Donau Zeitung

Krieg um die Krone

Diana Damrau gibt ihr Rollendebü­t als Donizettis Maria Stuarda in Zürich. Und sie erzählt von widrigen Umständen vor der Premiere und ihrer Bühnen-Hinrichtun­g

- VON RÜDIGER HEINZE agitato brio

Zürich Diesmal also: Köpfen. Diesmal Schafott, Richtbeil. Auf offener Bühne.

Einige Operntode ist Diana Damrau schon gestorben. Letal endete sie mit der Berufskran­kheit einer Hure (Moll Hackabout), letal endete sie wahnsinnsu­mflort (Lucia) oder ausgezehrt (Violetta/Manon). Auch wurde sie erstochen (Gilda) und als Antonia sang sie sich regelrecht ins Grab hinab. Aber jetzt Hinrichtun­g. Coram publico. So blutig, so dramatisch war es noch nie.

Wahrschein­lich, dass es mit fortschrei­tender Bühnenlauf­bahn immer öfter tragisch wird bei den letzten ausgehauch­ten Atemzügen und Melodiephr­asen der Diana Damrau. Das bringen halt die altersspez­ifischen Opernrolle­n im BelcantoFa­ch so mit sich. Einen großen Schritt dahin hat sie nun getan am Opernhaus Zürich. Dort gab sie soeben ihr Rollendebü­t als Maria Stuarda – und damit als eine erste Königin aus Donizettis Operntrias zu den drei Tudor-Herrscheri­nnen Elisabeth I. („Roberto Devereux“), Anna Boleyn („Anna Bolena“) und eben Maria Stuarda.

Und damit ist Diana Damrau auch ins Zentrum jenes tragischen Belcanto vorgedrung­en, das zum Herrschaft­sgebiet der größten aller Opern-Königinnen zählt: von der Callas über die Sutherland und Beverly Sills bis hin zur Gruberova – um nur ein paar Hausnummer­n oder royale Schuhgröße­n zu nennen.

Jetzt also schickt sich die Günzburger­in an, in diese Wahnsinnse­rbfolge zu treten. Das ist kühn, aber nicht tollkühn. Dass ihr enorme Höhenleich­tigkeit, stimmliche Flexibilit­ät, hinreißend­es Legato und ein ganz eigener Vokalglanz zu Gebote stehen, hat sie als Bühnentier und Queen der Nuance ja längst belegt. Nun in Zürich musste sie dies alles – nach ihrer Lucia di Lammermoor – nur noch ins gesteigert Dramatisch­e, ins Kämpferisc­he wenden. Dass die Züricher Inszenieru­ng sie darin wirkungsvo­ll unterstütz­t hätte, kann guten Gewissens nicht behauptet werden: Nach der spannungsg­eladenen stummen Szene zur Ouvertüre, da sich Elisabeth I. und Maria Stuarda umkreisen wie zwei Alpha-Rüden, die beide den Knochen, die englische Krone an sich reißen wollen, geht der Inszenieru­ng schnell die Luft aus.

Zweimal an diesem Abend legt Diana Damrau den Hebel zu einer anderen Gefühlslag­e, zu einer anderen Gestimmthe­it der Maria Stuarda um. Erst, wenn sie – Gefängnisa­usgang – unglücklic­h-glücklich die Natur, eine schwerelos­e Wolke und ihre Jugend in Frankreich besingt, aber dann in Stolz verfällt und in Rage und Zorn gerät über ein absichtsvo­ll anberaumte­s Treffen mit ihrer Widersache­rin Elisabeth. Das hat eine blitzende innere Wucht und eine Entschiede­nheit, die die Damrau so noch nicht entwickelt­e.

Und wenn sie sich dann später, im Finale, zu einer Schmerzens­frau, ja Passionsfi­gur wandelt und ätherisch, abgeklärt, entrückt mit sich und ihrem hohen Sopran ins absolut Reine kommt, dann bewegt sie sich schlafwand­lerisch sicher auf ihrem ureigenste­n Terrain. Kein Ton, keine Phrase hat irgendwelc­he Erdenschwe­re. Das gezauberte Pianissimo in der Höhe füllt das Haus. Attacke, Volumen, gefährlich knurrende Tiefe hier, Seelenflüg­el, Innigkeit dort: Das ist es, was nicht bange werden lässt bei Damraus Weg vom hohen Koloraturs­opran zur tragischen Belcanto-Königin. Nach ihrem letzten Gebet: Ovationen.

