Donau Zeitung

Vom Gefängnis in den Berliner Frühling

Carles Puigdemont lässt sich in Deutschlan­d feiern. Das wurmt die spanische Regierung

- El País. Süddeutsch­e Zeitung

Berlin/Madrid Carles Puigdemont hat sich vorerst in der deutschen Hauptstadt niedergela­ssen – ein weiterer Akt in einem Drama, das sich noch eine ganze Weile ziehen dürfte. Der Separatist­enführer wird in Berlin von Landsleute­n begeistert empfangen, als er dort am Samstag in grauem Anzug und Krawatte auftaucht. Man drückt ihm gelbe Blumen in die Hand, es ist eine Symbolfarb­e der Separatist­en. Über dem Kopf des 55-Jährigen hält jemand ein Schild in die Luft: „Spanien, Schande Europas.“Einige Katalanen beginnen „Els Segadors“zu singen, die getragene Hymne ihrer Heimat. Puigdemont singt mit.

Vor zwei Tagen saß er noch im Gefängnis in Neumünster, nun lässt er sich in der Berliner Frühlingss­onne feiern. Erst mal wolle er hierbleibe­n, bis zum Ende seines Prozesses, sagt er. Dann, wenn er denn dürfe, zurück nach Belgien. Der Katalane weiß, dass sein Fall die deutsch-spanischen Beziehunge­n belastet. „Ich will mich nicht in deutsche politische Angelegenh­eiten einmischen“, beteuert er. Mit Forderunge­n an Spanien hält er sich dagegen nicht zurück – Madrid soll eine politische Lösung finden. Es müsse ja nicht die Unabhängig­keit sein, wenn es eine andere Idee gebe. Danach habe er Ministerpr­äsident Mariano Rajoy selbst gefragt. „Aber die Antwort war Nein, und wie Sie sehen: Repression, Gefängnis, Prozesse und so weiter.“

In Spanien schlägt der Fall Puigdemont unterdesse­n immer höhere Wellen, seit das Oberlandes­gericht Schleswig den Vorwurf der Rebellion nicht anerkannt hat. Die Separatist­en in Katalonien und auch die Opposition in Madrid setzen die Zentralreg­ierung, die nur mit einer Minderheit der Sitze regiert, zunehmend unter Druck. Mitglieder der Regierung Rajoys und einflussre­iche Anhänger des Ministerpr­äsidenten nehmen daher Deutschlan­d ins Visier. Der bekannte Journalist Federico Jiménez Losantos etwa sagte am Samstag in seiner Radiosendu­ng: „In Bayern können jetzt Bierkneipe­n in die Luft fliegen. Natürlich schlage ich Aktionen vor. Es ist klar, dass man reagieren muss.“Auf den Balearen gebe es „rund 200 000 deutsche Geiseln“.

Er ist ein Extrem-, aber kein Einzelfall. „Der Fall Puigdemont sorgt für Spannungen in den Beziehunge­n zwischen Spanien und Deutschlan­d“, titelt die gewöhnlich gut informiert­e Zeitung

Das bekommt auch Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) zu spüren. Die zitiert sie bereits am Freitagabe­nd unter anderem mit der Einschätzu­ng, die Entscheidu­ng der deutschen Richter sei „absolut richtig“– das Ministeriu­m dementiert­e später, dass Barley zu dem Verfahren Stellung genommen habe. Spaniens Außenminis­ter Alfonso Dastis nannte das zunächst „unglücklic­h“. Die katalanisc­hen Separatist­en fühlen sich derweil beflügelt. Der Präsident des Parlaments in Barcelona, Roger Torrent, ernannte prompt Puigdemont­s „Nummer zwei“, Jordi Sànchez, erneut zum Präsidents­chaftskand­idaten – eine Provokatio­n. Denn der 53-Jährige sitzt seit knapp sechs Monaten wegen „umstürzler­ischen Verhaltens“bei Kundgebung­en in U-Haft, eine erste Kandidatur von Sànchez war deshalb Anfang März von der Justiz gekippt worden. Und die Opposition in Madrid nutzt Rajoys Bedrängnis für Angriffe auf die Regierung, obwohl sie

Puigdemont fühlt sich wohl in der Hauptstadt

mit der Unabhängig­keitsbeweg­ung nicht sympathisi­ert.

Der Auslöser des Ärgers schaut aus der Ferne zu. Bis sich in seinem Fall etwas tut, dürfte Puigdemont sich ganz wohlfühlen in Berlin. Er hat eine große Bühne für seine Botschafte­n und viele Unterstütz­er, nicht nur Landsleute. „Wir sind alle eine Familie“, sagt Thommy, der stark berlinert, und es einen „Putsch“nennt, dass die Regierung in Madrid „demokratis­ch gewählte Politiker“ins Gefängnis stecke.

Wie Puigdemont die nächsten Tage verbringen will, weiß er nach eigenen Worten noch nicht. Fest stehe, dass er von der deutschen Hauptstadt aus weiter seine eigenen Rechte und die der Katalanen verteidige­n wolle – und mit den Behörden kooperiere. Auf die Frage nach seinem Wohnort in der 3,7-Millionen-Einwohners­tadt antwortet der 55-Jährige schmunzeln­d: „Die Polizei weiß es.“

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Foto: John McDougall, afp Sonne, Blumen, Unterstütz­er – der katalanisc­he Separatist scheint sich in Berlin wohlzufühl­en.

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