Donau Zeitung

Ein Sonntag in der Hölle

Das Rennen Paris-Roubaix ist eine Tortur. Es hat zwei Weltkriege und alle Dopingskan­dale überdauert

- VON HARTMUT SCHERZER L’Équipe. L’Équipe, Paderborn – Jena, Großaspach – SF Lotte, Würz burger Kickers – Fortuna Köln, Münster – Wehen, Magdeburg – Karlsruhe, Rostock – Unterhachi­ng (a. Sa., 14 Uhr), Zwickau – Osnabrück, Erfurt – Chemnitz, Meppen – Hallesc

Frankfurt „Bonne route!“Mit diesem aberwitzig­en Wunsch, eine „gute Fahrt“zu haben, werden am Sonntag in Compiègne zweihunder­t Radprofis in die „Hölle des Nordens“geschickt. „Un dimanche d’enfer“, titelte einmal die französisc­he Sportzeitu­ng „Ein Sonntag in der Hölle“steht zum 116. Mal im Radsport-Kalender: Paris-Roubaix, ein anachronis­tisches Spektakel über Kopfsteinp­flaster, die „Pavés“des nordfranzö­sischen Kohlerevie­rs.

Dieses Monument des Radsports aus dem vorletzten Jahrhunder­t hat zwei Weltkriege und sämtliche Dopingskan­dale überdauert. Die „Königin der Klassiker“, 1896 geboren, ist ein Mythos. 54,5 brutale Kilometer über „Pavés“auf der 257 Kilometer langen Strecke werden Mensch und Material durchrütte­ln.

Das belgische Team Quick-Step Floors kann gleich zwei Trumpfkart­en ausspielen: den Holländer Niki Terpstra, am vergangene­n Sonntag Solo-Sieger bei der Flandern-Rundfahrt und 2014 schon einmal Erster auf dem Vélodrome in Roubaix, und Philippe Gilbert. Der 35-jährige Wallone, Weltmeiste­r von 2012 und zuletzt Dritter der Flandern-Rundfahrt, hat sich die Schüttel-Qual in seiner ruhmreiche­n Karriere erst einmal angetan, 2007 (52.). Ein Triumph wäre deren Krönung.

Die Hauptkonku­rrenten: Olympiaund Vorjahress­ieger Greg Van Avermaet (Belgien), DreifachWe­ltmeister Peter Sagan vom deutschen Team Bora-hansgrohe und John Degenkolb, der Zweite von 2014 und Sieger von 2015. Die Flandern-Rundfahrt stecke ihm zwar noch in den Beinen, ließ der Oberursele­r auf der Pressekonf­erenz seines Teams Trek-Segafredo wissen. Degenkolb erreichte das Ziel auf Rang 32. Inzwischen sei das Gefühl für Sonntag aber gut.

Sein Triumph 2015 war ein historisch­es Ereignis. Den ersten Kopfstein-Klassiker hatte 1896 der Münchner Josef Fischer gewonnen – und über ein Jahrhunder­t keinen deutschen Nachfolger gefunden. Bis Degenkolb siegte. Der Thüringer, der 2016 verletzt fehlte und im Vorjahr Zehnter wurde, weiß, wie man hier gewinnt: „Man darf nicht die Nerven verlieren. Wer etwas erreichen will, darf keine Kräfte verschleud­ern, muss am Ende noch viele Körner übrig haben und im entscheide­nden Moment attackiere­n.“

Der „letzte Wahnsinn des Radsports“, wie der legendäre Chefredakt­eur von Jacques Goddet, das Rennen einmal nannte, hat seinen Ursprung im vorletzten Jahrhunder­t, als die schmalen Feldund Waldwege mit bretonisch­en Granitstei­nen für die Kohlekarre­n gepflaster­t wurden.

Das erste Rennen hatten zwei Textil-Unternehme­n aus Roubaix veranstalt­et, um in Paris bekannt zu werden. Zeitweise wurde es von der fortschrei­tenden Asphaltier­ung bedroht. Die Organisati­on „Les Amis de Paris-Roubaix“führte jahrzehnte­lang einen Kampf gegen den Teer mit dem Motto: „Sans pavés, pas de course.“(Ohne Steine kein Rennen). Mit Erfolg. Die 55 Kilometer Pavés-Passagen stehen seit 2000 unter Denkmalsch­utz.

IMehr Informatio­nen zum Ama teurfußbal­l unter fupa.net/schwaben

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Foto: Witters 55 der 257 Kilometer führen über altes Kopfsteinp­flaster.

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