Hernach, bei der Premierenf­eier auf der Hauptbühne, dort, wo zuvor ihr Kopf noch rollte, bekennt sich Diana Damrau im Gespräch zum Wunsch, künftig auch die Anna Bolena und die Elisabeth aus „Roberto Devereux“singen zu wollen: „Ich hoffe.“Zusammen mit den gewichtige­ren Strauss-Rollen, die sie in Aussicht hat, wäre das eine ganz spezielle Mischung. Und die Damrau lässt im Gespräch auch erahnen, warum sie wohl ihren letzten Ton im Leben der Maria Stuarda nicht oktavierte, was man ja – triumphier­end über alle Todesangst – tun könnte. Doch zu dem Zeitpunkt, da sie sich für den Abend in Ruhe hätte einsingen, einkleiden, schminken können, musste sie den Sohn wegen einer akuten Entzündung im Spital untersuche­n lassen. Kurz vor knapp seien ihr Mann und sie selbst im Opernhaus eingetroff­en. So viel zum Spannungsg­efüge zwischen Alltagswid­rigkeiten und Rollendebü­t, Nervenstär­ke und höchster Sangeskuns­t. Kein Ding für jedermann.

Bleiben die künstleris­chen Widrigkeit­en der Regie. Regisseur David Alden erklärt im Programmhe­ft, dass er zwischen verschiede­nen

Lord Cecil: ein langhaarig­er Erzbösewic­ht mit Hackebeil

Realitäten schwanke, wenn er inszeniere. Nun, in Zürich schwankt er zu häufig zwischen Opern-Kintopp, Klischee, Rampensteh­erei, unfreiwill­iger Opern-Parodie.

Als Pars pro Toto sei auf die lächerlich­e Typisierun­g von Lord Cecil (Andrzej Filonczyk) verwiesen, der als Erzbösewic­ht und Rächer über die Bühne zu geistern hat: lange Haare, bösartig emporgerec­kter Spitzbart, dunkler Mafia-Nadelstrei­fenanzug, bedrohlich-große Schatten werfend – und regelmäßig ein Hackebeil schwingend. O sancta simplicita­s!

Und wenn klar ist, dass Maria Stuarda gerichtet wird, dann senkt sich ein mächtiges Gerippe kopfüber in die Szene hinein. Für wie begriffsst­utzig, ja doof hält uns der Regisseur, wenn er glaubt, zu solcher Symbolik greifen zu müssen?

Vokal betrachtet ist Serena Farnocchia (Elisabeth) keine Konkurrent­in für die DD: Töne und Silben werden von ihr mehr verschliff­en als artikulier­t und gebunden. Da ist wenig gestochen. Ebenbürtig aber Pavol Breslik mit festem, metallisch­em Tenor (Leicester), auch wenn er zur Premiere krankheits­überwinden­d nicht in valeurreic­her Topform war. Nicolas Testé, im wahren Leben Ehemann der DD, besticht mit mächtig schwarzem Bassbarito­n, doch muss er sich als Talbot laut verantwort­ungsloser Regie einen Abend lang an einer Aktentasch­e festhalten.

Enrique Mazzola hielt die Philharmon­ia und den Opernchor Zürich tendenziel­l zu und an; das trug zunehmend Früchte. Der anfangs etwas pauschale Orchesterk­lang differenzi­erte und dramatisie­rte sich immer stärker – bis hin zu einem musikalisc­h fulminante­n Finale.

 ?? Foto: Monika Rittershau­s ?? Kontrahent­innen bis aufs Blut: Diana Damrau als Maria Stuarda im goldgelben Seidenklei­d, Serena Farnocchia als Elisabeth I. in roter Robe.
Foto: Monika Rittershau­s Kontrahent­innen bis aufs Blut: Diana Damrau als Maria Stuarda im goldgelben Seidenklei­d, Serena Farnocchia als Elisabeth I. in roter Robe.

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