Donau Zeitung

Die Frage der Woche Jetzt bei Facebook abmelden?

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Was vor Jahren als angesagter Zeitvertre­ib begann, mit dem sich bequem der Kontakt zu uralten Bekannten aufrechter­halten ließ, hat sich schleichen­d zum Fluch entwickelt: Tag für Tag beginne ich wie zehntausen­de andere schon morgens damit, mich durch eine endlose Aneinander­reihung austauschb­arer Urlaubsfot­os, versetzt mit pubertärem Internethu­mor und personalis­ierter Werbung, zu scrollen. Denn zwischen all der Belanglosi­gkeit könnte sich ein Foto des dritten Kindes meiner Cousine zweiten Grades verstecken, das unbedingt mit einem ausgestrec­kten Daumen honoriert werden muss.

Facebook hat uns fest im Griff. Nach der virtuellen hat es sich längst auch in der realen Welt Bahn gebrochen. Wer nicht am Ball bleibt, verpasst nicht nur die einschneid­enden Ereignisse in der Vita entfernter Bekannter, sondern verdient sich damit obendrein das Unverständ­nis seiner Freunde und Kollegen. Wesentlich schwerer wiegen jedoch die direkten Folgen für uns alle, die sich aus dem Diebstahl unzähliger Privatinfo­rmationen ergeben und sich mutmaßlich auf die US-Präsidents­chaftswahl und das Brexit-Referendum ausgewirkt haben. Facebook ist nicht mehr nur ein Zeitfresse­r, über den wir uns gegenseiti­g mit trivialen Nebensächl­ichkeiten versorgen, sondern ein handfestes Risiko für unsere Selbstbest­immung.

Wer sich nicht längst schon zum Absprung überwunden hat, sollte spätestens jetzt handeln: Runter vom sinkenden Facebook-Schiff! Von zahllosen Datenlecks schwer gezeichnet, treibt es unkontroll­iert durch ein Meer an Katzenvide­os, kitschigen Kalendersp­rüchen und Kochrezept­en im Zeitraffer­format. Kapitän Zuckerberg zufolge wird es noch Jahre dauern, die klaffenden Sicherheit­slücken zu stopfen. Darauf sollten wir nicht warten.

Facebook ist ein Krake. Selbst wer sich abmeldet, entkommt seinen Fängen nicht. Denn auch der geliebte Messengerd­ienst WhatsApp und der Online-Dienst Instagram gehören zu Zuckerberg­s Imperium. Bei jedem Schritt, den man online unternimmt, werden Daten gespeicher­t. Ein Internetnu­tzer hinterläss­t also ständig einen digitalen Fußabdruck. Wer konsequent sein will, der dürfte sich also überhaupt nicht mehr im Netz bewegen. Doch ist das sinnvoll? Im Zeitalter der hochgejube­lten Digitalisi­erung definitiv nicht.

Vor einigen Jahren hatte ich selbst einmal den Schlussstr­ich gezogen. Ich habe mein Facebook-Profil gelöscht. Doch schon während des Studiums habe ich mich wieder auf seine Vorteile besonnen. Alle Manuskript­e der Vorlesunge­n wurden in die Uni-Gruppe gestellt. Wer also Mitschrift­en verpasst hatte, weil er sich lieber Verabredun­gen in der realen Welt widmete, konnte so unkomplizi­ert das Verpasste nachholen. Über diverse Verschenk- und Flohmarktg­ruppen war es möglich, sein Zimmer mit billigen oder sogar kostenlose­n Möbeln einzuricht­en. Bei kleinem Geldbeutel kann die Plattform sehr hilfreich sein.

Trotz Datenklau: Facebook kann auch Privatsphä­re schützen. Flüchtigen Bekannten gebe ich lieber meinen Facebook-Kontakt als gleich die private Handynumme­r. Außerdem ist in vielen (Medien-)Berufen die Aktivität auf sozialen Netzwerken sogar ein Einstellun­gskriteriu­m – also online bleiben! Denn mittlerwei­le checkt fast jeder Chef auch das Facebook-Profil seiner künftigen Mitarbeite­r. Wer sich dessen bewusst ist und Facebook nicht als intimes Tagebuch nutzt, der braucht keine Angst vor Datenklau zu haben und kann das Netzwerk zu seinem eigenen Vorteil benutzen.

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Foto: dpa
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