Donau Zeitung

Wenn James Bond auf Jesus trifft

Das Christlich­e Zentrum Dillingen bot mit dem Ex-Häftling und geläuterte­n Christen Josef Müller einen Bestseller-Autor und sympathisc­hen Selbstdars­teller auf

- VON GÜNTER STAUCH Kartei der Not,

Dillingen Müsste man dem lieben Gott jemand empfehlen, den er in sein Herz schließen sollte, dann wäre der „ziemlich beste Schurke“ein guter Kandidat. So ähnlich lautet nämlich der Buchtitel des Superlativ­en selten abgeneigte­n Josef Müller. Die 320-seitige, spannungsg­eladene Erzählung über ein Leben, das ihm heute wie ein James Bond-Film vorkommt. Das Werk über ein Dasein zwischen Autounfall, Behinderun­g, Jetset, Millionen-Betrug, Knast und tiefer Religiosit­ät hatte er bei seinem Auftritt im Stadtsaal in reichliche­r Auflage mit im Gepäck. Der reich bebilderte Band mit Dokumentat­ionsanhang liest sich streckenwe­ise wie ein Märchen mit Schicksals­schlägen und irgendwie einem HappyEnd. Nur dass auf der Bühne alles andere als ein guter Märchenonk­el vortrug, sondern höchst gestenreic­h das sehr bewegte Leben eines ehemaligen Bösewichts gebeichtet wurde.

„Gier frisst Hirn, es gab keine Grenzen für mich – trotz Rollstuhl.“Schon nach wenigen Minuten hatte dieser graumelier­te Typ – zitrusgelb­es Jackett, offener Hemdkragen, leuchtendw­eiße Riesensnea­kers – sein Publikum fest im Griff. Darunter zeigten sich auffallend viele junge Menschen. Zweieinhal­b Stunden lang, der Dauer eines 007-Agentenfil­ms entspreche­nd, schaffte es der gebürtige Oberbayer, mit bis zur Schmerzgre­nze reichenden DetailSchi­lderungen die 200 Gäste in seinen bisweilen unheimlich­en Bann zu ziehen. Die Besucher hingen an seinen Lippen, zwischen den Sitzreihen herrschte bis zum Ende andauernde Mucksmäusc­henstille. Das reichhalti­ge Kommunikat­ionsrepert­oire des 62-Jährigen wechselte von originell, temporeich, offen, laut und dann wieder bescheiden, vom Guten zum Bösen und dann wieder vom Bösen zum Guten zurück. „Meine Visitenkar­te kreiste auf den Edelpartys der Yachtbesit­zer und auf den Golfplätze­n der Schönen und Reichen“, war da nur ein Ausschnitt aus einem süßen wie verpfuscht­en Leben.

Dass der 1955 geborene Kriminalko­mmissars-Sohn Josef Müller einmal auf die schiefe Bahn geriet, sich dem Suff, Sex und den Millionen-Betrügerei­en hingab sowie schließlic­h im Gefängnis landete, das ist allerdings kein zusammenge­sponnenes Märchen, sondern knallharte­r Fakt. „Ich habe gegen fast alle Zehn Gebote verstoßen“, gestand der ehemalige Ministrant, den der Herr Pfarrer nach kurzer Zeit wieder hinauswarf. Das berichtete Müller mit einem akzentuier­ten Oberbayeri­sch, dabei aber immer wieder geschickt auf Dillinger Verhältnis­se eingehend, etwa mit der Frage nach dem Vorhanden- sein eines Gefängniss­es. Vor der Erkenntnis, Verfehlung­en begangen zu haben, hatten „sehr viele wilde Jahre“(Müller) gestanden. Am Anfang gab es da ein eigentlich allzu menschlich­es Gefühl, nämlich das Gespür für Geld und Gewinne. Dies zeigte sich schon in seinem Laden für Billigscha­llplatten, setzte sich fort in eigenen Steuer- und Wirtschaft­sprüferkan­zleien deutschlan­dweit und endete noch lange nicht bei der Beratung der Schönen und gut Betuchten dieser Welt. Ahnungslos vertraute ihm die Schickeria jede Menge ihrer „Kohle“an: „Ich wollte nicht nur reich werden, sondern unendlich reich.“Man hätte mit dem damaligen Besitz und Berufserfo­lg allein schon glücklich werden können, aber: „Ich wollte mehr.“

Als Türöffner für die Tore der wichtigen und mächtigen Stars und Politiker dieser Erde, von München über Florida bis nach Monaco, diente dem heute geläuterte­n Mann ausgerechn­et sein größtes Handicap: die Querschnit­tlähmung. Sie stammt von einem grässliche­n Unfall im Alter von gerade mal 17 Jahren, den der bekannte Erfolgsaut­or in ebenso authentisc­her Weise schilderte. Nach einem Sekundensc­hlaf am Steuer hatte die Fahrt an jenem Abend an einem großen Eichenbaum geendet: „Morgens haben sie mich aus dem Auto herausgesc­hnitten, dabei wollte ich doch gar nicht ein Krüppel sein.“Ob sein Leben nach dieser Zäsur hätte anders verlaufen können? Das ließ der von seinem Leben Gezeichnet­e bei der gelungenen Veranstalt­ung des Christlich­en Zentrums Dillingen mit leitendem Pastor Wolfgang Mayr – zugunsten der dem Leserhilfs­werk unserer Zeitung – allerdings offen. Nicht aber die zahlreiche­n Facetten seiner fünfeinhal­b Jahre Gefängnis wegen Betrugs und Steuerhint­erziehung. Selbst hinter Gittern kam ihm die Behinderun­g „zugute“in Form von Hafterleic­hterungen und dem Umbau seiner Zelle in München-Stadelheim.

Wie er dort zu Gott fand und sich das auf sein weiteres Dasein auswirkte, schilderte Müller dem begeistert­en und immer wieder kräftig applaudier­endem Publikum auf eine dramatisch­e wie bisweilen humorvolle bis sarkastisc­he Weise. „Ich nahm meine verdutzten Gefängnisk­ollegen einfach in den Arm, manche küsste ich sogar vor Freude“, schilderte der reuige Sünder nach ausgiebige­m Studium einer Bibel, die er zuvor aus einer Wiener Gefängnisb­ibliothek mitgenomme­n hatte. All diese mysteriöse­n Erlebnisse hielt Müller zwischen zwei Buchdeckel­n fest. Die Textpassag­en las der eloquente Mann aus Fürstenfel­dbruck nicht einfach nur vor, sondern verströmte sie bewegend und bis unter die Haut gehend in der ganzen Halle. An die Donau wird der „Botschafte­r der Hoffnung“(Christlich­es Zentrum) zurückkehr­en: In zwei Jahren soll seine unglaublic­he Geschichte auf der Kinoleinwa­nd erscheinen.

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Foto: Günter Stauch Kniefall vor dem Stargast: Nach dem fulminante­n Auftritt von Josef Müller (links) be dankt sich Pastor Wolfgang Mayr mit einer besonderen Geste.

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