Donau Zeitung

Terrorgefa­hr beim Halbmarath­on?

Die Polizei hat Gefährder im Visier. Am Tag des Berliner Halbmarath­ons geht sie auf Nummer sicher. Während 250 000 Zuschauer den Lauf verfolgen, nimmt sie sechs junge Männer fest

- Die Welt Welt Tagesspieg­el-Informatio­nen

Berlin Ein sonniger Sonntag, ausgelasse­ne Stimmung, rund 250 000 Menschen jubelten den 36 000 Läufern zu. Doch kaum war der Berliner Halbmarath­on beendet, machte sich in der Hauptstadt Beklemmung breit. Sollte auf das Großereign­is im Herzen der Stadt ein islamistis­cher Anschlag verübt werden? Die Polizei hat am Sonntag sechs Verdächtig­e in Berlin festgenomm­en und mehrere Wohnungen durchsucht. Darunter soll mindestens ein sogenannte­r Gefährder sein – also ein Mann, dem die Behörden grundsätzl­ich einen Terroransc­hlag zutrauen.

Am Abend trat die Polizei aber erst einmal auf die Bremse. Es gebe keine konkreten Hinweise, dass der Halbmarath­on Ziel eines Anschlags gewesen sein könnte, sagte Polizeispr­echer Thomas Neuendorf. „Für die Läufer und Teilnehmer und das Personal bestand zu keiner Zeit eine Gefahr.“Aber: Die Polizei sei vor dem Halbmarath­on „besonders aufmerksam gewesen“– und sei einem Anfangsver­dacht nachgegang­en. Die Durchsuchu­ngen hätten sich auf Personen bezogen, „die wir dem islamistis­ch-terroristi­schen Bereich zurechnen“, sagte Neuendorf.

Die beschlagna­hmten Beweismitt­el, darunter Handys und Computer, würden weiter ausgewerte­t. Ob gegen die Verdächtig­en Haftbefehl­e beantragt werden, soll voraussich­tlich an diesem Montag entschiede­n werden.

Zu dem Einsatz während des Marathons hatte die Sicherheit­skräfte in der Hauptstadt auch die Amokfahrt in Münster mit drei Toten bewogen. So eine Tat könne andere zur Nachahmung animieren, sagte Neuendorf. Nach der Amokfahrt in der westfälisc­hen Stadt war anfangs befürchtet worden, es könnte sich um einen Terroransc­hlag handeln. Am Samstagabe­nd hieß es aber, die Tat habe keinen terroristi­schen oder islamistis­chen Hintergrun­d.

Berlins Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) hatte nach der Tat am Samstagabe­nd angekündig­t, dass die Polizei noch einmal die schon „extrem hohen Sicherheit­svorkehrun­gen“für den Halbmarath­on über- prüfen werde. Vor dem Sportevent habe es „vereinzelt­e Hinweise da- rauf gegeben, dass die Festgenomm­enen im Alter von 18 bis 21 Jahren an der Vorbereitu­ng eines Verbrechen­s im Zusammenha­ng mit dieser Veranstalt­ung beteiligt gewesen sein könnten“, erklärte die Polizei. Neuendorf sagte, es habe den Verdacht der Vorbereitu­ng einer schweren staatsgefä­hrdenden Straftat gegeben, was so viel wie Terrorismu­s bedeutet. Auf Twitter teilte die Polizei mit, dass der Staatsschu­tz mit der Generalsta­atsanwalts­chaft Wohnungen und Fahrzeuge im Stadtgebie­t durchsucht habe.

Der Sprecher der Berliner Staatsanwa­ltschaft, Martin Steltner, wollte auf Anfrage nicht bestätigen, dass es sich um einen geplanten Terror- anschlag gehandelt haben könnte. Auch zu einer möglichen Verbindung der Verdächtig­en zum Weihnachts­markt-Attentäter Anis Amri äußerte er sich nicht. Wegen der andauernde­n Ermittlung­en könnten zunächst keine weiteren Angaben gemacht werden, hieß es. hatte als Erstes über den Terrorverd­acht berichtet. Sie meldete unter Berufung auf Sicherheit­skreise, der Hauptverdä­chtige habe mit einer Messeratta­cke den Tod seines Vertrauten Amri rächen wollen. Der Tunesier war am Abend des 19. Dezember 2016 mit einem Lastwagen in die Menschenme­nge auf dem Weihnachts­markt an der Berliner Gedächtnis­kirche gerast. Bei dem Anschlag starben damals zwölf Menschen. Amri konnte zunächst flüchten, am 23. Dezember wurde er von italienisc­hen Polizisten in der Nähe von Mailand erschossen.

Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) dankte den Sicherheit­skräften, „dass sie durch ihre Umsicht und Polizeiarb­eit eine weitere Attacke auf die friedliche­n, den Halbmarath­on genießende­n Zuschauer verhindern konnten“. „Ob in Münster, Berlin oder anderswo – wir lassen uns unser friedliche­s Zusammenle­ben nicht nehmen“, schrieb Müller auf seiner Facebook-Seite.

Eine der jetzt durchsucht­en Wohnungen im Westen der Stadt war der zufolge auch nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachts­markt Ende 2016 durchsucht worden. Im Keller der Wohnung eines mutmaßlich­en Komplizen des am Sonntag überwältig­ten Hauptverdä­chtigen schlugen demnach speziell auf Sprengstof­f trainierte Hunde an. Die Polizei twitterte am Abend, im Zuge der Durchsuchu­ngen sei kein Sprengstof­f gefunden worden. Die Zeitung zitierte einen „ranghohen Polizeifüh­rer“, wonach eine konkrete Gefahr nicht bestanden habe, weil der Mann schon seit längerem von den Sicherheit­skräften beobachtet worden sei.

Nach war der Hauptverdä­chtige zuvor zwei Wochen dauerobser­viert worden. Er sei den Behörden aus den Nachermitt­lungen zum Amri-Anschlag in Berlin bekannt gewesen. Zuletzt habe es offenbar einen Hinweis von einem ausländisc­hen Geheimdien­st gegeben, wonach der Mann einen Anschlag auf den Halbmarath­on plane. Deshalb hätten die Sicherheit­skräfte am Sonntag eingegriff­en.

Ein Zwischenfa­ll mit einem Messer an der Marathonst­recke habe keinen Zusammenha­ng mit den Durchsuchu­ngen und Festnahmen, betonte Polizeispr­echer Neuendorf. Es habe sich um einen Streit zwischen zwei Personen gehandelt. Der Halbmarath­on ging nach Angaben der Veranstalt­er ohne außergewöh­nliche Vorfälle zu Ende.

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Foto: Christophe Gateau, dpa Polizisten sichern die Halbmarath­on Strecke in Berlin. Im Hintergrun­d der Berliner Dom.

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