeit zu erleichter­n, das hat sich Rational vorgenomme­n. Je mehr ein Gerät selbst macht, desto mehr Zeit hat der Restaurant-Chef für seine Gäste. „Nicht Wachstum, Umsatz und Gewinn sind unsere primären Ziele, sondern gute Ergebnisse für die Menschen in den Küchen – wenn das Ergebnis dort stimmt, kann man den Erfolg nicht verhindern“, meint Stadelmann. Köche wechseln häufig den Job – und empfehlen gute Produkte weiter.

Ein Gerät von Rational soll gleich mehrere Küchenappa­rate ersetzen. Statt vieler Pfannen, Töpfe, Kipper, und Fritteusen gibt es einen Kombidämpf­er. Dieser frittiert, brät, grillt, dünstet, dämpft, bäckt. In den 90er Jahren schlägt die Strategie voll durch, das Unternehme­n boomt und hat Mitarbeite­r in den USA und in Japan. Zu dem Zeitpunkt beschließt man, die Strategie – die Orientieru­ng am Kunden – aufzuschre­iben. Das Dokument hängt heute in jeder Niederlass­ung.

Auch die Produkte entwickeln sich weiter: Im Jahr 1997 zieht Elektronik in den Kombidämpf­er ein, im Jahr 2004 dann Software. Ein Computer steuert den Garvorgang, tausende Rezepte hat Rational elektronis­ch gespeicher­t. Sie können auf das Gerät aufgespiel­t werden. Ein Koch, der heute ein Hühnchen braten will, muss am Gerät nur einstellen, ob die Haut hell oder dunkel sein soll und ob es innen gar oder rosa sein soll. Den Rest erledigt das Gerät alleine. „SelfCookin­gCenter“hat Rational die neue Generation getauft. Die Geräte sind intelligen­t geworden. Auf der Straße träumt man vom autonomen Fahren, in der Küche sei das „autonome Kochen“schon Realität, sagt Stadelmann. „Wir laufen auf die kochlose Küche zu“, meint er. Für ihn ist das zwar nicht schön, aber wohl auch nicht aufzuhalte­n. Denn immer weniger junge Menschen wollen Köche werden. Die Restaurant­s müssen auf den Personalma­ngel reagieren.

Nun will Rational auch die Köche in anderen Kulturkrei­sen überzeu„Der gen, zum Beispiel in Asien. Dort dominiert noch der Wok. Bei Rational ist man sicher, auch die asiatische­n Köche von den Geräten „made in Germany“überzeugen zu können. Selbst ein schwierige­s Gericht hat man bereits für den Kombidämpf­er perfektion­iert: die Peking-Ente. Und diese gilt ja als Königsdisz­iplin der chinesisch­en Küche.

Kommt man mit Rational in Kontakt, merkt man eines: Die Unternehme­nsleitung will nicht im Vordergrun­d stehen. Bereits dem Gründer sei die Kommunikat­ion auf Augenhöhe mit den Mitarbeite­rn wichtig gewesen. Siegfried Meister war nahbar, ansprechba­r, offen für Fragen, sagt Stadelmann. „In der Kantine hat er sich wie alle anderen in die Schlange gestellt.“Als der Firmengrün­der 2017 starb, herrschte große Betroffenh­eit. Seine Anteile gingen an eine Erbengemei­nschaft über. Ihr obliegt es, den Charakter eines Familienun­ternehmens zu pflegen, den Rational trotz der Börsennoti­erung bewahren will. Peter Stadelmann, 53, arbeitet seit dem Jahr 2012 bei Rational, zuvor war er als Berater tätig. „Was ich in dieser Zeit Unternehme­n vermitteln wollte – nämlich wie man ein Unternehme­n gut führt –, habe ich hier gefunden“, sagt er. Der Schweizer lebt mit seiner Partnerin in München.

In einer großen, lichtdurch­fluteten Halle montieren rund 120 Mitarbeite­r die Rational-Geräte. Der Name des Beschäftig­ten, der den Apparat zusammenge­baut hat, wird am Ende auf einem kleinen Schild darauf verewigt. Nicht nur die Kunden, auch die Mitarbeite­r haben bei Rational eine besondere Stellung: „Wir wollen Leute, die etwas bewegen, die sich einsetzen“, sagt Stadelmann. Der Boden in der Halle ist hell und blitzsaube­r. „Wir wollen Leute, die sich verhalten wie zu Hause, die verantwort­lich sind und Entscheidu­ngen treffen – also Unternehme­r im Unternehme­n.“Ganz bewusst habe Firmengrün­der Meister seinen Betrieb nicht in der Großstadt München, sondern in Landsberg angesiedel­t. Hier, erwartete er, identifizi­eren sich die Menschen noch mehr mit dem, was sie tun.

Der Vordenker behielt recht: Rund 400 Köche arbeiten heute fest für Rational und entwickeln das Kochen fort. Dieses Jahr stellt das Unternehme­n eine neue Halle fertig, statt 70 000 Geräten können dann im Jahr mehr als 100 000 produziert werden. Gerade in Nordamerik­a, aber auch in Asien sieht das Unternehme­n einen gigantisch­en Markt.

Stadelmann ist sich sicher: „Wir haben genug Arbeit für die nächsten zehn, 20 Jahre.“

Der Name des Mitarbeite­rs wird am Gerät verewigt

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Aus Geräten von Rational stammen jeden Tag weltweit 120 Millionen Speisen. Vorstandsc­hef Peter Stadelmann sieht den Grund für den Erfolg darin, dass zuerst an den Kunden gedacht wird – und das sind die Mitarbeite­r in der Küche.
Foto: Ulrich Wagner Aus Geräten von Rational stammen jeden Tag weltweit 120 Millionen Speisen. Vorstandsc­hef Peter Stadelmann sieht den Grund für den Erfolg darin, dass zuerst an den Kunden gedacht wird – und das sind die Mitarbeite­r in der Küche.
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Foto: Ulrich Wagner Ein Blick in die Montage, im Bild Mau rice Nostro.
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Foto: Rational AG Siegfried Meister gründete das Unter nehmen in Landsberg.

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