Donau Zeitung

Der Herr ist mein Hirt…

- VON P. PETER HINSEN SAC, PALLOTTINE­R IN FRIEDBERG

Der schwäbisch­e Malerpfarr­er Sieger Köder wurde von einem Arzt gebeten, den Psalm 23 zu malen. Er habe ihn bei seiner Konfirmati­on ganz auswendig lernen müssen. Das war mühsam. Jahre später ist er als Soldat fast Tag und Nacht in einem Panzer in der Wüste in Afrika gesessen. Die Hälfte seiner Kameraden ist gefallen. Da kam ihm dieser Psalm wieder in den Sinn: „Der Herr ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen. Ich fürchte mich nicht, denn du bist bei mir.“Ständig meldete sich in ihm dieser Satz.

Der Mann überlebte, doch nun musste er an die Front in Russland. Wieder durchlebte er Verwundung und Todesängst­e – und andere mit ihm. Manche leitete er nun an, den Psalm 23 auswendig zu lernen, um ihn immer wieder beten zu können. Er überlebte, heiratete, aber nach fünf Jahren erkrankte seine Frau an Krebs. Wieder griff er zu diesem Psalm. Sie überlebte. Jetzt wollte er seiner Frau ein Bild zu diesem Psalm schenken: Der Herr ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen. Ich fürchte mich nicht, denn du bist bei mir.

Ich weiß, nicht jede Not nimmt eine solch gute Wende. Aber auch heute brauchen Menschen Worte zur Lebensstär­kung. Was machen wir, wenn uns keine Lieder und Gebete mehr an den treuen Gott erinnern, der mit uns geht, nicht nur in guten Tagen, sondern auch im dunklen Tal?

Generation­en vor uns haben solche Worte durch dauernde Wiederholu­ng in ihren Gottesdien­sten auswendig gelernt und tief im Gedächtnis gespeicher­t. Wenn die Not sie sprachlos machte, wenn sie nicht mehr weiterwuss­ten und mit ihrer Kraft am Ende waren, konnten sie damit nach dem Arm des guten Hirten greifen. So vieles wird heute Kindern eingetrich­tert, so vieles müssen wir auch als Erwachsene noch dazu lernen. Werden wir aber in Zukunft auch noch solche tief im Unterbewus­sten gespeicher­ten Worte kennen? In manchen Situatione­n können sie Seile sein, an denen man sich festhalten kann.

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