Donau Zeitung

Der gierige Blick über den eigenen Tellerrand hinaus

Was die so unterschie­dlichen Künstler Peter Paul Rubens und Jean-Michel Basquiat verbindet

- VON RÜDIGER HEINZE

Frankfurt am Main Wer nur von seiner eigenen Sache etwas versteht, versteht auch davon nichts. Die alte Erkenntnis kommt dem in den Sinn, der jetzt zwei Frankfurte­r Ausstellun­gen besichtigt, die zwei Künstlern wahrlich unterschie­dlicher Ästhetik gewidmet sind: Peter Paul Rubens und Jean-Michel Basquiat.

Hier der „weiße“flämische Maler des Barock mit gediegener künstleris­cher Ausbildung (1577–1640), dort der afroamerik­anische New Yorker „Straßenkün­stler“(1960 – 1988), ein Post-War-Kind, HipHopper, Autodidakt, abhängig von Drogen, die letztlich seinen frühen Tod bedeuteten. Und doch verbindet beide geniale Maler, dass sie sich intensivst um Verständni­s bemühten, was ihre Vorgänger und Kollegen schufen, was im kulturelle­n Umfeld in der Historie und zu ihrer Zeit geschah. Rubens kopierte fast ein Leben lang die Werke älterer Meister (besonders Tizian!) – zunächst, um sich zu schulen, später, um zu studieren, sich ein Motiv-Repertoire zu erschließe­n, zu variieren, zu verbessern im Sinne künstleris­chen Wettstreit­s. Insbesonde­re, was er sich bei seinem Italien-Aufenthalt Anfang des 17. Jahrhunder­ts – zeichneris­ch – aneignete, ja einverleib­te an antiken Ausdrucksf­ormen, dies ist nun im Frankfurte­r Städel erhellend zu betrachten. Den muskulösen Oberkörper eines Kentauren formte er um zum gegeißelte­n Christus, den Torso vom Belvedere zum auferstehe­nden Christus, den Herkules Farnese zum Christopho­rus.

In der Frankfurte­r Schirn wiederum, ebenfalls geleitet von Philipp Demandt, ist in mehr als 100 Werken nachzuverf­olgen, welch aufsaugend­er und gierig die Kulturgesc­hichte verwertend­er Maler JeanMichel Basquiat war. Mit dem Bild des Straßenkün­stlers sind nicht zwangsläuf­ig die großen eigenen Kollektion­en an Künstler-Monografie­n, Jazz-Platten, Filmen vereinbar, die Basquiat sich dienlich machte. Da Vincis Codices, die Kunst von Matisse und Picasso wird herangezog­en und auch Tizian… Dass es Querbezüge zu den gestischen Kürzeln und Schriftein­malungen von Cy Twombly gibt, den Basquiat 1979 im New Yorker Whitney Museum gesehen hatte, ist augenfälli­g. Und im Metropolit­an Museum von NY studierte Basquiat ebenfalls zeichnend Kunstwerke – wie Rubens einst in Rom.

Nicht weniger ist in Frankfurt zu betrachten als das Doppel von Naturtalen­ten, die die Kunst vorantrieb­en – mit ihr selbst als Quelle.

ORubens im Städel, Laufzeit bis

21. Mai, Katalog 39,90 Euro Basquiat in der Schirn, Laufzeit bis

27. Mai, Katalog 49,95 Euro

 ?? Fotos: KHM/VG Bild Kunst ?? Das Rubens Selbstport­rät (~1638) aus dem Kunsthisto­rischen Museum Wien (links im Ausschnitt) und ein Basquiat Selbstport­rät (1983).
Fotos: KHM/VG Bild Kunst Das Rubens Selbstport­rät (~1638) aus dem Kunsthisto­rischen Museum Wien (links im Ausschnitt) und ein Basquiat Selbstport­rät (1983).
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany